IV. Die Deutsche Bundesbank -Die verwunschene Festung der Deutschen Mark am Main- von Thomas Seidel
Gleich aus welcher Himmelsrichtung man auf Frankfurt am Main
zukommt, schon von weiter Ferne erkennt man den Frankfurter Fernmeldeturm. Mit
einer Gesamthöhe von über 337 Metern das höchste Gebäude weit und breit. Seit
seiner Erbauung erhebt er sich wie ein überdimensionierter Wachturm für das nur
wenige hundert Meter entfernte, festungsartige Gebäude der Deutschen
Bundesbank.
Bundesbank Hauptverwaltung mit Fernmeldeturm im Hintergrund
(Quelle: Thomas Seidel)
Folgt man dem Turm, kommt man unweigerlich zur Zentralbank
der Deutschen Mark. Obgleich diese bauliche Konstellation ein örtlicher Zufall
ist, die anschauliche Symbolik ist nicht zu überbieten. Trotzig erhebt sich das
Gebäude der Deutschen Bundesbank in einer nüchternen Betonbüroarchitektur der
1960er-Jahre und dennoch erscheint heute die einst mächtigste Zentralbank
Europas wie ein verwunschenes Zauberschloss.
Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank Südseite
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Denn ihr ist der ureigenste Schatz abhanden gekommen, wichtiger
als alles Gold, das je hier lagert, die Deutsche Mark! Wie alle anderen
nationalen Zentralbanken im Eurosystem ist auch die Deutsche Bundesbank in
dieser Struktur eine der Europäischen Zentralbank (EZB) nach geordnete Stelle
geworden.
Diesem aktuellen Zustand ist eine längere Entwicklung
vorausgegangen, als es zunächst den Anschein hat. Die mit Gesetz vom 26. Juli
1957 ins Leben gerufene Deutsche Bundesbank blickt auf Vorgänger zurück, die
alle Brüche deutscher Geschichte widerspiegeln. Im Sinne einer deutschen
Zentralbank für eine einheitliche deutsche Währung die Reichsmark, entstand am
1.Januar 1876 die Reichsbank mit Sitz in Berlin. Das ehemalige
Reichsbankgebäude wird heute als Sitz des Auswärtigen Amts benutzt.
Gebäude der Reichsbank Hauptverwaltung in Berlin um 1900
(Quelle: wikipedia)
Nach der Gründung des Zweiten Deutschen Reichs waren juristisch
die Angelegenheiten der Währung schlicht Reichssache geworden und unterlagen
damit nicht mehr der Hoheit einzelner deutscher Bundesländer.
Kassenhalle der Reichsbank in Berlin um 1903
(Quelle: wikipedia)
Aber auch die Reichsbank hatte Vorgänger, so die 1847
gegründete Preußische Bank, bis 1871 zunächst Zentralbank Preußens, dann bis
1876 Zentralbank des förderalistischen Zweiten Deutschen Reichs und damit
bereits Hüter der Reichsmark. Doch selbst die Preußische Bank entwickelte sich
aus einem Vorläuferinstitut, der Königlichen Hauptbank (ursprünglich Königliche
Giro- und Lehnbank), gegründet am 17.Juni 1765 von keinem anderen als dem
Preußenkönig Friedrich II. ausdrücklich zum Zweck der Banknotenemission.
Königliche Hauptbank in der Jägerstraße in Berlin um 1850
(Quelle: wikipedia)
Man kann also in deutschen Landen eine Zentralbanktradition
bis 1765 zurück verfolgen. Eine einheitliche Banknoten- und Geldpolitik
entstand jedoch erst mit der Reichsbank, mit ihr aber sogleich zentral. Dennoch
war es den Staatsbanken Badens, Bayerns, Sachsens und Württembergs bis 1935
möglich eigene Banknoten heraus zu geben, freilich gedeckt und abgestimmt mit
der Reichsbank.
