Alles immer nur vom Feinsten -Ein Reisebericht über Deutschlands beliebteste Ferieninsel Sylt- von Thomas Seidel

Der Nordseestrand von Sylt an einem Novembertag
(Quelle: Thomas Seidel)
Schon seit Jahren erzählen die Kollegen und Kolleginnen, die einen Urlaub vielleicht in Spanien, Italien, Kroatien, Griechenland und der Türkei gemacht haben, wie schön es da und dort sei. Aber viele schwärmen am meisten von der beliebtesten Ferieninsel Deutschlands Sylt. Anders als in der sonstigen Urlaubswelt sei auf Sylt „Alles immer nur vom Feinsten“! Über die Jahre hat man selbst Eindrücke und Erfahrungen an vielen ganz unterschiedlichen Orten gemacht. Dazu gehören von den Badeorten: Cape Code (Massachusets, USA), Santa Barbara und Carmel (Californien, USA), Vancouver City und Vancouver Island (Britisch Columbia, Kanada), Miami, Tampa und Fort Lauderdale (Florida, USA), Cornwall und Schottland (Groß Britannien), Meran und Milano Marittima (Italien), Koh Samui (Thailand), Boracay (Philippinen), und nicht zuletzt die Insel Mauritius. Nun aber soll es an der Zeit sein, dem Phänomen Sylt einmal selbst auf den Grund zu gehen.

Die Anfahrt mit dem Auto von Frankfurt am Main aus gestaltet sich an einem Novembersonntag unspektakulär, jedenfalls solange bis man in Niebüll auf die Autoverlade der Deutschen Bundesbahn für den Transport über den Hindenburgdamm wartet.

Autoverlade in Niebüll - saftige Preise, schlechter Service
(Quelle: Thomas Seidel)
Wie üblich empfängt die Bundesbahn den Fahrgast mit eingeschränktem Fahrplan, diesmal angeblich wegen wichtiger Bauarbeiten. Zum bekannten Leistungspaket der Bundesbahn gehört schlechter Service, gebieterisches Bahnpersonal und eine mehr als ruckelige Überfahrt. Vom Feinsten ist hier nur der stolze Preis von 92,00 Euro für Hin- und Rückfahrt. Bei einem Streckenabschnitt von nur 11 km über Wasser, entspricht das einem Kilometerpreis von immerhin 4,18 Euro. Das ist fast das Doppelte des durchschnittlichen Kilometerpreis der Bahn in Höhe von derzeit 2,60 Euro für eine solche Strecke, zumindest laut Fahrgastverband „Pro Bahn“.Verglichen mit einem Flugpreis Frankfurt/New York für etwa 10.000 km bei Ticketkosten von 900,00 Euro, sprich 0,09 Euro pro Kilometer, das über 46 fache. Das sich die ansonsten so preisbewussten Deutschen einen Transport so viel Geld kosten lassen, nehmen wir als deutlichen Hinweis darauf hin, dass das Ziel von extremster Exklusivität sein muss.

Für den Aufenthalt auf Sylt haben wir uns eine unauffällige Ferienwohnung in Rantum organisiert. Der Ort stellt sich später als etwas für Sylt typisches heraus. Es ist eine Gemeinde ohne Kern, eher eine lose Ansammlung von Einzelhäusern, bar jeder vernünftigen Infrastuktur, gesichtslos, aseptisch, in jedem Fall erkennbar künstlich. Der Weg zum Strand erweist sich als halbe Dünenwanderung. Man fragt sich unwillkürlich, was die Leute daran erholsam finden, mit Sack und Pack jeden Tag über viele Treppen und einem mehrere hundert, wenn nicht gar tausende Meter langen Weg zu erklimmen, um von ihrer Bleibe zum Strand und zurück zu kommen.

Der Hingucker von Westerland: Betonbettenburg
(Quelle: Thomas Seidel)
Das gilt übrigens auch für so bekannte Strandplätze wie Buhne 16, von der hier später noch die Rede sein wird. Man kann zwar mit dem Auto dort hin fahren und findet vielleicht auch einen Abstellplatz. Das Dünenkraxeln bleibt einem dennoch nicht erspart. Vielleicht ist das Feinste dabei ja die mühselige aber sportliche Bewegung, einer entspannten Erholung jedenfalls dienen die Wege zum Strand nicht.

Den Anhängern denkbar schlechtesten Architekturgeschmacks bietet die Inselhauptstadt Westerland durch und durch eine Augenweide. Man kommt an diesem Ort auf Sylt nicht drumrum. Hat jener doch als Einziger so etwas wie eine zeitgenössische Infrastruktur, soll heißen Einkaufsmöglichkeiten für den ordinären täglich Bedarf. Im ehemaligen und auch sonst nicht sehenswerten Kurhaus, wo einstmals vielleicht Kurgäste ihre Zeit totschlugen, sitzt heute die Kommunalverwaltung.

Abgeschmackte Kettengeschäfte dominieren
die Flaniermeile von Westerland
(Quelle: Thomas Seidel)
Ein gänzlich unangemessener Ort für Bedienstete der öffentlichen Verwaltung. Aber auch sonst strotzt Westerland nur so vor modernem Ambiente. Der Prachtboulevard Friedrichstraße bietet exklusive Geschäfte, wie man sie ansonsten in jeder anderen Stadt auch antreffen kann. Die Hotellerie und Gastronomie gibt sich in etwa so superb, wie man es eher aus den krankenden Städten des Ruhrpots kennt. Das ist aber das Feinste für einen Gast, der sich erst gar nicht von den heimischen Verhältnissen her umgewöhnen muss. Nur an ganz wenigen Stellen lässt das ein oder andere Haus erahnen, dass auch Westerland einstmals ein recht netter Ort gewesen sein muss. Davon hat aber die gierige Bauwut der 1960er und 1970er Jahre, gepaart mit einem nicht nachvollziehbaren Unverstand der örtlichen Kommunalpolitik nichts übrig gelassen.

So wendet man sich lieber anderen Plätzen auf der Insel zu, die es immerhin wegen ihrem Feinsten zu bundesweiter Bekanntheit gebracht haben. Im Norden der Insel befindet sich der Ort List.

So könnte es einst in Westerland überall gewesen sein
(Quelle: Thomas Seidel)

Dort gibt es auch einen kleinen Fährhafen. Über den kommt man, alternativ zur Deutschen Bundesbahn, mittels Fähre über die dänische Insel Rømø auf das Festland. Kostet glatt nur den halben Preis der Deutschen Bundesbahn! Dominiert wird das Hafengebiet von List allerdings vom größten „Gosch“. Gosch, ein sich inzwischen bundesweit ausdehnendes Fischbudengeschäft, ist tatsächlich, aus bescheidensten Bretterbudenanfängen, zu einer Sylter Berühmtheit geworden. Hier gibt es jede Menge frischen Fisch und zwar natürlich nur vom Feinsten. Jedenfalls was wieder einmal den Preis anbelangt. Ein Geschäftsprinzip von Gosch ist es, ausser dem Verkauf von Waren keinerlei Service anzubieten. So beruht der ganze Geschäftserfolg alleine auf der Qualität der Ware. Das muss der Maßstab aller Dinge sein. Die Ware ist freilich so frisch, wie man sie auch in Frankfurt am Main bekommt. Weder hier noch dort gibt es nennenswerte Mengen vom örtlichen Fischer. Frischer Fisch, da darf man sich nichts vormachen, ist in Deutschland ein Produkt tiefkühlender Logistik. 


Gosch dominiert List
Quelle: Thomas Seidel
Dabei hat Frankfurt den unschätzbaren Vorteil, auf seinem Ortsgelände einen Flughafen zu betreiben, über den die ganzen Sachen auch tatsächlich nach Deutschland kommen. Sie alsdann nach Sylt zu karren, macht den Fisch dort vor Ort sogar noch weniger frisch als in der Binnenstadt am Main. Allein die ausgesuchte Qualität der Gosch-Einkäufer bietet hier einen Vorteil, der aber eben wieder kostet.
Selbstbedienung bei Gosch
Quelle: Thomas Seidel
Auf dem Weg nach List kommt man unweigerlich an Buhne 16 vorbei. Das ist der Zauberort, wo wohl die moderne Legende von Sylt begann. Hier räckelten sich einstmals in den späten 1960er Jahren Deutschlands berühmtester Tuchnichtgut und Industrieellenerbe Gunter Sachs mit dem französischen Filmsternchen Brigitte Bardot. Die beiden müssen dort irgendeine Art von Flair oder Odeur hinterlassen haben. Jedenfalls treibt allein die Erinnerung an das Paar seitdem Generationen von Deutschen auf die Insel. Aber um dort was genau zu tun? Ah ja, einmal am gleichen Strand wie das Paar Sachs-Bardot gewesen zu sein und sich wie vom Feinsten fühlen zu können. Na wenn das mal keine erinnerungsmächtige Massenpsychologie ist! Freilich sozialwissenschaftlich untersucht, wurde das Phänomen offensichtlich noch nie.

Wer in der Feinsten deutschen Welt etwas auf sich selber hält, hat angeblich sein Ferienhaus in Kampen hingestellt. Wie Rantum ist Kampen ein künstlicher Wohnort. Die Infrastruktur besteht aus Geschäften die vorzugsweise Markennamen wie Hermès tragen. Zu essen gibt es nichts, dafür aber Feinste Pret-a-Porter und Lederwaren zum Verkleiden. Das ist auch dringend notwenig, wenn man sich selbst an bestimmte versteckte Orte ausführt und ob der Feinsten gesellschaftlichen Konkurrenz dort etwas darstellen muss. 


Die Kupferkanne: hinten links der Bunkereingang
(Quelle: Thomas Seidel)
Zu einem dieser Orte gehört die Kupferkanne. Kampen, im Osten der Insel am Watt und nicht zur rauen Nordsee hin gelegen, hat mit der Kupferkanne eine Institution der Insel, deren Hauptzweck offensichtlich die Selbstdarstellung der Gäste bei Kaffee und Kuchen ist. Wirklich witzig gemacht, ist die Kupferkanne einem ehemaligen Armeebunker entsprungen, bietet aber vor allem eine gepflegte Aussenanlage als Bühne der Eitelkeiten an. Getränke und Speisen sind mäßig. Das macht aber nichts, denn das sind nur Statisten für die von den Gästen selbst gemachte Show. Im übrigen fließt dort in der Saison vor allem der vom deutschen Publikum so innig geliebte Sekt, im Volk noch immer der Inbegriff des „Alles nur vom Feinsten“. Traditionell aber ist Sekt nichts weiter als ein Resteverschnittgesöff, dessen Anmutung vom „Feinsten“ zu sein, einem typisch deutschen Nationalirrtum entspringt. Hierzulande glaubt man nämlich, alles was ursprünglich aus Frankreich käme, wäre quasi per se vom „Feinsten“ schlechthin, zumindest was die Küche, Getränke, Klamotten und Lederwaren angeht, aber auf keinen Fall die Autos. Wer das immer noch denkt, dem sei empfohlen, südlich von Rastatt mal über die deutsch-französische Rheinbrücke nach Beinheim ins Elsaß zu fahren. Dort wird einem sofort klar, wo genau die Ländergrenze im Rhein verläuft und was es sonst noch so mit dem europäischen Nachbarn auf sich hat.

Die Vogelkoje -Aussenansicht-
(Quelle: Thomas Seidel)
Noch so ein anderer versteckter Ort als Bühne für Wichtigtuer und Eitelkeiten ist die Vogelkoje, ganz in der Nähe an der Straße von List nach Westerland. Von der Straße aus uneinsehbar, versteckt unter viel Gebäum und angelehnt an einen Vogelgarten, wird der Besucher von einem schnuckeligen Häuschen überrascht, dass viel Gemütlichkeit und Wärme ausstrahlt. Eine Art öffentliches Wohnzimmer für viele Dutzend Gäste. 
Vogelkoje teilweise Innenansicht
(Quelle: Thomas Seidel)


Damit eine gewisse Klientel unter sich bleiben kann, wird der gemeine Mob durch die Preise für Speis und Trank abgehalten. Die Gegenleistung entspricht dafür aber jener Qualität, die man sich nahezu von etwas Feinem erhoffen darf. Dennoch, Kennzeichen: Geschlossene Gesellschaft!

Ein kleines Stück südöstlich vom künstlichen Kampen, auch am Watt gelegen, befindet sich das genaue Gegenstück zu Kampen, die alte ehemalige Inselhauptstadt Keitum. Ein durch und durch authentischer Ort. Hier laden nicht nur die „Alten Kapitänshäuser“ zum verweilen ein. Dort befindet sich auch eines der Wahrzeichen der Insel die Kirche St. Severin. 


St. Severin, eines der Sylter Wahrzeichen
(Quelle: Thomas Seidel)
Das gut achthundert Jahre alte Gebäude, mit deutlich romanischen Bauwurzeln, ist sogar der älteste Sakralbau in Schleswig-Holstein und steht auf den Resten eines noch viel älteren germanischen Odinheiligtums. Direkt neben der Kirche befindet sich ein wahrer Gottesacker, eine Verbindung von Kirche und Friedhof wie sie heute leider oft verloren gegangen ist. Besonders in Schottland kann das noch an vielen Orten so besichtigt werden. Ein Gang über die Gräber verrät manches über die örtliche Geschichte, aber auch die Gegenwart. Auf eine merkwürdige Art bildet Keitum ein ganz anderes Sylt ab. Man erahnt, wie Sylt hätte sein können, wenn es nicht durch Eitelkeit und Kommerz seit über vierzig Jahren so systematisch kaputt spekuliert worden wäre, dass die heutige, nur noch knapp 18.000 Menschen zählende Inselbevölkerung sich gezwungen sieht, die eigene Insel zu verlassen, weil Grundstück und Wohnen für normale Bürger unbezahlbar geworden sind.

Ortskern von Hörnum, klein aber vorhanden
(Quelle: Thomas Seidel)
Ganz im Süden der Insel liegt noch ein anderer Ort, der trotz vieler Neubesiedelung überraschend echt wirkt Hörnum. Anders aber als in Keitum mischen sich hier alte und neue Bauten. Gleichwohl die kleine alte Ecke ist durchaus reizvoll. An diesem Inselende ist es tatsächlich nur ein Spaziergang, um von der Wattseite auf die Nordseeseite zu wechseln. Man geht dabei um einen Leuchtturm herum. Hier kann man sich aussuchen, ob man lieber am Strand beim weichen Watt lümmeln will, oder sich den ständigen Winden der Nordsee in voller Breite aussetzen möchte. Auf jeden Fall ist ein Spaziergang um Hörnum rum eine angenehme Kurzweil und das ist wirklich mal, zumindest was die Natur betrifft, etwas vom Feinsten.

Zwischen Hörnum und Rantum schließlich liegt die Sansibar. Dort geht selbst an kalten Novembertagen, wie man heute sagen würde, der Punk ab. Die Holzhütte, welche sich so auch durchaus irgendwo in den Alpenlanden wiederfinden könnte, ist am Scheitelpunkt einer Düne platziert. Der Weg dorthin führt über viele innere Abgründe. 


Die Sansibar -Wo ist all der Wein gelagert?
(Quelle: Thomas Seidel)
Auffällig ist ein großer angelegter Kinderspielplatz direkt gegenüber der Hütte, gut einsehbar von deren Aussenterrasse. Ein Blick darauf verrät sofort, die Eltern möchten bei ihrer Beschäftigung in der Sansibar nicht von den Nörgeleien der lieben Kleinen abgelenkt werden. Was diese Beschäftigung betrifft, genügt ein Blick auf die umfangreichste Getränkekarte, die man wahrscheinlich in Deutschland zu Gesicht bekommt. Nahezu jedes weinanbauende Land der Welt scheint darin vorzukommen. Das weiß man zu schätzen, hat man doch selbst im Laufe der Jahre und auf den vielen Reisen rund um den Globus erkannt, dass Europa schon lange nicht mehr der allein glückselig machende Kontinent des Weinanbaus auf der Welt ist. Will man heute zum Beispiel einen wirklich guten Riesling trinken, so fährt man besser nach Kanada. Das alles rechtfertigt aber nicht die Preise, die dort auf der Karte zu finden sind. Mag sein, dass es tatsächlich Tropfen gibt, die in vierstelligen Preislagen gehandelt werden. Aber selbst für den besten Portwein der Welt, dürfte man nicht 10.000 Euro für die Flasche auf den Tisch legen müssen. 
Sonderangebot: Flasche Portwein für 10.000 €
(Quelle: Thomas Seidel)
Und selbst wenn das Gesöff diesen Preis rechtfertigen würde, es dann an einem dermaßen schnöden und unkultivierten Ort verköstigen zu müssen, würde es gleich wieder zur Plörre machen. Das etwas nicht stimmt auf Dänemarks ehemaliger Insel, beweist auch beispielsweise ein hauseigener Feigensenf der Sansibar für rund 25 Euro, bei dem die Feigen nur einen einzigen Grundinstinkt gekannt haben, Flucht. Doch wenn man den Blick über das Publikum der Sansibar schweifen läßt, erkennt man in den meisten Gesichtern genau, wie sehr viele davon überzeugt sind, jetzt in diesem Moment am Gipfelpunkt des „vom Feinsten“ angelangt zu sein.

