Ohne mehr Risiko ist der Wohlstand nicht zu halten -Bericht von der 4th Frankfurt Conference on Financial Market Policy- von Thomas Seidel

Jan Pieter Krahnen Direktor des SAFE Center eröffnet die Konferenz
(Quelle: Thomas Seidel)

Das Center for Financial Studies stellte die 4. Finanzmarktkonferenz unter das Motto „Herausforderungen durch Niedrigzinsen“ (Original: Challenged by Low Interest Rates). Das ist für die Branche zur Zeit ein Kernstück ihrer Probleme. Auf der Konferenz sollte man sich ein Bild machen können, was die Branche selbst, Zentralbanken, die Regulierer und die Finanzwissenschaft bisher an Erkenntnissen gewonnen haben.

EZB Direktor Benoît Cœré als Keynote-Speaker
(Quelle: Thomas Seidel)
Zum Auftakt kam mit dem Direktor der Europäischen Zentralbank (EZB) Benoît Cœré gleich die Zentralbank in Europa zu Wort. Der in seinen Reden immer leicht hektisch wirkende und schwer atmende Cœré erzählte dem reichlich versammelten Publikum nicht wirklich Neues. Die EZB betrachte das Wirtschaftswachstum in der Eurozone als zu schwach. Die hohe Staatsverschuldung in den Mitgliedsländern lasse keine Wachstumsimpulse zu. Deshalb läge es an der Zentralbank, mit Niedrigzinsen durch die Banken die Wirtschaft zu stimulieren. Das alles ist so oder so ähnlich schon viele Male gesagt worden. Darüber hinaus deutet Cœré aber auch einen „skill-mismatch“, also eine Art Fähigkeitsschieflage an, ohne dies im Einzelnen weiter auszuführen. Angesprochen aus dem Publikum, über die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik der EZB machte Cœré dann aber doch eine recht bemerkenswerte Aussage. Es gehöre nicht zum Mandat der EZB, sich um die Profiteffekte von Gesellschaften für Kapitalversicherungen und Pensionsfonds zu kümmern. Das klingt erstaunlich, ist doch der EZB das Wohlergehen der ganzen übrigen Wirtschaft angeblich so ausserordentlich wichtig.



Spielräume der Investoren
Die weitere Veranstaltung gliederte sich in Paneldiskussionen mit vordefinierten Themen. Gleich in der ersten Runde ging es um das Managen von privaten Portfolios. Zum Auftakt machte Isabelle Mateos y Lago von der Firma BlackRock deutlich, wie Niedrigzinsen und der „Return on Equity“, also ein Investitionsgewinn, voneinander zu unterscheiden seien. Und siehe da, ansehnliche Gewinne zwischen fünf und 10 Prozent ließen sich mit Investitionen in der Realwirtschaft durchaus noch erreichen. Voraussetzung dafür sei aber, ein gewisses Risiko bei den Anlageformen einzugehen. Dafür gebe es Möglichkeiten in Aktien, Emerging Markets und anderen realen Assets.

Panel 1: Andreas Hackethal, Isabelle Mateos y Lago , Thomas C. Wilson,
Raimond Maurer und Helmut Gründl
(Quelle: Thomas Seidel)
Dieses Bild wurde von Thomas C.Wilson von der Allianz SE, einem der weltweit größten Versicherer, unterstützt. Zwar zwicke die Kapitalversicherer besonders die einengenden Vorschriften der Regulatoren, aber man könne in Immobilien und Infrastrukturen investieren. Dafür habe die Allianz inzwischen eigene Teams, die solche Projekte professionell managen. Dennoch würden die Investitionen für Kapitalgegner immer intrans-parenter und die zunehmende Volatilität an den Märkten bereitete auch Sorgen.

Die beiden zuletzt genannten Beiträge fanden auch die Unterstützung durch die Wissenschaft. Raimond Maurer von der Goethe-Universität in Frankfurt hält eine Deregulierung für Geldanlagen bei den Kapitalversicherern auch für notwendig und empfiehlt, die Vorteile von Investments in der realen Wirtschaft auszuschöpfen, statt auf eine kurzfristige Erholung der Zinssätze für Staatsanleihen zu hoffen.

Mit Helmut Gründl schlug ein anderer Wissenschaftler von der Goethe-Universität vor, die Produktpaletten der Versicherer innovativer zu machen. Sein Ratschlag allerdings, die Leute sollten mehr sparen, länger arbeiten und weniger vom System erwarten, klingt dagegen altklug. Besser war schon sein Appell für mehr Ausbildung in Finanzsachen. Denn der erfolgreiche Umgang mit Risiken setzte auch beim „Otto Normalverbraucher“ eine verbesserte Vorkenntnis voraus und erfordere eine höhere Kümmernis ums eigene Geld.

Bezüglich der privaten Altersvorsorge haben die Riester- und Rürup-Rentenprogramme ein massives Problem. Per Gesetz sei man gezwungen, zu einem bestimmten Zeitpunkt das in Wertpapieren angesparte Kapital in einem Geldbetrag in Empfang zu nehmen, gleichgültig ob der Zeitpunkt unter Börsengesichtspunkten günstig sei oder nicht. Das bei dieser Vorgehensweise der Treiber der Staat ist, der als Fiskus und in Person der Krankenkassen am Stichtag die Hand aufhält und unbedingt abkassieren will, wurde dabei aber nicht erwähnt. Überhaupt fehlte in der ganzen Diskussion der Hinweis darauf, dass die private Altersvorsorge vor allem erst einmal vor der Gier des Staates in Schutz genommen werden muss.

