The Bridge – America -Eine Fernsehkritik von Thomas Seidel-
The Bridge - America Eine Kriminalserie des Senders FX Fox (Quelle: FX Fox) |
In der traditionell faden Fernsehprogrammzeit zwischen den
Weihnachtsfeiertagen und dem Ende der Ferien Anfang Januar kommt ausgerechnet
ein Abnudelsender wie Pro7 Maxx, der ansonsten vor allem mit der ewigen
Wiederholung schon x-mal gesehener Fernsehserien von sich reden macht, mit
einer Krimiserie aus den USA frisch ins Free-TV, die wie kaum eine zweite in
letzter Zeit ausserordentlich gut gelungen ist.
Wie der Dampf in einer Espressomaschine wird die erste
13-teilige Staffel allerdings innerhalb weniger Tage im Rhythmus 3-3-3-4 durch
den Äther gepresst. Warum die Sender mit dieser neuen Ausstrahlmethode, die
auch und vor allem bei erfolgreichen Serien in letzter Zeit häufig Anwendung
findet, ordentliches Unterhaltungsmaterial wie einen Feuerwerkskörper abfackelt,
erschließt sich nicht so ganz. Schließlich könnten die Sender damit wochenlang
ein Publikum an sich binden. Aber vielleicht entspricht das auch vermeintlich
neuen Sehgewohnheiten von Zuschauern, die inzwischen sich ihre Lieblingsserien
wie ein Suchtmittel in kompletten Staffeln aus dem Internet ziehen und den
Unterhaltungsstoff genauso wie die Tüte Chips und die Flasche Wein in einem Zug
und bis zum letzten Krümmel und Tropfen konsumieren? Man fragt sich, wie dieser
Typ Zuschauer dann mit der Leere am folgenden Tag zurecht kommt?
Die Fernsehserie adaptiert wohl eine dänisch-schwedische
Serie „Die Brücke – Transit in den Tod“. Die Hauptautorin Meredith Stiehm, die
auch an hierzulande so bekannten Serien wie „Emergency Room“ und „Homeland“
geschrieben hat, hat die Handlung um die Staatsgrenze der texanischen Stadt El
Paso und dem mexikanischen Ciudad Juárez verlegt.
EL Paso Texas im Hintergrund das mexikanische Juarez (Quelle: wikipedia GNU-Lizenz Lechhansl) |
Beide Orte sind durch den,
aus Westernfilmen weithin bekannten, Fluss Rio Bravo voneinander getrennt. Bezeichnenderweise
bildet dort nur eine einzige Brücke eine legale Möglichkeit für den
Grenzübergang. Eine ähnliche Situation zwischen den beiden Staaten existiert
viel weiter südöstlich, schon in der Nähe der Karibischen See, am gleichen
Grenzfluss zwischen dem texanischen Brownsville und dem mexikanischen Matamoros
und noch einmal ganz im Westen zwischen dem californischen San Diego und dem
mexikanischen Tijuana. Wer einmal selbst an einem dieser drei Grenzübergänge
gewesen ist weiß, welcher Zusammenprall unterschiedlicher Kulturen da
stattfindet und dass diese Orte, zumindest aus US-amerikanischer Sicht, so
etwas wie ein Gully am Südrand der Vereinigten Staaten sind, wo man strikt
aufpassen muss, dass nicht zuviel Übles in „Gottes eigenes Land“ herüber
gespült wird.
Die Serie vermittelt denn auch sehr eindrucksvoll, wie durch
einen einfachen Grenzübergang sich alle Umstände des Lebens mit einem einzigen Schritt
verändern. Hier, auf US-amerikanischer Seite, scheinbar der wohl
durchorganisierte Rechtsstaat, dort, in Mexico, die allgegenwärtige Angst im
nächsten Augenblick Opfer irgendwelcher Untaten zu werden. Diesen Wechsel des
Lebensgefühls einzufangen ist der Regie mit eindrucksvollen Bildern und Szenen
selbst in Nachtaufnahmen sehr gut gelungen. Deutlich unterscheidet sich da das
stets warme Licht energiefressender Birnen in Häusern und der
Straßenbeleuchtung des entwickelten Nordamerika, von dem kalten Licht billiger
Neonlampen, mit denen sich überall in den ärmeren Ländern die Menschen
versuchen müssen etwas Helligkeit in die eigene Behausung zu schaffen.
Freilich, die ewige Hitze und staubige Wüste dieser öden Landschaft müssen sich
die Orte beiderseits des Grenzflusses teilen, da kennt die Natur kein Erbarmen.
Der Plot, also die Handlung der Geschichte, ist ein Krimi durch
und durch. Es gelingt der Autorin, vermittels einer Leiche die exakt an der
Grenzlinie beider Staaten auf der Brücke abgelegt ist und absurderweise aus je
einer Körperhälfte unterschiedlicher Opfer besteht, die Polizeibehörden der USA
und Mexikos zu einer Zusammenarbeit an dem Fall zu zwingen. Im Laufe der
Geschichte entwickeln sich daraus Verzweigungen und Nebenerzählungen, die für
so viele Wendungen und Überraschungen sorgen, dass die Geschichte an keiner
Stelle langweilig wird. Doch über den kriminologischen Fall hinaus ist die
Story eine brilliante Darstellung nicht nur einzelner Charaktere, sondern auch
ganzer Kulturen mit all ihren typischen Klischees. Gleichwohl erfährt man viel
tiefgründiges aus den beiden so unterschiedlichen Nachbargesellschaften.