Wie konnte es dazu kommen, dass eine völlig unbedeutende Fischerinsel, die noch dazu Gefahr läuft, ständig von der aggressiven Nordsee förmlich aufgefressen zu werden, in den Köpfen vieler Deutscher zum Non-plus-Ultra aller möglichen Urlaubsziele mutierte. Ein ähnlicher Prozess wie etwa in Saint Tropez, welches auch einmal ein Fischerdorf im Dornröschenschlaf war, jedenfalls bis Gunter Sachs dort aufschug? Zu erklären ist dieses Phänomen wahrscheinlich nur mit der temporären deutschen Teilung. Die wirkliche deutsche See war immer und wird immer die Ostsee sein. Die Nordsee dagegen ist es nicht. So sind denn auch die tatsächlich mondänen Badeorte einer wirklich kultivierten Gesellschaft eher auf Rügen oder Usedom entstanden, von den weiten endlos langen Ostseestränden entlang der verlorenen Ostgebiete wie Pommern und Preußen einmal ganz abgesehen. Das mondäne Berlin der Kaiserzeit und der 1920er Jahre jedenfalls, wäre nicht auf die Idee gekommen sich den unwirtlichen Winden der Nordsee auszusetzen. Das ist schon eher etwas für Haut- und Lungenkranke. 


Ein Kapitänshaus in Keitum
(Quelle: Thomas Seidel)
Wie dem auch sei, die aufkommende Wohlstandsgesellschaft der westdeutschen Nachkriegszeit muss ziemlich verzweifelt einen Ort gesucht haben, wo man unter sich sein konnte. Durch eine Reihe von Umständen hat diesen Ort eine gewisse Klientel dann wohl auf Sylt gefunden. Doch unterscheidet ein Merkmal Sylt von ähnlichen Badeorten in Europa deutlich. Es ist eine Ferieninsel der deutschen Kultur. Vielleicht kurvt mal ein Auto mit österreichischem oder schweizerischem Kennzeichen auf der Insel herum. Dabei kann es sich aber auch um einen deutschen Steuerhinterzieher handeln. In jedem Fall bleibt das Publikum jedoch im deutschen Kulturkreis. Man ist unter sich. Möglicherweise will man das mangels ausreichender Fremdsprachenkenntnisse auch gerne sein. Während sich in Saint Tropez die ganze Welt tummelt, bleibt es auf Sylt bestenfalls nur beim Genuss von Matjesbrötchen. Viele, die sich regelmäßig auf Sylt tummeln, fühlen sich dort vielleicht auch selbst als Prominente. Doch mit der Prominenz hat es so seine Tücken. Vor allem private Fernsehanstalten und die entsprechende Klatschpresse sprechen ja immer gerne von A-Promis, B-Promis, C-Promis usw. Das deutsche Alphabet hat gar nicht genug Buchstaben, um auszudrücken welch niedrige Kategorie von selbst ernannten Promis diese Insel beleben. Sicher gehören dazu auch eine ganze Reihe von Amateursportfahrern, die mit ihren aufgemotzen Fahrzeugen gerne mal bei einer hohen Geschwindigkeitsübertretung erwischt werden. Die mögen ja vielleicht glauben, dass ihre wiederholten Bilder von diversen Verkehrblitzerkameras bereits ein Grund seien, sich vor Ort als prominent zu fühlen. In der Sansibar können sie dann auf jeden Fall damit protzen, wie sie die dreistelligen Strafzahlungen locker wegdrücken und einfach mal so weitermachen. Das sind dann ja die passenden Geschichten, die man sich beim Genuss eines zehntausend Euro Portweins erzählt.


Doch die Zeit läuft gegen die Insel. Inzwischen entdecken immer mehr Menschen die besondere Schönheit der Ostseestrände, auch wenn die Sonne dort immer auf der falschen Seite steht. Für Sylt kann es nur noch darum gehen, die Investitionen in die horrenden Immobilienpreise einigermaßen zu retten. Der Klimawandel und das Meer tun ein Übriges der Insel den Garaus zu bereiten. Das dort alles immer nur vom Feinsten sei, war ohnehin nur eine Illusion.

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