Ein Paradis für Hunde -Reisebericht vom Timmendorfer Strand und Lübeck- von Thomas Seidel
Das Rathaus vom Timmendorfer Strand (Quelle: Thomas Seidel) |
Im Wettbewerb um deutsche
Meeresbadeorte hat Schleswig-Holstein noch einen Trumpf in der Hand.
Nicht Sylt oder andere Inseln an der Nordsee, sondern ein lebendiger
kleiner Ort zur Ostsee hin. Der Timmendorfer Strand, einst
Westdeutschlands mondänster Badeort, ist immer noch eine Reise wert.
Es bietet sich gleichermaßen Erholung und unterhaltsame Abwechslung.
Nur die Feinschmecker sind hier, wie an allen deutschen Küsten nicht
gut aufgehoben.
An der ehemals westdeutschen Ostsee
liegt eine der schönsten Meeresbuchten die das Land zu bieten hat,
die Lübecker Bucht. Von der Mündung der durch Lübeck fließenden
Trave (Travemünde) im Süden, bis etwa nach Neustadt in Holstein
zieht sich ein scheinbar endlos langer Strand an den seichten
Gewässern der Ostsee entlang.
Alte Villa in der ersten Reihe an der Promenade von Niendorf (Quelle: Thomas Seidel) |
Die Bucht hat viele Gesichter.
Durchaus vornehm ging es etwa in Travemünde zu, mit breitem Strand
und ausgedehnten Golfanlagen. Der Ort Scharbeutz im Norden ist sehr
gut für Familien und Camper geeignet. Der Brennpunkt aber von allem
ist und bleibt ein Ort mit dem merkwürdigen Namen Timmendorfer
Strand. Auch wenn die Nutzung als Bade- und Kurheilort teilweise bis
in späte 19.Jahrhundert zurück reicht, so richtig los ging es mit
dem Timmendorfer Strand erst in den 1950er Jahren. Durch die deutsche
Teilung lagen viele bekannte Ostsee-Badeorte in der nicht
zugänglichen DDR. Man suchte im westdeutschen Bereich Ersatz und die
schöne Lage an der Lübecker Bucht tat ihr übriges. So entstand,
für westdeutsche Verhältnisse, das, was manche noch heute als einen
mondänen Badeort bezeichnet. Gleichwohl hat „mondän“ in
Deutschland nicht annähernd etwas mit dem zu tun, was man bei
diversen Mittelmeerorten wie etwa Nizza, Cannes oder Saint-Tropez
darunter versteht.
Café und Geschäfte zum Verweilen (Quelle: Thomas Seidel) |
Die Anmutung des Mondänen rührt
vielleicht von der ein oder anderen bekannten Person her, die auf
irgendeine Weise mit dem Timmendorfer Strand verbunden war oder ist.
Dazu gehören die Architekten Martin und Walter Gropius, sowie Hans
Grisebach. Walter Gropius war der Begründer des Bauhauses, des
einzig deutsch-originären aber immerhin weltberühmten Stils, von
Gebäuden und Einrichtungen der Moderne. Auch Vertreter der Literatur
sollen genannt werden. So etwa Herman Löns, William von Simpson und
Marcel Reich-Ranicki. Das alles ist eine vollkommen andere Couleur
von Namen, als wie man sie etwa auf Sylt antrifft. Wesentlich
substantieller, berühmter und wichtiger, als die jenseits des
Buchstaben „Z“ Möchtegernprominenten auf der windigen
Nordseeinsel an der anderen Küste von Schleswig-Holstein. Gemeinsam
ist all diesen Namen aber auch, dass die betreffenden Personen
bereits schon lange tot sind. Und das trifft leider auch ein bisschen
auf das Mondäne zu, welches immer noch mit dem Namen des Ortes
einher geht.
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Ein Schandfleck im Ort, das Maritimhotel (Quelle: Thomas Seidel) |
Wie dem auch sei, in jedem Fall ist der
Timmendorfer Strand ein wahres Hundeparadis. Noch nie haben wir so
viele Hunde in einem Ferienort gesehen, die genauso gerne wie ihre
Herrchen und Frauchen auf den Promenaden spazieren gehen. Jedes Hotel
und jedes Ferienhaus scheint auf die vierbeinigen Gäste eingestellt
zu sein. Und so gibt es immer Begegnungen nicht nur auf der Kopfhöhe
der Menschen, sondern auch auf Höhe von deren Knie. Mit einem Hund
dabei, kommt man als deutscher Mensch viel leichter ins Gespräch.