Das gelingt besonders durch die Leistung der
Hauptdarsteller. Herausragend ist Diane Kruger. Die aus Niedersachsen stammende
Deutsche ist inzwischen soweit amerikanisiert, dass sie dort ihre
darstellerischen Möglichkeiten voll ausspielen kann, was in ihrem Heimatland
schlicht unmöglich wäre.
Diane Kruger (Quelle: wikipedia CCL flickr) |
Dem breiten Publikum wird sie wohl als Helena,
schönste Frau der Antike, aus Wolfgang Petersens Film „Troja“ von 2004 bekannt
geworden sein. Das dem Regisseur Petersen damals der unverzeiliche Fehler
passierte die Figur der Helena mit einer blondhaarigen Frau zu besetzen, wo wir
doch so genau wissen wie Helena in Homers Schilderungen aus der Ilias aussah,
war und ist nicht Diane Krugers Problem und hat ihrer Leistung keinen Abbruch
getan.
Hier nun spielt sie eine texanische Polizisten, die bereits
als Jugendliche ein schweres Schicksal erlitten hat und darüber hinaus an einem
Asperger-Syndrom leidet. Wie es Diane Kruger gelingt die dadurch völlige Empathielosigkeit
in der Rolle als Detective Sonya Cross zu verkörpern, ist ähnlich eindrucksvoll
wie es einst Dustin Hoffman gelang einen Authisten im Film „Rain Man“
darzustellen. In ihrer eiskalt mathelogischen Sicht der Dinge und dem
konsequenten Wunsch eine Lösung der Gleichung mit vielen Unbekannten
anzustreben, walzt sie alle menschlichen Gefühle in ihrer Umgebung platt und
ist doch dennoch die einzige, die richtige Schlüsse zu ziehen in der Lage ist.
Den Part des mexikanischen Polizeikollegen Det. Marco Ruiz
spielt der mexikanische Schauspieler Demián Bichir.
Demián Ruiz (Quelle: wikipedia CCL gage Skidmore) |
Der über fünfzigjährige
Schauspieler mag in Deutschland nicht so bekannt sein. Er gehört aber in den
Kreis der wenigen Mexikaner, die überhaupt jemals für einen Oskar nominiert wurden
und ist ein ebenso erfahrener Bühnen- wie Film- und Fernsehdarsteller. Was die
Rolle der Sonya Cross als emotionsloser Maschine darstellt, ist das genaue
Gegenteil der Rolle des Marco Ruiz, dessen Verhalten und Handlungen fast nur
von seinen Gefühlen im Rahmen der Konventionen der mexikanischen Gesellschaft
geprägt sind. Bichir gelingt es nicht nur diese Rolle überzeugend darzustellen.
Er übermittelt eindrucksvoll die Realität des elenden nutzlosen Daseins eines
Latino-Machos, dessen hirnlose Begierden letztlich für eine Kette dramatischer
Ereignisse verantwortlich sind.
Brilliante Szenen ergeben sich zwischendurch auch in
Nebenrollen, etwa wenn ein durchgeknallter Polizistenmörder im Verhör ganz
philosophisch sagt: „Die Sklaven träumen nicht von der Freiheit, sie träumen
davon die Herren zu sein.“ Oder wenn eine mexikanische Mutter ihrer angeblich
lesbischen Tochter den Ratschlag erteilt zu einem katholischen Priester zu
gehen, um ihre „Abnormität“ geheilt zu bekommen.
Gleichermaßen spannend wie witzig ist es, wenn sich Annabeth
Gish in der Rolle der Frau des reichen Ranchbesitzers Charlotte Millright, von
ihrem dahin scheidenden Ehemann anhören muss, bevor er stürbe müsse er noch
etwas in Ordnung bringen. Doch flüstert er ihr nur ins Ohr, dass er sie nie
geliebt habe und sich daher vor seinem Tode von ihr scheiden lassen wolle.
Selbst der deutschen Synchronisation ist es gelungen die froschähnlich quakende
Aussprache von Thomas M. Wright in der Rolle des Steven Linder herüber zu
bringen. Eine Eigenschaft die unter anderem dessen Rolle gleichermaßen
undurchsichtig wie unheimlich macht. Nicht zuletzt Matthew Lillard als ein
verlogenes, versoffenes und drogensüchtiges Subjekt eines sensationsgeilen und
skrupellosen Journalisten Daniele Frye würzt die Handlung und die Charaktere
mit einer überzeugenden Darbietung.
Die Fernsehserie zeigt die Verkommenheit auf beiden Seiten
des Rio Bravo auf. Ob es die zu erwartende Korruption in Lateinamerika ist,
oder die Vertuschungen selbst oberster Behörden auf der amerikanischen Seite,
alles scheint mit dem Schimmel einer verwesenden Gesellschaft überzogen zu
sein. Über eine zweite Staffel hinaus hat es diese Serie in den USA nicht
gebracht. Zu geringe Einschaltquoten. Bestimmt will man jenseits des Atlantiks
doch nicht allzu sehr mit den schmierigen Wahrheiten zur Feierabendunterhaltung
konfrontiert werden. Gerade deswegen aber hebt sich „The Bridge - America“ so
hervorragend von anderen doch viel mehr fiktiven Krimiserien ab. Ob das der
Grund war im deutschen Fernsehen solch eine selten gute Leistung sowohl
zeitlich wie auch vom Sender her zu verstecken, bleibt ein Geheimnis der
Programmmacher.
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