Ein Depp mit einem Werkzeug bleibt immer noch ein Depp -Betrachtung des Digital Growth Forum 2019- von Thomas Seidel
Im Frankfurter Pollux-Haus befindet sich das TechQuartier (Quelle: Thomas Seidel) |
Das Thema Digitalisierung ist in aller
Munde. Kaum eine Konferenz, auf der dieses Stichwort nicht
angesprochen wird. Doch gibt es inhaltlich erhebliche Unterschiede.
Es kommt darauf an, ob die Konferenzteilnehmer nur aus der ersten
Etage eines Unternehmen sind, oder ob es eine Zusammenkunft der
eigentlichen Macher ist. Das „Digital Growth Forum 2019“ war so
eine Macherkonferenz. Statt lauwarme Absichtserklärungen, gab es
tatsächliche Faktenaussagen. Statt „political correctness“ klare
Ansagen was ist und wohin die Reise geht. Ein überwiegend jüngeres
Publikum ist dabei, sich konkret seine Zukunft zu gestalten. Das zu
beobachten, wäre wichtig für alle wirtschaftlichen Entscheider!
Das Forum bot einen lockern Rahmen (Quelle: Thomas Seidel) |
Das Forum war eine Co-Veranstaltung der
Firmen Klickkonzept, Google und Creditshelf. Das bedeutet, die
Kompetenzen eines Online-Marketing-Spezialisten, des
Plattformanbieters weltweit schlechthin und eine
Mittelstandfinanzierers trafen an einem Ort zusammen. Nicht irgendwo
abgeschieden in einem Hotel oder Konferenzgebäude, sondern mitten im
Frankfurter TechQuartier. Neben IT-Entwicklern junger Unternehmen
wurde vorgetragen und diskutiert unkonventionell und unkompliziert.
Die Gespräche untereinander wurden weder von hierarchischen
Hemmschwellen noch abwehrendem Statusgetue behindert, wie man es so
oft bei Zusammenkünften von oberen Budgetverantwortlichen erlebt.
Datenauswertungen werden mit Hochdruck verbessert (Quelle: Thomas Seidel) |
Schon aus den ersten Vorträgen wird
klar, die Taktung in einer digitalisierten Welt ist erheblich kürzer
und schneller als in der analogen Vorperiode. Aber zunächst bedeutet
„Digitalisierung“ vor allem, die Prozesse in den Unternehmen
durch zu automatisieren und alles miteinander zu vernetzen, was in
einem Unternehmen an Informationen vorhanden ist und fließt. Intern
bedeutet Digitalisierung das Ende des alten Silo-Denkens in den
Unternehmen, wo jeder Führungsgockel eifersüchtig auf der Spitze
seines Haufens hockt und aufpasst, dass niemand so genau weiß, wann,
wieviele und welche Art von Eiern in seinem Stall gelegt werden.
Extern bedeutet Digitalisierung,
möglichst alles über die Kunden des Unternehmens zu wissen, ganz
gleich aus welchem Stall sie die Eier kaufen. Dazu muss man proaktiv
auf die Kunden zugehen und unternehmensintern sich ein Gesamtbild der
Kunden erarbeiten. Das soll heißen, man muss wirklich alle
Kundendaten an einer Stelle sammeln und zusehen, dass sie immer von
erstklassiger Qualität sind. Das bedeutet, die Daten müssen
korrekt, aktuell und plausibel sein. Einen guten Kontakt mit den
Kunden aufzubauen, zu pflegen und zu halten, ist aber traditionell
nicht die Stärke deutschen Unternehmerdenkens. Hierzulande
betrachtet man Kunden eher als Störenfriede der internen Prozesse.
Weil man in vielen deutschen Unternehmen von der eigenen
unwiderstehlichen Produktqualität zutiefst überzeugt ist, wünscht
man sich im Grunde Kunden, die ihre Kaufwünsche am besten in
bürokratischer Antragsform stellen, die dann irgendwann einmal
abgearbeitet werden, nämlich dann, wenn es in die internen Prozesse
des Unternehmens passt.
Mensch und Maschine müssen Hand in Hand arbeiten (Quelle: Thomas Seidel) |
Es ist ein Merkmal der digitalisierten
Welt, dass es solcherart „devoter“ Kunden nicht mehr gibt. Statt
dessen sind Kunden heute bestens informiert, qualitätsorientiert und
preiskritisch. Anders als früher sehen sich Kunden auch nicht mehr
langfristig an ein Unternehmen gebunden. Das reichliche informelle
Produktangebot macht es Kunden heute leicht, den Anbieter zu
wechseln, sei es aus Qualitätsgründen, sei es aus Servicegründen
oder auch einfach nur aus Preisgründen. So flexibel wie ihre Kunden
heute schon agieren, müssen auch die Unternehmen ihre
Geschäftsmodelle entsprechend dem anpassen können. Doch findet das
erkennbar dort nicht statt, wo Geschäftsführer unter
Digitalisierung noch immer nur das Einscannen aller Papiere und
Unterlagen in ein pdf.-Format missverstehen.
