EU strebt Kaptialmarktunion an von Thomas Seidel
Viele Märkte in der Europäischen Union müssen noch
vereinheitlicht werden. Nach der etwas abrupten Bildung der Bankenunion vor dem
Hintergrund der Finanzkrise, will sich die EU nun einer Anpassung der
Kapitalmärkte widmen. Wovon dabei auszugehen ist, darüber sprach neulich der Franzose Nicolas Véron, der
den Think-Tanks Bruegel in Belgien und dem Peterson Institute in Washington DC
angehört, im Center for Financial Studies in Frankfurt am Main.
Während für die Bankenunion die Integration im Vordergrund
stand, ginge es bei der Kapitalmarktunion mehr um Entwicklung. Kapitalmärkte in
der EU, das stünde für alle Arten von Nicht-Banken-Finanzierungen u.a.: Aktien,
Bonds, Venturekapital, Private Equity, IPO’s, Corporate Bonds, Leasing und etwa
auch Kreditversicherungen. Das entscheidende Ziel sei die Finanzierung von
stark wachsenden und innovativen Unternehmen sicher zu stellen, auch durch
nicht notwendigerweise klassisch besicherte Bankdarlehen. Noch immer
dominierten, vor allem in Kontinentaleuropa, Banken die
Unternehmensfinanzierung. Das mache es schwer, bei Krisen Alternativen zu
finden.
EU-Kommissionsgebäude Berlaymont in Brüssel
(Quelle: wikipedia - Paasikivi)
Geteiltes Europa
Die Kapitalmarktsituation in Europa sei geteilt. Während es
in Großbritannien, wie im übrigen angelsächsischen Raum auch, bereits lange
entwickelte Kapitalmärkte gebe, existiere auf dem Kontinent immer noch eine
regelrechte „Anti-Markt-Ideologie“. Investoren seien nicht adäquat vertreten.
Angelsächsische Kapitalmärkte seine zwar nicht vollkommen. Selbst der Londoner
Clifford Chance Partner Simon Gleeson sage: „der Londoner Kapitalmarkt wäre
noch nicht ausreichend unter Kontrolle“. Und während die amerikanischen
Kapitalmärkte als die am besten entwickelten gälten, zeigten auch diese eine
Reihe von Fehlentwicklungen auf. Aber daraus könne Europa lernen, statt die
bekannten Missstände zu adaptieren.
EU-Gesetzgebungsverfahren
Auf dem Kontinent zeige sich ein stark fragmentierter
Kapitalmarkt mit wenig Effizienz. Eine Vereinheitlichung sei notwendig. Das
Thema Kapitalmarkt betreffe alle 28 EU-Länder und nicht nur etwa die
Euro-Staaten. Vereinheitlichung müsse aber nicht bedeuten, dass es zum Aufbau
einer supranationalen Institution komme, ähnlich etwa der der Europäischen
Zentralbank. Auch können man sich keine kurzfristigen Erfolge erwarten. Es gehe
vielmehr um einen langfristigen Prozess. Wolle die EU wirksam sein, könne man
sich ein ordoliberales Gesetzeswerk vorstellen, dass bestimmte
Rahmenbedingungen regelt: Hinsichtlich der Entwicklung entsprechender
Infrastrukturen, Regelung notwendiger Transparenz, Fragen der Buchhaltung und
Aufsicht, Rahmenbedingungen für den Fall einer Insolvenz, Fragen der Besteuerungen,
usw. In jedem Fall brauche es Ausgewogenheit zwischen Regulation und
Deregulation.
Bedeutung für kleine EU-Mitgliedsländer
Generell würde ein EU-geregelter Kapitalmarkt kleineren
Länder Zugänge verschaffen, die sie vielleicht heute so noch nicht haben.
Langfristig würden besonders die Länder profitieren, die sich in irgendeiner
Weise auf Dienstleistungen für die Finanzindustrie spezialisierten. Beispielhaft dafür kann man Luxemburg nennen, das bereits heute in dieser Hinsicht gut aufgestellt sei. Es könne in
Zukunft von einer solchen Entwicklung weiter profitieren.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen