III. Banque de France -Ein Kind der Französischen Revolution und Napoleons- von Thomas Seidel
Der Blick der Deutschen auf den
9. November wird geprägt von vielerlei historischen Ereignissen, guten wie
schlechten. Jüngst erinnert der 9. November an den Fall der Berliner Mauer im
Jahr 1989 und damit für einen der raren glücklichen Momente deutscher
Geschichte. Verdunkelt wird die Erinnerung an diesen Tag durch die nationalsozialistischen
Novemberprogrome gegen die jüdische Bevölkerung von 1938. Genau siebzig Jahre
vor dem Fall der Berliner Mauer fand im Jahr 1919 an jenem Tag die Ausrufung
der Weimarer Republik statt. Noch weiter zurück, ins Jahr 1848 fällt die
Hinrichtung von Robert Blum, eines linksliberalen Abgeordneten der einzigen
deutschen Nationalversammlung, und damit das Ende einer gesamtdeutschen
Revolution. Doch ist der 9. November keinesfalls nur ein deutscher
Schicksalstag, sondern vielmehr ein europäischer. Für die heutige Prägung von
ganz Europa wichtiger war der 9. November 1799, der allerdings nach dem
Französischen Revolutionskalender als der 18. Brumaire des Jahres VIII der Französischen
Revolution bezeichnet wird. An diesem Tag putschte Napoleon Bonaparte gegen das
Revolutionsdirektorium und die Französische Nationalversammlung und wird
schließlich Erster Konsul der Französischen Republik. Niemand anderes als
Napoleon selbst begründete nur neunundsechzig Tage später, am 18. Januar 1800
die Banque de France und zwar privatwirtschaftlich in Form einer Aktiengesellschaft.
Napoleon ließ es sich nicht nehmen persönlich einer der Gründungsaktionäre der
Banque de France zu sein.
Das Motiv für die private
Gründungsform war ursprünglich sicherzustellen, dass die neue Bank unabhängig
von der französischen Regierung agieren konnte. Aber damit war es bereits im
April 1806 wieder vorbei. Ein neues Gesetz band die Banque de France eng an die
Vorgaben der Regierung.
Banque de France 1829 (Quelle: wikipedia)
Mit dem kaiserlichen Erlass der Grundstatuten der
Banque de France vom 16. Januar 1808, die immerhin bis 1936 Gültigkeit haben
sollten, wurde diese Abhängigkeit noch fester gezurrt. Aber immerhin durfte die
Banque de France, deren Geschäfte bis dahin räumlich weitestgehend auf Paris
eingegrenzt war, nun auch anderswo in Frankreich Geschäftstellen eröffnen.
Banque de France La Rochelle (Quelle: Thierry Llansades)
Obwohl die Ausgabe, möglichst
goldgedeckter, Banknoten von Anfang an zum Geschäftsumfang der Banque de France
zählte, kamen ihre Banknoten erst 1848 in den Genuss allein gültiges
gesetzliches Zahlungsmittel, mit Annahmezwang in ganz Frankreich, zu werden.
Lange Zeit blieb die Banque de France auch eine gewöhnliche Geschäftsbank und
unterstützte die französische Wirtschaft mit gängigen Kreditvergaben. Die Bank
wuchs allmählich in die typischen Aufgaben einer modernen Zentralbank hinein.
Zum Beispiel wurde es ihr erst nach 1926 erlaubt an Devisenmärkten zur
Franc-Stabilisierung intervenieren zu können.
Banque de France: Backoffice (Quelle: Banque de France)
Immer wieder stand die Banque de
France im Mittelpunkt politischer Begehrlichkeiten. Mit dem Sieg der politisch
linksgerichteten Volksfront 1936 wollte die neue Regierung auch mehr Einfluss
auf die Banque de France nehmen. So erging am 24. Juli 1936 ein Gesetz mit dem
vor allem die Führungsstruktur der Banque de France verändert wurde. Waren bis
dahin 15 Ratsmitglieder von einer Generalversammlung bestimmt worden, traten an
deren Stelle nun 20 Berater von denen nur noch zwei von der Generalversammlung
gewählt wurden. Mit diesem Gesetz räumte die damalige französische Regierung
auch gleich noch mit einer anderen Besonderheit bei der Banque de France auf.
Nicht alle Aktionäre der Banque de France hatten bis dahin überhaupt Zugang zur
Generalversammlung. Dieser war auf die 200 wichtigsten Aktionäre beschränkt,
was in Frankreich zu dem Geflügelten Wort geführt hatte, Frankreich würde von
200 Familien regiert. Eine Erscheinung in Frankreich, der auch Leo Trotzki am
26. März 1936 unter dem Titel „Frankreich an der Wende“ den Kampf angesagt
hatte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Banque de France am 2.
Dezember 1945 endgültig verstaatlicht. De facto war nun die Banque de France
eine Abteilung des französischen Finanzministeriums.
Leo Trotzki (Quelle: Bundesarchiv)
In den 1970er-Jahren kam es
finanzwirtschaftlich zu radikalen Veränderungen in allen Ländern der westlichen
Welt. 1973 war das Weltwährungssystem von Bretton-Woods durch den
amerikanischen Präsidenten Richard Nixon aufgelöst worden. Galt bis dahin ein
System fester Wechselkurse zum Dollar mit einer nominellen Golddeckung so
befanden sich die Wechselkurse vieler Währungen nun den freien Kräften des
Marktes ausgesetzt. In Westeuropa hatte die Wirtschaftskraft Westdeutschlands
die Deutsche Mark zur führenden Währung gemacht. Der in seinen Beschlüssen
institutionell völlig unabhängige Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank
entschied wesentlich die geldpolitischen Zins- und Geldmengenkorridore in
Europa und setzte so manches mal, eher ungewollt, andere Länder mit seinem Diktum
unter Druck. Auch die Banque de France war mehr und mehr gezwungen auf die
deutschen Entscheidungen nur noch zu reagieren, anstatt im Sinne des Franc
agieren zu können. Weltweit hatte die Deutsche Bundesbank Maßstäbe gesetzt, was
die Reputation einer modernen Zentralbank ausmacht. Es ist vor allem deren
politische Unabhängigkeit in Fragen der Geldpolitik und der Preisstabilität, an
der heute das öffentliche Vertrauen in eine Notenbank gemessen wird. Die
französische Politik reagierte auf diese Herausforderungen mit einem neuen
Gesetz vom 4. Aug. 1993, mit dem die Banque de France, ausgerichtet am
deutschen Vorbild, mehr Unabhängigkeit von der französischen Regierung
zugestanden bekommen sollte.
Banque de France: Haupteingang (Quelle: Adrienne93)
Doch waren es Ereignisse
außerhalb jeder französischen Kontrolle, die bereits wenige Jahre vorher eine
ganz andere entscheidende Entwicklung für Frankreich und vor allem den Franc
einleiteten. Dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in Osteuropa und der
damit einher gehenden Wiedervereinigung Deutschlands stand die französische
Politik weitestgehend wirkungslos gegenüber. Es heißt, allein für die
französische Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung habe der damalige
französische Präsident Françios Mitterrand dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl
das Versprechen abgerungen, die offensichtlich so mächtige Deutsche Mark zu
Gunsten einer gemeinsamen europäischen Währung aufzugeben. Vielleicht erhoffte
man sich in Frankreich dadurch wieder mehr Einfluss auf die dominierende
Zentralbankpolitik und damit indirekt auf das Wohl und Wehe der eignen
konjunkturellen Entwicklung zu bekommen. Ein fataler Irrtum, wie sich kaum
zwanzig Jahre später herausstellte.
Maastricht Provinzregierung wo die Verträge von Maastricht am 7. Februar 1992 unterzeichnet wurden (Quelle: Julian Illchef Borissoff)
Mit den Verträgen von Maastricht
aus dem Jahr 1992 wurden die grundlegenden Vereinbarungen getroffen, spätestens
ab 1999 in der Europäischen Union eine gemeinsame Währung zu schaffen, was
schließlich zum Euro führte. Damit ist die Banque de France, wie alle anderen
nationalen Zentralbanken im Euro-Raum, de facto eine im Prinzip der
Europäischen Zentralbank (EZB) nachgeordnete Stelle. Insbesondere die
Kernentscheidungen hinsichtlich der Zentralbankzinssätze und der Geldpolitik,
und damit die Steuerung der Geldwertstabilität, obliegt nunmehr allein der EZB.
Heute bestehen die Kernaufgaben
der Banque de France darin, die geldpolitischen Beschlüsse der EZB in
Frankreich umzusetzen; die Gold- und Währungsreserven Frankreichs zu verwalten;
Banknoten und Münzen für Frankreich zu produzieren und zu vertreiben; die
Zahlungsbilanz Frankreichs zu erstellen und zu gewährleisten, dass die
nationalen Zahlungs- und Abwicklungssysteme des französischen Finanzsektors
reibungslos funktionieren. Ausdrücklich nicht erlaubt ist es der Banque de
France Kredite an den Staat zu vergeben oder Staatsanleihen zu kaufen, mit Ausnahme
von Papieren die ihr von Staatsbanken angedient werden, um deren
Wettbewerbschancen mit Privatbanken hinsichtlich der Liquiditätsbeschaffung zu
garantieren.
Baumwolllager zur Geldnotenproduktion (Quelle: Banque de France)
In die Aufgaben der Aufsicht der
nationalen Finanzindustrie ist die Banque de France mit eingebunden. Um alle
Aufgaben zu erfüllen, ist die Banque de France so organisiert, dass an ihrer
Spitze ein Gouverneur und zwei Stellvertreter für das Tagesgeschäft
verantwortlich sind. Zur Zeit erfüllt das Amt des Gouverneurs Christian Noyer.
Christian Noyer (Quelle: Banque de France)
Diese Spitzenführungskräfte
bilden gemeinsam mit vier, für sechs Jahre vom Ministerrat bestimmten, weiteren
Mitgliedern den Rat für Geldpolitik, dessen Entscheidungsmöglichkeiten freilich
durch die Vorgaben der EZB eingeschränkt sind. Daneben gibt es noch einen
Verwaltungsrat, zu dem sich neben den Mitgliedern des Rates für Geldpolitik
noch ein weiteres Mitglied gesellt, dass von den Arbeitnehmern der Banque de
France auch für sechs Jahre delegiert wird.
Banque de France: Erweiterungsbau (Quelle: Banque de France)
Formal sind die Gremien der
Banque de France heute unabhängig von den Weisungen des Finanzministers. Mit
der Einführung des Euro ist die Banque de France, fast genau 200 Jahre nach
ihrer Gründung, aufgegangen in das Europäische Währungssystem. Wenn es sie denn
jemals wirklich gab, so ist die französische Spekulation über die Ablösung der
Deutschen Mark durch den Euro für Frankreich nie aufgegangen. Sofort nach ihrer
Gründung entwickelte die Europäische Zentralbank ein absolut eigenes
europäisches Bewusstsein. Eine wesentliche Zunahme politischen Einflusses durch
ein bestimmtes Land der EU und schon gar nicht Frankreichs ist dort, selbst zu
Zeiten des französischen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet, jedenfalls bisher
nicht festzustellen. Zu keiner Zeit war die Banque de France ähnlich machtvoll
wie manch andere Zentralbanken in der Welt, doch damit steht sie als
französische Institution nicht allein in jener zentralistischen Landestradition,
in der letztlich alle wichtigen Entscheidungen vom jeweiligen Staatsoberhaupt
abhängig sind.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen