II. The Bank of England -Her Majesty’s Central Bank- von Thomas Seidel
Das ausgehende 17.Jahrhundert ist
in England eine Zeit beinahe bürgerkriegsähnlicher Auseinandersetzungen. 1677
hatte Maria, die Tochter des regierenden englischen Königs Jakob II ihren
Cousin Wilhelm III von Oranien geheiratet, einen streng calvinistisch erzogenen
Prinzen aus der niederländischen Linie des Hauses Oranien-Nassau. Die Versuche
von Wilhelms Schwiegervater des katholischen König Jakob II in England wieder
den Katholizismus zu etablieren endeten damit, dass er von seinem Schwiegersohn
im Verlauf der sogenannten Glorius Revolution vom Thron verdrängt wurde.
Wilhelm und Mary unterzeichneten am 23.10.1689 die berühmten „Bill of Rights“,
jenes verfassungsähnliche Dokument des englischen Staates, das besonders die
Rechtsbeziehungen zwischen dem König und dem Parlament regelte und letztlich
eine absolutistische Königsmacht nach französischem Vorbild in England für
immer verhinderte. Wilhelm befand sich im Krieg mit Frankreich das Jakob II
unterstützte. Wilhelm musste erhebliche Mittel aufwenden, um die Versuche
seines Schwiegervaters, den Thron zurück zu gewinnen, abzuwehren.
In jenen Zeiten befanden sich die
englischen Staatsfinanzen in einem zerrütteten Zustand. Wirklich ständige
Steuern auf das Einkommen oder gar den Warenumsatz wie heute gab so es nicht.
Die Krone musste sich beim Parlament für jede Unternehmung eine neue Steuer
genehmigen lassen. Aus den Tagebüchern von Samuel Pepys wissen wir, dass die
Krone so manches mal auch bei den Kaufleuten keinen Kredit mehr bekam. Drei
Seekriege mit den Niederlanden, ein ausschweifendes Leben von Jakobs Bruder und
Vorgänger als König Charles II hatten Misstrauen und Unwillen bei Adeligen und
Bürgern gesät. Im Jahr 1694 beliefen sich die Schulden der englischen Krone auf
etwa eine Million Pfund.
Eine Million Pfund Note Quelle: Bank of England
Vor dieser Ausgangslage traten
eine Reihe von Geschäftsleuten, unter der treibenden Kraft des schottischen
Kaufmanns William Paterson und der Mitwirkung des ab 1697 amtierenden
Schatzkanzlers Charles Montagu an den König heran, und ersuchten um das
Privileg eine Notenbank gründen zu dürfen. Sie hatten die Idee eine
Aktiengesellschaft zu gründen, die für die Krone eine zuverlässige Kreditquelle
sein sollte. Den Aktionären versprach man Erträge aus den Zinszahlungen der
Krone. Neben der Kriegsfinanzierung für König Wilhelm, sollte auch das
englische Handelsgeschäft mit den Kolonien gefördert werden. Vorbild dazu
könnte die holländische Wisselbank in Amsterdam gewesen sein. Jenes bereits
1609 gegründete Finanzinstitut, finanzierte vor allem die wirtschaftliche
Expansion und auch den beginnenden Handel der niederländischen Oostindische
Compagnie. Am 27.Juli 1694 schließlich kam es zur Gründung der Bank of England.
Zuvor hatte man innerhalb von nur zehn Tagen 1,2 Millionen Pfund aus gezeichneten
Aktien eingesammelt. Insgesamt 1268 Gläubiger erhielten das königliche Privileg
Banknoten auszugeben und kommerzielle Bankgeschäfte zu betreiben. Obwohl
offiziel unter dem Namen „The Governor and Company of The Bank of England“ firmierend,
war die Bank of England Privateigentum in Form dieser Aktiengesellschaft und
sollte das auch bis zu ihrer Verstaatlichung im Jahr 1946 bleiben.
The Great Hall im Jahr 1808 Quelle: bank of England
Anders als etwa die bereits
sechsundzwanzig Jahre zuvor gegründete Schwedische Reichsbank war die Bank of
England also keine Parlamentsbank. Sie war zunächst auch wirklich nur eine Bank
für England. Knapp ein Jahr nach Entstehen der Bank of England wurde am 17.Juli
1695 durch Beschluss des schottischen Parlaments die Bank of Scotland
gegründet. Diese hatte durchaus, und das bis in das 20. Jahrhundert hinein, ihr
eigenes Ausgabeprivileg für Banknoten. Das hin und her karren von Banknoten
zwischen Schottland und England sollte am 8. August 1963 zum größten Postraub
aller Zeiten führen. Eine Bande überfiel einen Postzug in dem altes Bargeld von
Glasgow nach London transportiert wurde und raubte insgesamt £ 2.631.684. In
heutiger Kaufkraft etwa 40 Million Pfund Sterling oder ungefähr 48 Millionen
Euro.