Wie mit so vielen förderalistischen Eigenheiten in deutschen
Landen machten die Nazis dann damit endgültig Schluss. Exekutiert wurde deren
Wille durch den allseits unbeliebten, gleichwohl legendären Reichsbankpräsidenten
Hjalmar Schacht, von manchen auch als Hitlers mächtigster Bankier bezeichnet.
Auch sonst hatten die Deutschen mit der Reichsbank und der Reichsmark insgesamt
keine guten Erfahrungen gemacht. Die Reichsbank, rechtlich immer eine Gesellschaft
privaten Rechts deren letzte Anteilseigner erst 1961 endgültig abgefunden
wurden, war fast immer eine von den Weisungen der Reichsregierung abhängige
Behörde. Es gab aber eine kurze Periode nach dem Ersten Weltkrieg, wo aufgrund
internationaler Vereinbarungen zur Schuldentilgung des Deutschen Reichs dem
sogenannten Dawesplan (benannt nach dem Amerikaner Charles Gates Dawes), ab
August 1924 die Reichsbank eine von der Regierung völlig unabhängige Anstalt
wurde. Der Reichsbankpräsident wurde von einem vierzehnköpfigen Generalrat
gewählt, dessen eine Hälfte der Mitglieder unabhängige Finanzexperten aus den
Ländern Großbritannien, Frankreich, Italien, USA, Belgien, Niederlande und der
Schweiz waren. Hjalmar Schacht, der im Ausland zunächst mehr Ansehen genoss als
in Deutschland, präsidierte, von einer kurzen Zwischenzeit abgesehen, auch diese
Periode bis 1933.
Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht
(Quelle: wikipedia)
Geprägt sind jene Jahre im kollektiven Gedächtnis der
Deutschen bis heute vom Trauma der Hyperinflation. Ganz allgemein hatte man das
Gefühl der Geldunwertigkeit, denn auch die Nazis finanzierten ihre
Kriegspolitik de facto mit einer Inflation, die freilich für die Bevölkerung
durch die Zwangsbewirtschaftung verdeckt geblieben war. Dem Schreckgespenst der
Hyperinflation wurde durch einen Plan Hjalmar Schachts ein Ende gesetzt.
Unterstützt vom Reichskanzler Gustav Stresemann gründete man am 15.Okt. 1923
die Deutsche Rentenbank. Diese refinanzierte sich durch Hypotheken und
Grundschulden auf inflationsfreie Immobilien aus Landwirtschaft, Industrie und
Gewerbe. Dann am 20.November 1923 begann die Rentenbank Banknoten und Münzen
als Zahlungsmittel auszugeben die Rentenmark. Das Umtauschverhältnis einer
Rentenmark zum alten Papiergelde wurde auf 1:1 Billion von der Reichsbank
festgelegt.
100 Billion Mark Geldschein
(Quelle: wikipedia)
Diese Geldalternative wurde von der Bevölkerung sofort
vertrauensvoll angenommen und die Hyperinflation war tatsächlich über Nacht
verschwunden. Der Erfolg der Rentenmark lag in ihrer Knappheit, denn der
Gesamtwert aller ausgegebenen Zahlungsmittel durfte die Summe von 2,4
Milliarden Reichsmark nicht überschreiten. Endgültig abgeschafft wurde die
Rentenmark erst mit der Währungsreform von 1948. Die Deutsche Rentenbank gibt
es aber heute noch, sie existiert als Landwirtschaftliche Rentenbank mit Sitz
in Frankfurt am Main. Eigentümer dieser öffentlich-rechtlichen Anstalt ist die
Bundesrepublik Deutschland. Aufgabe der Bank ist vor allem die Förderung der
Landwirtschaft.
Landwirtschaftliche Rentenbank Hauptgebäude in Frankfurt am Main
(Quelle: wikipedia Karsten Ratzke)
Nach dem Zweiten Weltkrieg während der alliierten
Besatzungszeit wurde der Ersatz der funktionslosen Reichsmark immer
dringlicher. Die USA forcierten ab 1946 eine Währungsreform. Doch wollte sich
die Sowjetunion für ihre Besatzungszone nicht an einer Reform beteiligen. So
kam es am 1.März 1948 zunächst nur in der amerikanischen und britischen
Besatzungszone, zur Gründung der Bank deutscher Länder mit Sitz in Frankfurt am
Main. Wenige Wochen später trat auch die französische Besatzungszone bei.
Gebäude der Deutscher Länder heute Landeszentralbank in Frankfurt am Main
(Quelle: LZB, Frankfurt)
Notenbanksaal im Gebäude der Bank deutscher Länder
(Quelle: LZB, Frankfurt)
Am 20. Juni 1948, einem Sonntag, wurde die Deutsche Mark
eingeführt, in einem Umtauschverhältnis von 100 Reichsmark zu 6,50 DM.
Wenngleich damit die Bevölkerung auch den Großteil ihrer Geldersparnisse verloren
hatte, die Währungsreform wirkte auf die Menschen dennoch wie ein Wunder. Denn
tags darauf waren auf einmal alle Geschäfte mit Waren voll, die vorher nicht
oder nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich gewesen waren. Das Gefühl, die lange
Zeit bitterster Entbehrungen endlich überwunden zu haben, muss für die Menschen
überwältigend gewesen sein.
Eine 100 DM Note noch der Bank deutscher Länder
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Alte 100 DM Note der Deutschen Bundesbank
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Letzte 100 DM Note Clara Schumann der Deutschen Bundesbank
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Mit dem sich anschließenden Wirtschaftswunder wurde die
Deutsche Mark für Deutschland zum alles überragenden Symbol des kollektiven
Erfolgs und die Zentralbank zur Gralshüterin der Geldwertstabilität der
Deutschen Mark. Diesem Anspruch sollte auch die verfassungsgebende Versammlung
der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland mehr als nur gerecht werden. Mit
dem Artikel 88 des Grundgesetzes erging der Auftrag zur Errichtung einer
Notenbank als Bundesbank. Die Gründung der Bundesbank hatte, in Form einer
bundesunmittelbaren Person des öffentlichen Rechts, damit Verfassungsrang, ein
in der Welt bis heute einmaliger Status für eine Zentralbank. Im Bundesbankgesetz
wurde die absolute Unabhängigkeit der Bundesbank von Weisungen der Regierung in
Fragen der Geld- Währungs- und Notenpolitik zementiert. Allerdings verblieb das
sogenannte Münzregal, ein altes Königsrecht für die Ausgabe von Münzen, bei der
Bundesregierung.
Mächtigstes Entscheidungsorgan in Geld- und Währungsfragen war
nun der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank. Dieser setzte sich aus dem
Präsidenten der Bundesbank dessen Vizepräsidenten, bis zu sechs weiteren
Direktoriumsmitgliedern und den elf Landeszentralbankpräsidenten der alten
Bundesrepublik zusammen. Bis 1973 galt international das Weltwährungssystem von
Bretton-Woods, mit einer vertraglich vereinbarten Kursparität zum Dollar.
Allgemein war das eine Periode starken Wirtschaftswachstums in Deutschland und
die Bundesbank hatte vor allem die innere Geldwertstabilität zu gewährleisten.
Ab 1974 führte der Zentralbankrat erstmals in der Welt ein Geldmengenziel für
die folgende einjährige Periode ein. In den 1970er und 1980er- Jahren wirkten
die Beschlüsse des Zentralbankrates in Sachen Zins- und Währungspolitik dann
wie Donnerhall. Zentralbanken anderer europäischer Länder hatten keine andere
Wahl, als ihre Geld- und Währungspolitischen Entscheidungen den Vorgaben der
Markgralshüter in Frankfurt anzupassen.
Historisches Bild einer Zentralbankratssitzung unter der Leitung des damaligen Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Mit seiner Wirtschaftskraft, seinen Exportüberschüssen und
der inflationsbeschützten Deutschen Mark herrschte nun, keine 30 bis 40 Jahre
nach Kriegsende, wieder eine deutsche Hegemonie zumindest in Westeuropa. Dann
fiel völlig unerwartet die Mauer und als Preis für eine friedliche Wiedervereinigung
der beiden deutschen Staaten rangen die europäischen Siegermächte der Bundesregierung
unter dem damaligen Kanzler Helmut Kohl die Aufgabe der Deutschen Mark ab. Die
Deutsche Bundesbank als alte Markfestung in Frankfurt steht noch, doch die
wesentlichen Entscheidungen werden wenige Kilometer weiter südlich, bald direkt
am Mainufer von Frankfurt, in der Europäischen Zentralbank getroffen.
Seit der Aufgabe der Deutschen Mark hat sich das
Zentralbanksystem in Deutschland stark umstrukturiert. Aus dem einstmals so
mächtigen Zentralbankrat mit immerhin maximal neunzehn Mitgliedern ist ein
Vorstand von sechs Personen geworden. Hatte früher jedes Bundesland eine lokale
Hauptverwaltung, so ist die Regionalorganisation bei heute sechzehn Bundesländern
auf nur noch neun Hauptverwaltungen zusammen geschrumpft. Geführt wird die
Deutsche Bundesbank zur Zeit von Jens Weidmann.
Jens Weidmann Präsident der Deutschen Bundesbank
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Aus den Nachkriegszeiten der Alten Bundesrepublik gründet
die Tatsache, dass der Goldhort Deutschlands zu großen Teilen verstreut im
Ausland gelagert wurde, vor allem aber bei der Bank of England, der Banque de
France und dem New Yorker Federal Reserve. So konnte man nach dem Zweiten
Weltkrieg den eigenen Goldbestand als physisches Sicherheitspfand im Fall von
notwendigen Kreditaufnahmen stellen. Diese Vorgehensweise hat sich allerdings
mittlerweile überholt. In jüngster Zeit hat die Bundesbank damit begonnen, ihre
Goldbestände aus dem Ausland wieder zurück zu holen. Immerhin besitzt
Deutschland mit 3.386,4 Tonnen nach den USA mit 8.133,5 Tonnen den zweitgrößten
Goldbestand der Welt.
Goldtresor der Deutschen Bundesbank
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Inzwischen ist die Deutsche Bundesbank zu einem modernen
Dienstleister innerhalb der Eurosystems geworden. Gemeinsam mit den
Aufsichtsämtern im Eurosystem werden auch Aufgaben der Bankenaufsicht
wahrgenommen. Die dafür notwendigen Fachkräfte bildet die Deutsche Bundesbank
schon seit den 1980er Jahren in einer eigenen Hochschule auf Schloss Hachenburg
in Rheinland-Pfalz aus. Dort können der eigene Nachwuchs und künftige Mitarbeiter
der Bankenaufsicht bis zu einem Bachelor-Abschluss geführt werden.
Schloss Hachenburg
(Quelle: wikipedia Hachenburger)
Der Euro von heute ist nicht die Mark von gestern! Anders
als die Deutsche Bundesbank zu Zeiten der Deutschen Mark, muss die Europäische
Zentralbank die Volkswirtschaften aller Euroländer bei ihren Entscheidungen
berücksichtigen. Das Erbe, welches die Bundesbank an die Europäische
Zentralbank weitergeben konnte, ist ihr Vorbild der strikten Unabhängigkeit.
Doch gerade in der Euro-Krise ziehen sich die Deutschen innerlich immer mehr
aus dem Projekt Europa zurück. Man trauert den alten Zeiten der Deutschen Mark
und der mächtigen Deutschen Bundesbank nach, aber kommen werden diese Zeiten so
nicht wieder.
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