Digitalisierung hilf längst schon bei der Finanzierung (Quelle: Thomas Seidel) |
Längst ist die Digitalisierung auch in
den privaten Haushalten angekommen. Ob sich die Leute ein Taxi oder
etwas zu Essen bestellen, ob sie ihre Haustechnik von unterwegs
steuern, ob man Reisen komplett mit Transport, Hotel, Mietwagen und
Eintrittskarte zu Veranstaltung im Internet bucht, die Menschen
wollen heute „aus jedem Moment das Maximale herausholen“. Aus
diesem Verhalten resultiert eine unglaublich größere Datenvielfalt,
als es sie je in der analogen Welt gegeben hat. Unternehmen müssen
erkennen, dass diese Daten nicht lästig, sondern ein wertvoller
Schatz sind, den es unablässig zu analysieren und auszuwerten gilt.
Der Umsatz als solches ist nur noch eine Größe unter vielen. Jede
Interaktion mit den Kunden muss heran gezogen werden, um daraus zum
Beispiel für ein erfolgreiches Online-Marketing die richtigen
Schlüsse ziehen zu können.
Hilfreich dabei soll die „Künstliche
Intelligenz“ (KI), (engl: artificial intelligence (AI)), sein. Ein
Schreckenswort deutscher Datenschützer und amerikanischer
Verschwörungstheoretiker. Während die Deutschen fürchten,
permanent ausgespäht und beobachtet zu werden und so den letzten
Rest ihrer meist traurigen Privatsphäre preiszugeben, glauben die
Amerikaner tatsächlich daran, dass alsbald ein künstliches
Superhirn heimlich die Regierung unterwandert. Inzwischen hat das
Unternehmen Amazon mit seinem „Alexa“ alles daran setzt, die
deutschen Urängste Realität werden zu lassen. Allerdings würde den
Amerikanern ein Quantum mehr Intelligenz beim Regieren durchaus gut
tun, gleich ob natürlichem oder künstlichen Ursprungs. Tatsächlich
ist KI aber eher eine ambivalente Angelegenheit. Wo immer KI neu zum
Einsatz kommt, ist sie erst einmal blöder als ein neugeborenes Kind.
Das verfügt immerhin über vererbtes Wissen und daher Instinkte.
Den Grundzustand der KI drückt ein
Vortragender sehr treffend daher so aus: „A fool with a tool is
still a fool“ (deutsch: Ein Depp mit einem Werkzeug bleibt immer
noch ein Depp). Die notwendigen Lernprozesse jedenfalls sind bei
künstlicher und natürlicher Intelligenz gleich. Schicht für
Schicht und ständig wiederholend müssen die „Synapsen“ beider
„Gehirne“ mühsam trainiert werden, um nach und nach etwas zu
lernen. Der Vorteil des menschlichen Gehirns: es kann Rückschlüsse
ziehen und Zusammenhänge erkennen, die der KI für immer verborgen
bleiben und es ist fehlertolerant. Der Vorteil der künstlichen
Technik, alles geht sehr fix! Aber belastbare Ergebnisse gibt es eben
nur dann, wenn die Qualität der zugrunde liegenden Daten besonders
hochwertig, aktuell und plausibel ist. Andernfalls kommt bei einer
Analyse durch KI am Ende nur Murks heraus.
Der Traum von einer vollkommen datengeschützten Privatsphäre wird aber in der Zukunft keinen Bestand haben (Quelle: Thomas Seidel) |
All diese Voraussetzungen gelten auch
auf der Finanzseite von Unternehmen. Die Firma creditshelf bietet
hier vor allem mittelständischen Unternehmen vor allem kurz- und
mittelfristige Finanzmittel an, die dinglich nicht besichert sind.
Dabei ist die Ausgangslage zunächst eher nicht optimal. Der
Finanzmarkt in Deutschland gilt als „overbanked“. Man kann sich
Kapital zur Zeit zu günstigen Konditionen verschaffen. Doch dauern
die bürokratischen Entscheidungsprozesse in den Banken sehr oft zu
lange. creditshelf selbst ist keine Bank, sondern vermittelt Kapital
von Investoren. Das Unternehmen hat einen weitestgehend
digitalisierten Prozess. Doch scheint eine vollmaschinelle
Kreditentscheidung auf absehbare Zeit nicht möglich zu sein. Einen
entscheidungsreifen Gesamteindruck eines Kreditnehmers kann KI wohl
noch lange nicht abbilden. Weil die Datenlage aber oft mager
ist, bietet creditshelf seinen Kunden, unter Zuhilfenahme oben bereits
angesprochener Technik, auch einen analytischen Mehrwert an. Die
beste Datenerhebung ergebe sich aus dem Rechnungswesen der Kunden.
Diese Informationen ließen sich für Zwecke der Liquiditätskontrolle
und zur Analyse des Markumfeldes der Kunden nutzen.
In der Veranstaltung kann man zu dem
Eindruck kommen, Kunden (besonders im Sinne eines Verbrauchers) sind
heute schon weiter mit einer Digitalisierung voran gekommen, als es
viele Unternehmen selbst sind. Der Anpassungsdruck ist mittlerweile
enorm. Wer die Kunden nicht an ihren digitalen „Touchpoints“
abholen kann, wird einfach nicht mehr wahr genommen und kippt
unternehmerisch hinten runter. Das Wissen über die Kunden ist
bereits jetzt ein entscheidender Vorteil im Konkurrenzkampf auf dem
Markt. Ein zeitgerechtes Online-Marketing ist mindesten genauso
wichtig, wie mit der eigenen Produktqualität punkten zu können. Die
Möglichkeiten und Methoden dazu stehen bereit. Die Entscheidungen
für eine erfolgreiche Unternehmenszukunft liegen beim Management.
Aber gerade das scheint in vielen Unternehmen inzwischen das
Haupthindernis für den weiteren Erfolg zu sein.
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