Nach Milchseen und Butterbergen kommt jetzt das Euro-Binnenmeer von Thomas Seidel

EZB im neuen Haus am Main (Quelle: EZB)

Die Europäische Union ist bekannt für Zeiten von Überproduktion. Man erinnert sich noch an die Milchseen und Butterberge und gelegentlich werden auch schon mal so viele Tomaten produziert, dass die Hersteller sie lieber auf die Straße kippen, als unter Garantiepreis zu verkaufen. Jetzt schafft die Europäische Zentralbank in der Euro-Zone, die freilich nicht mit der ganzen EU identisch ist, ein Binnenmeer von Eurogeld. Für bis zu 60 Milliarden Euro pro Monat wird die EZB künftig, zusammen mit ihrem bereits laufenden Asset-Ankaufsprogramm, Anleihen aus dem privaten und öffentlichen Sektor ankaufen, bis Ende September 2016. In der Summe kommt das auf ein Volumen von 1,1 Billionen Euro. Dagegen waren die Milchseen von einst dünne Regentümpel und die Butterberge allenfalls flache Hügel.

EZB Atrium (Quelle: EZB)

Vor dem Hintergrund einer nicht mehr vorhandenen Inflation im Euro-Raum und einem im Weltvergleich erschreckend niedrigen Wirtschaftswachstum bleibt es ein Ziel der EZB das Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Mario Draghi sieht das alles im Rahmen des einzigen Mandats der EZB, die Geldwertstabilität. Gemeint ist damit eine moderate Inflationsrate, bei etwas unter zwei Prozent zu halten. Aus dieser Sichtweise ist die aktuell negative Inflation von -0,2 Prozent von diesem Ziel zu weit entfernt.

EZB Ratssaal (Quelle: EZB)

Investitionswirklichkeit ist anders
Der EZB am liebsten sollten Investoren und Konsumenten in dem monetären Euro-Binnenmeer ausgiebig baden gehen, soll heißen kräftig und möglichst nachhaltig investieren und konsumieren. Dazu scheint aus Sicht der EZB auch jeder Grund zu bestehen. Die Euro-Konditionen versprechen angenehme niedrige Zinssätze, reichlich Geld für die Kreditportfolien der Banken und leichten Zugang zu Finanzmitteln. Allein die Wirklichkeit ist anders und hält die Menschen von mittel- bis langfristigen Geldausgaben immer noch ab. Was man in der EZB überhaupt nicht wahrnimmt: Seit Monaten liegen die Refinanzierungskosten für Banken am untersten Ende und durch das beschlossene Ankaufsprogramm werden den Banken auch noch die Risikoprämien erleichtert. Doch bei den Kreditkonditionen für Firmen- und Privatkunden sind diese Preissenkungen bis heute nicht wirklich angekommen. Nach wie vor fordern Banken Kreditzinsen unter anderem im zweistelligen Bereich ein.

EZB Ratspräsident Mario Draghi (Quelle: EZB)

Was Mario Draghi selbst immer wieder betont ist, Investitionen brauchen Sicherheit und Vertrauen in bestimmte Rahmenbedingungen. Diese können aber nur von den Regierungen der einzelnen EU-Länder geschaffen werden. Gerade da hapert es nach wie vor am meisten. Die Arbeitslosigkeit in der EU bleibt hoch und die Sicherheit einen ergatterten Arbeitsplatz lange erhalten zu können, sinkt  immer rapider bergab. In Wirklichkeit ist die Einkommenssituation von Millionen EU-Bürgern viel prekärer als es die offiziellen Statistiken darlegen. Parteiideologisch getriebene Steuerexperimente wie zum Beispiel in Frankreich mit einer Vermögenssteuer von 75 Prozent, die aber nichts einbringt, vergräzen diejenigen bis zur Landflucht, welche vielleicht noch einen zusätzlichen Obolus zum Staatssäckel beitragen könnten. Vor allem aber eine breite politische Einsicht, dass der Staat durch Überschuldung immer handlungsunfähiger wird, ist in Europa nicht zu erkennen.

EZB Presskonferenz-Center (Quelle: EZB)

Der Beschluss des EZB-Rates, im Rahmen seines Ankaufprogramms das Ausfallrisiko zu 80 Prozent auf die nationalen Notenbanken zu verteilen, hat zu Mario Draghis eigener Überraschung auf der heutigen EZB-Ratssitzung für die wohl heißeste Debatte geführt. Sollte ein Euroland wirklich zahlungsunfähig werden, bliebe es danach auf dem größten Teil seiner eigenen Schulden sitzen. Vielleicht soll das ein Trost sein, für alle Unkenrufer die verbal und juristisch gegen die EZB-Ankäufe oponieren.


Der Kurs des Euro jedenfalls wird weiter nach unten rauschen. Das macht zwar Importe aus und Reisen in andere Währungsgebiete teurer, dürfte aber über den Export Ländern der Eurozone eine Konjunkturunterstützung sein, zumindest solange ein Land auch was außerhalb der Eurozone zu exportieren hat. Insofern darf man den sinkenden Euorkurs als Segen sehen. Insgesamt ist aber zu befürchten, dass das Euro-Binnenmeer schlicht verdunstet und die Frage ist, wer dann ab Oktober 2016 auf den angekauften Schuldtiteln sitzen bleibt.

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