Gold Vaults (Goldtresor) Quelle: Bank of England
Zunächst machten die Eigentümer
gute Geschäfte mit der Regierungsfinanzierung. Man achtete darauf, dass die
ausgegebenen Banknoten durch Gold gedeckt waren, denn man wollte eine
inflationäre Entwicklung unbedingt vermeiden. Das war auch dringend notwendig.
Auch das 18. Jahrhundert war für England durch eine Abfolge von Kriegen
geprägt. Gleich zu Beginn ging es im Nordischen Krieg und im Spanischen
Erbfolgekrieg um die Aufrechterhaltung der Machtbalance in Kontinentaleuropa.
Schweden trat als Großmacht ab, Russland nahm dessen Platz ein. Vor allem in
Nordamerika lieferte man sich Kolonialkriege mit Frankreich. Dann kämpfte man
sogar mit den nach Unabhängigkeit strebenden, eigenen Kolonien. Das Ende des
18. Jahrhunderts wurde schließlich durch den imperialen Machtanspruch des
napoleonischen Frankreich geprägt. Alle diese Kraftanstrengungen führten zu
einer immensen öffentlichen Verschuldung und schließlich auch in eine
erhebliche Inflation.
Bank of England Hauptgebäude Quelle: Bank of England
Bereits 1734 hatte die Bank of
England Grundstücke an der Threadneedle Street erworben und begann mit dem Bau
jenes Gebäudes, welches noch heute den Hauptsitz der Bank ausmacht. 1844
schließlich erhielt die Bank of England das Monopol zur Ausgabe von Banknoten.
Seitdem mussten die schottischen Banknoten im Verhältnis 1:1 durch englische
gedeckt sein. In der Praxis sahen die schottischen Banknoten dann nur etwas
anders aus. Nach der Bekämpfung der Inflation aus den napoleonischen
Kriegszeiten kehrte man wieder zur strengen Golddeckung aller Banknoten zurück,
da man darin das beste Mittel zur Inflationsbekämpfung sah.
Im Laufe des 19.Jahrhunderts
tritt das ursprünglich kommerzielle Geschäft der Bank of England nach und nach
in den Hintergrund. Unter den Geschäftsbanken in London wird die Bank of
England mehr und mehr eine moderne Zentralbank. Sie schlüpft in die Rolle der
Bank der Banken und des „Lender of Last Resort“, ein Begriff der so sinngemäß
von Sir Francis Baring in seinen „Observation on the Establishment of the Bank
of England“ von 1797 eingeführt wurde. Die Hauptaufgabe der Bank of England
wird die Sicherstellung der Liquidität des Bankensystems und die reibungslose
Geldversorgung des British Empire.
Moderne 10 Pfund Note Quelle: Bank of England
Die politischen, wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Verwerfungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts,
die beiden Weltkriege und die großen Weltwirtschaftskrisen, machen es unmöglich
den Goldstandard aufrecht zu erhalten. Dieser wird 1931 aufgegeben. Die Gold-
und Fremdwährungsreserven der Bank of England wurden auf das Britische
Schatzamt übertragen. Besonders der Zweite Weltkrieg verschärft noch einmal die
Lage und bringt eine Devisenbewirtschaftung mit sich. Dann, schließlich, wird
die private Eigentümerschaft der Bank of England aufgegeben und 1946 wird die
Bank verstaatlicht.
Mount Washington Hotel Bretton Woods New Hamshire Quelle: flickr
Inzwischen hatte man sich, vor
allem gemeinsam mit den Amerikanern, Gedanken über eine neue
Weltwirtschaftsordnung nach dem 2. Weltkrieg gemacht. Dazu trafen in einem
Ausflugsort im US-Bundesstaat New Hampshire vom 1. bis zum 22. Juli 1944 die
Finanzminister und Notenbankgouverneure von 44 Staaten zusammen. Der Name des
Ortes wurde zum Synonym für ein neues Weltwährungssystem Bretton-Woods. Auf
dieser Konferenz prallten zwei Konzepte aufeinander. Der berühmteste
Nationalökonom Englands John Maynard Keynes schlug vor, eine internationale
Kunstwährung den Bancor zu schaffen.
