I. Sveriges Riksbank Die Schwedische Reichsbank -Älteste aller Zentralbanken- von Thomas Seidel

Ausgehend von der historischen Entwicklung des Bankenwesens, etwa seit dem 15. Jahrhundert, mag man die älteste Zentralbank vor allem in Italien vielleicht auch in den Niederlanden vermuten. Es überrascht aus heutiger Sicht daher, dass diese Gründung ausgerechnet in Schweden zu finden ist.

Man darf aber im geschichtlichen Kontext nicht vergessen, dass im 17. Jahrhundert Schweden eine der führenden Großmächte Europas war. Schweden beherrschte lange den Ostseeraum. In dieser Zeit war Russland noch weitestgehend bedeutungslos im Konzert europäischer Großmächte. Das Eingreifen des Schwedenkönigs Gustaf II. Adolf im Dreißigjährigen Krieg hatte die Stellung des Protestantismus im Europa nördlich der Alpen gesichert.

Bereits 1656 hatte ein gewisser John Palmstruch die nach ihm benannte Palmstruch-Bank gegründet und im selben Jahr das Recht zur Herausgabe von Banknoten erhalten. Weil der Wert dieser ersten Banknoten jedoch nicht konsequent mit Edelmetall gedeckt war, kam es alsbald zu einer Entwertung der Noten durch Inflation. Infolgedessen übernahm der Schwedische Reichstag 1668 die Palmstruch-Bank, um einen Konkurs derselben zu verhindern. Fortan als Schwedische Reichsbank (schwedisch „Sveriges Riksbank“) bezeichnet, war sie von Anfang an und ist bis heute eine Behörde des Schwedischen Reichstags geblieben. Ein Parlament hält sich also seit über 350 Jahren eine Zentralbank. Das ist eine außerordentliche Besondertheit unter den Zentralbanken, die so kein zweites Mal auf der Welt existiert.

Zunächst war die Schwedische Reichsbank abhängig von den Beschlüssen des Parlaments. So wurde die Zentralbank im 17. und 18. Jahrhundert mehrmals gezwungen für Schweden diverse Kriegsteilnahmen zu finanzieren. Darunter den langen Nordischen Krieg (1700-1721), dessen übler Ausgang für Schweden das Ende als Europäische Großmacht einleitete und zum Aufstieg Russlands unter Zar Peter dem Großen führte. Daneben musste die Zentralbank auch eine starke wirtschaftliche Expansionspolitik finanzieren. Das alles endete letztlich in einer hohen Inflation.

Bereits in dieser Zeit, der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, erkannten schwedische Nationalökonomen eine Wechselwirkung zwischen der Menge des Geldumlaufs, der Teuerungsrate und dem Wechselkurs der Schwedischen Krone. In den 1760er Jahren änderte der Reichstag seine expansive Geldpolitik radikal in eine restriktive, beschwor damit allerdings nur eine Deflationskrise herauf. Mit dem Monopol zur Ausgabe von Banknoten wurde die Schwedische Reichsbank, die im übrigen auch das Monopol für die Herausgabe von Münzen besitzt, ab 1871 schließlich eine Zentralbank im modernen Sinn.Im Lauf der Zeit musste die Schwedische Krone mehrere Währungsreformen über sich ergehen lassen. Anfangs durch Silber gedeckt, wurde immer wieder mal ein neuer  Silberstandard beschlossen, so etwa 1777, 1803 und 1834. Erst im späten neunzehnten und dann ab dem 20. Jahrhundert orientierte sich der Wert der Krone an Wechselparitäten zum Britischen Pfund und natürlich zum Amerikanischen Dollar.

Quelle: Schwedische Reichsbank

Doch Währungspolitik ist in Schweden seit eh und je nicht Sache der Zentralbank. Die Schwedische Reichsbank ist in erster Linie heute für Geldpolitik zuständig, also die Versorgung der Wirtschaft mit ausreichend Geld und Kredit. Währungspolitik ist Sache der Regierung, sie wird aber technisch von der Zentralbank durchgeführt. Geleitet wird die Schwedische Reichsbank von einer sechsköpfigen Direktion. Die Amtszeit der Direktionsmitglieder beträgt sechs Jahre. Freilich wird jedes Jahr ein neues Direktionsmitglied von einem elfköpfigen Reichsbankausschuss des Schwedischen Reichstags gewählt, sodass in diesem Gremium eine ständige personelle Bewegung stattfindet.


Quelle: Schwedische Reichsbank 

Während der vielen Kriege und wirtschaftlichen Krisen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfolgte das politisch neutrale Schweden eine Politik der streng regulierten Wirtschaft. Schließlich trat Schweden 1951 dem Abkommen von Bretton Woods bei. Dieses Weltwährungssystem wurde wesentlich zwischen Briten und Amerikanern 1944 ausgehandelt. Es führte unter anderem zur Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. Diese Abkommen sah eine Deckung des Dollarwerts durch den Goldschatz der USA vor und eine feste Wechselkursbindung von Nichtdollarwährungen zum Dollar. Schweden, welches aus politischen Neutralitätserwägungen an den Verhandlungen der vierundvierzig beteiligten Länder nicht teilgenommen hatte, band sich dennoch anfangs glücklich in dieses System ein. So war auch die Schwedische Krone indirekt wieder an eine Edelmetalldeckung geknüpft. Doch blieb das System von Bretton Woods ein Illusion. Schon 1973 löste der damalige US-Präsident Richard Nixon das Abkommen von Bretton Woods wieder auf. Weltweit waren so viele Dollar in ausländischen Besitz gekommen, dass die gesammelten Goldreserven der Vereinigten Staaten nicht mehr ausreichten, um die Einlösungsbedingungen gegen Gold auch nur annähernd abzudecken.  Infolge dessen kam es 1976 und 1977 dreimal hintereinander zu drastischen Abwertungen der Schwedischen Krone.