Die Diskussion rundete Isabelle Mateos y Lago mit dem Hinweis ab, dass es überall in der Welt eine bedenkliche Entwicklung gäbe. Eine Balance ist gefährdet. Es gibt zu viele Ersparnisse und zu wenige Investitionen. Das allein kann schon ein Hauptgrund für das schleppende Wirtschaftswachstum sein.

Auswirkungen auf die Staatsverschuldung
Das zweite Panel befasste sich mit dem Umgang der öffentlichen Schuldenverwaltung mit der Niedrigzinsphase. Zwar würden jetzt die Zinskosten für die Staaten reduziert, der Preis dafür sei aber ein schwaches Wirtschaftswachstum. So empfiehlt Christian Kastrop von der OECD besonders den Deutschen, steuerliche Spielräume zu nutzen und auch nicht nur in „Betonprojekte“ zu investieren. So läge das Verhältnis von Schulden zum Bruttosozialprodukte Ende 2015 für Deutschland bei 71 Prozent. Hineingerechnet sind hier alle öffentlichen Budgets, also auch inklusive der Lasten etwa von Bad Banks wie der Hypo Real Estate in München. In der Vorausschau ließe sich das bis Ende 2020 auf 60 Prozent reduzieren und läge damit erstmals wieder im Rahmen der vertraglichen EU-Kriterien.

Panel 2: Tammo Diener, Michael Heise, Jürgen Schaaf, Christian Kastrop
und Alfons Weichenrieder
(Quelle: Thomas Seidel)
Michael Heise, ein weiterer Teilnehmer von der Allianz SE, mahnt die zunehmenden Pensionslasten, also die ungedeckten Ansprüche der Staatsdiener, an. Dafür müssten Rücklagen gebildet werden.

Ein kleines Horrorszenario wurde gezeichnet, falls die Zinsen zu schnell wieder anstiegen. Dann würden große Probleme an den Geldmärkten entstehen. Es käme zu massiven Wertverlusten der jetzt so preiswerten Staatsanleihen. Die Rechnung dafür zahlt, das ist klar, der dann jeweilige Gläubiger, der die Anleihen in der Hand hält. Das wird, wenn sich an dem jetzigen Verfahren nichts wesentlich ändert, die Europäische Zentralbank sein!

Umgang der Finanzbranche mit Niedrigzinsen
Im Panel 3 wurden die Herausforderungen der Niedrigzinsphase für die Bankindustrie besprochen, bei gleichzeitig hohen Kosten für das Eigenkapital. Lorenzo Bini Smaghi, ehemaliger EZB-Direktor und heute vor allem Aufsichtsratschef der französischen Sociêté Générale, bestätigte die düstere Aussage von Isabelle Mateos y Lago und spricht geradezu von einem Excess des Sparen und einer Vernachlässigung beim Investieren. Um die Profitabilität des Bankensektors in Europa nachhaltig zu verbessern, sollte es zunächst auf nationaler Ebene zu Konsolidierungen kommen, denen dann eine europäische Phase der Konsolidierung folgen sollte. Vor allem Italien und Deutschland seien „overbanked“. 

Panel 3: Lorenzo Bini Smaghi, Hans-Helmut Kotz, Luc Laeven, Adam Rosen
(Quelle: Thomas Seidel)
Das ist nicht zuletzt dem in beiden Ländern traditionell stark ausgeprägten Förderalismus zu verdanken. Ein frommer Wunsch des Italieners. Allein es fehlt die Vorstellungskraft, wie zum Beispiel auch nur im entferntesten in Deutschland der Privat-bankensektor, das Sparkassen-wesen und der Genossen- und Raiffeisenbankbereich jemals zusammen kommen sollten. Eher stößt schon die Milchstraße mit dem Andromedanebel zusammen!

Luc Laeven, ein anderer Vertreter von der EZB, hat immerhin ein paar tröstliche Meldungen zu machen. Wegen des dann doch noch in Europa vorhandenen Wirtschaftswachstums sei zu beobachten, dass sich „non-performing-loans“ (Kredite mit Zahlungsausfall) zunehmend in „performing-loans“ zurück verwandelten. Das verschaffe den Banken wieder etwas mehr Luft und verringere ihre Kapitalbelastung.

Selbst so eine nüchterne Konferenz kann durch ein schönes
 Herbstblumengesteck noch angenehmer gemacht werden
(Quelle: Thomas Seidel)


Fazit
Insgesamt überwiegt noch der Pessimismus und die Unsicherheit in der Branche, die durch die Niedrig-Zins-Phase der EZB eingeleitet worden sind. Es stimmt, ganz anders als die Deutsche Bundesbank zu Zeiten der Deutschen Mark, trägt die EZB als Zentralbank des Euro keinerlei gesamtvolkswirtschaftliche Verantwortung. Sie ist allein der Geldwertstabilität gegenüber verpflichtet. Auch Mario Draghi betont immer wieder, dass es unter Umständen noch lange bei der Niedrig-Zins-Phase bleiben wird. Da der langfristige allgemeine Wohlstand aber bislang vor allem an den Zinscoupons der Staatsanleihen hing, kann es so wie zur Zeit nicht weiter gehen. Soll der erreichte Wohlstand gehalten werden, wird man im Finanzsektor bei den Anlageformen weiter ins Risiko gehen müssen, als man das bislang gewohnt war und vor allem, als es bislang erlaubt ist. Die Ablehnung jeder Verantwortung der EZB für die Entwicklung von Kapitalversicherern und Pensionsfonds ist brüskierend. Die EZB kann nicht nur die kurzfristigen Geldmärkte im Auge haben. Sie muss sich auch für die langfristigen Folgen ihres Tuns verantworten.

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