Der Gegenvorschlag der Amerikaner unter deren Finanzminister Harry Dexter White
sah dagegen eine Fondslösung vor und eine Bindung aller Währungen der Fonds-Mitgliedsländer
an den Dollar. Beide Ansätze gingen jedoch von einer festen Deckung durch einen
Goldstandard aus. So entstand nach dem 2. Weltkrieg ein durch Gold gedecktes
Weltwährungssystem, das System von Bretton-Woods. Dieses brach jedoch schon
1973 endgültig in sich zusammen. Bereits am 15.August 1971 hob der damalige
US-Präsident Richard Nixon die nominale Goldbindung zum US-Dollar auf. Seit der
Gründung des Systems von Bretton-Woods waren auf der Welt so viele Dollar in
Umlauf gekommen, dass die gesammelten Goldreserven der USA, die in dem
berühmten Fort Knox gelagert sind, nicht ausgereicht hätten auch nur ein Mitgliedsland
von Bretton-Woods in Gold auszuzahlen.
Heute ist die Hauptaufgabe der
Bank of England, die nun eigentlich eine Bank of Great Britain ist, vor allem
die Geldwertstabilität des Britischen Pfunds zu gewährleisten. Dazu stehen der
Bank of England alle modernen Instrumentarien wie Leitzinsen,
Offenmarkt-Geschäfte und Mindestreserven zur Verfügung. Der offizielle
Zielkorridor beim Inflationssatz liegt bei zwei Prozent. Daneben soll die Bank
of England die Stabilität des britischen Finanzwesens gewährleisten. Zu diesem
Zweck ist ihr erlaubt, auch aktiv am britischen Marktgeschehen teilzuhaben etwa
durch An- oder Verkäufe von Staatsanleihen. Schließlich soll die Bank of
England die lokalen Zahlungssysteme überwachen und deren reibungsloses
Funktionieren sicherstellen. Sie trägt bei, zur Entwicklung und Verbesserung
der Finanzinfrastrukturen und versucht systemische Risiken im Finanzwesen zu erkennen
und wenn möglich einzudämmen.
Der Courtroom Quelle: Bank of England
Lange Zeit führte die Bank of
England keine Aufsichtsaufgaben bei den britischen Finanzinstitutionen durch.
Das hat sich jedoch seit der letzten Finanzkrise von 2009/2010 wieder geändert.
Mit dem Financial Services Act von 2012 wurde der Bank of England die
Finanzaufsicht als „Prudential Regulation Authority (PRA)“ auferlegt. Als solche
überwacht die Bank of England neben den Banken unter anderen auch
Versicherungen und große Investmentgesellschaften, insgesamt etwa 1.700
Finanzinstitute. Sie arbeitet dabei mit der „Financial Conduct Authority (FCA)“
zusammen. Dabei handelt es sich um eine Einrichtung, die sich unter anderem um
Verbraucherschutz in Finanzsachen bemüht. Die FCA überwacht dabei rund 50.000
Firmen und überprüft auch deren Verhalten im Geschäftsverkehr. Finanziert wird
die FCA von den Mitgliedsfirmen die sie beaufsichtigt, ist allerdings der
Regierung und damit indirekt dem Parlament gegenüber verantwortlich.
Mark Carney Govenor Quelle: Bank of Engalnd
Geführt wird die Bank of England
von sogenannten Governors und Executive Directors. Das sind der Governor, zur
Zeit Mark Carney, drei stellvertretende Governors jeweils für Geldpolitik,
Finanzstabilität und Finanzaufsicht und ein Chief Operating Officer, sowie
vierzehn weitere Executive Directors. Sie alle sind für das Tagesgeschäft in
ihren jeweiligen Fachbereichen zuständig. Daneben gibt es eine Art Beratungs-
und Kontrollkommitte, den Court of Directors. Diesem gehören neben den Governor
und seinen Stellvertretern auch so genannte Non-Executives, also
Persönlichkeiten die außerhalb der Bank of England stehen, an. Alle diese Personen
werden von der Regierung vorgeschlagen und von der Krone ernannt, wenngleich
auch für eine unterschiedliche Aufgabendauer bei möglicher Wiedereinsetzung.
So gediegen und gelassen die Bank
of England in ihrer nunmehr weit über dreihundertjährigen Geschichte im
öffentlichen Erscheinungsbild daher kommt, ist sie, bei aller Expertise,
keineswegs unabhängig. Vielmehr unterstehen die Direktoren einem direkten
Weisungsrecht des britischen Schatzkanzlers. Von der Natur der Sache her ist
die Bank of England damit ein verlängerter Arm der Britischen Regierung und
somit zumindest indirekt auch Gegenstand der politisch wechselnden
Mehrheitsverhältnisse im Vereinigten Königreich.
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