Die sozialistischen Nachkriegsregierungen, vor allem unter den bekannten Premierministern Tage Erlander und Olof Palme, der 1986 einem Attentat zum Opfer fiel, hatten lange Zeit Wert auf einen Wohlfahrtsstaat und vor allem auf Vollbeschäftigung gesetzt. Diese Ziele ließen sich nur unter erheblichen Steuerbelastungen angehen, konnten freilich jedoch nie ganz erreicht werden. Einher gingen sie mit einer latenten Inflationsgefahr, bei der es sich ursächlich vor allem um eine Lohninflation handelte. Was lange Zeit politisch als undenkbar erschien, führte schließlich in den 1990er Jahren zu einem Umdenken in der Geldpolitik. Man schwenkte in Schweden nun auf das Ziel der Inflationsbekämpfung nach deutschem Vorbild um. So wurde die Geldpolitik schließlich die wichtigste Aufgabe für die Schwedische Zentralbank, in der sie aber mittlerweile eine starke unabhängige Position besitzt.

 Quelle: Schwedische Reichsbank

Während ihrer langen Geschichte hat die Schwedische Reichsbank viele Krisen erlebt und durchlebt. Ihr Archiv als Zentralbank ist naturgemäß das älteste auf der Welt und beherbergt viele Schätze an Informationen im geschichtlichen Auf- und Ab der letzten 350 Jahre. Eine Fundgrube für Wirtschaftswissenschaftler und Wirtschaftshistoriker. Auch die älteste Zentralbank der Welt musste aus Fehlern lernen. Die Erfahrungen haben gezeigt, nur eine unabhängige, für klar definierte Ziele verantwortliche Zentralbank ist der beste Garant für eine gelungene Geldpolitik. Das gilt für ein Land, oder, wie im Falle des Euro, einer Länder- und Währungsgemeinschaft.

Auch in Schweden gibt es schillernde Geschichten über zu hohe Verschuldung Einzelner zu erzählen. Eine davon ist das Schicksal des Ivar Kreuger. Dieser schwedische Erbe diverser Zündholzfabriken brachte es in den 1920er und 1930er Jahren fertig, einigen, von den Folgen des Ersten Weltkriegs gebeutelten, Ländern große Kredite zu verschaffen. Als Sicherheit diente ein sogenanntes Zündholzmonopol, mit dem sich die Kredit nehmenden Länder auf Jahrzehnte hinaus verpflichteten Kreugers Monopol in Zündhölzern zu respektieren. Doch Kreuger verzettelte sich mit seinen diversen Geschäften und versprach mehr als er am Ende halten konnte. Um seiner klammen finanziellen Situation zu entkommen, begann er schließlich ganze Staatsanleihen zu fälschen. Als sein Schwindel aufflog, entzog sich Kreuger durch Selbstmord den drohenden Konsequenzen und erschoss sich am 12. März 1932 in seiner Pariser Wohnung. Betroffen waren die Schuldner- und die Gläubigerländer gleichermaßen. Deutschland, Polen, Jugoslawien, Ungarn, Rumänien und einige südamerikanische Staaten auf der Schuldnerseite; die USA, Großbritannien, die Schweiz, Frankreich und die Niederlande auf der Gläubigerseite. Schweden, von wo aus Kreuger operierte und seine millionenschweren Anleihegeschäfte machte, blieb bei der ganzen Sache außen vor. Weder gab das Land Geld, noch nahm es bei Kreuger Kredite auf. Auf Seiten der Schwedischen Reichsbank konnte man dem Geschehen nur zusehen. In dieser Zeit verfolgte das Land selbst sein restriktive Wirtschaftspolitik.


Heute ist Schweden mit einem Haushaltsdefizit von 0,8 % des Bruttoinlandsprodukts und einer Gesamtverschuldung von etwa 36 % desgleichen relativ hervorragend im Vergleich unter den Ländern der Europäischen Gemeinschaft aufgestellt. Durch seine Abstinenz vom Euro steht das Land wieder als außen stehender Beobachter da und kann den Turbolenzen im Weltfinanzgeschehen relativ gelassen zusehen. Dennoch heißt es für die Schwedische Reichsbank mehr denn je, wachsam und vorsichtig gegenüber den schwierigen Verhältnissen und Strömungen im globalen Finanzgeschehen zu sein. Aber wer, wenn nicht die stillen Fachleute in der ältesten Zentralbank der Welt, haben so viel Erfahrung und Gelassenheit und können auf so lange Beständigkeit zurückgreifen wie die Menschen, die diese Zentralbank seit Generationen ausmachen.


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