Das macht auch deutlich einen angenehmen Teil der besonderen
Atmosphäre des Ortes aus. Man ist offen und kontaktfreudig beim
Flanieren, wie man es so eher von den südlichen Ländern Europas her
kennt.
Vom Meer aus sieht man gar nicht so
viel. Zuerst kommt ein Strand, dann eine sehr angenehme
Strandpromenade, dann, an weiten Streckenabschnitten, ein Wald,
dahinter die Häuser der ersten Reihe und dann erst eine Straße.
Fast alle Gebäude sind niedriger als die meisten Baumwipfel und so
wirkt es, als sei der Ort in einen Wald hinein gebaut. Nur zwei
Schandflecken ragen hervor. Ein Maritimhotel und ein
Appartmenthochhaus auch unter dem Namen Maritim. Beide
Gebäudekomplexe gehören schlicht abgerissen. Sie sind Ausdruck
gierigster Immobilienspekulation und korrupter Politik vergangener
Zeiten, wie es man auf Sylt ständig antrifft.
Ortsbegehung, es läßt sich schön flanieren (Quelle: Thomas Seidel) |
Das Spazieren am Meer und das Flanieren
an der Strandpromenade und im Ort ist immer ein angenehmer
Zeitvertreib. Zum Pausieren laden verschiedenste Lokale und Cafés
ein. Aufgetischt wird reichlich. Das Personal, wie an der ganzen
deutschen Ostseeküste, ist freundlich, höflich und hilfsbereit und
gerne auch für einen Schwatz zu haben. So bietet der Ort einen
angenehm erholsamen Zeitvertreib, selbst wenn das Wetter einmal nicht
so mitspielt. Allerdings gibt es eine unangenehme Pest, der stete
Mangel an ausreichenden Parkplätzen. Obwohl die Gemeinde einige
wenige kostenlose Großparkplätze eingerichtet hat, wird ansonsten
überall gerne reichlich abkassiert. Wie dringend die Not ist, merkt
man daran, dass auf den meisten Privatgrundstücken Parkblockierer
eingerichtet sind, die sich nur mit einem Schlüssel umlegen lassen.
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Der Butterspender, eine Zumutung (Quelle: Thomas Seidel) |
Norddeutschland ist nicht die Gegend
für eine feine Küche. Alles ist einfach rustikal. Wie immer stirbt
dort der Fisch zweimal. Einmal wenn er gefangen wird, das andere Mal
wenn er als Speise zubereitet wird. Man ist sicher ehrlich bemüht,
etwa nettes auf den Tisch zu bringen, mehr geht aber offensichtlich
nicht. Ähnliches gilt für die Auswahl von Weinen. Viel breiter ist
das Angebot von Schnäpsen aller Art. In unserem Hotel im Ortsteil
Niendorf entdeckten wir ein neues Gerät. Einen Butterspender. Man
halte seinen Teller dahin, drücke auf einen Knopf und erhält eine
klägliche Portion Butter. Was offensichtlich das Personal freut, ist
eine Zumutung für den Gast. Was soll das mit dem Portionsgekleckse
auf dem Teller? Das gehört sich nicht! Genauso wenig wie die
miniaturisierten Butterstückchen, welche man zuerst in Flugzeugen
und später dann überall serviert bekommt. So etwas ist ein Symbol
für Profitoptimierung bei der Speisekultur.
Kultur gibt es im Übrigen reichlich in
der Nähe. Natürlich gehört dazu ein Ausflug in die Hansestadt
schlechthin, nach Lübeck. Auf der Landstraße muss man sich dann
allerdings zunächst durch Bad Schwartau quetschen. Der Ort ist so
häßlich, dass man sich unwillkürlich fragt, für welche Kur
eigentlich das „Bad“ im Namen steht. Vielleicht handelt es sich
ja um eine Marmeladendiät eines gleichnamigen
Brotaufstrichherstellers.
Das Lübecker Rathaus (Quelle: Thomas Seidel) |
Alte Kontorhäuser neben dem Holstentor (Quelle: Thomas Seidel) |
Lübeck selbst ist ein sehr
unterschiedlicher Ort. Die von der Trave umflossene Altstadt hält
architektonisch größtenteils was sie verspricht. Man kann den
Reichtum dieser alten Handelsstadt nicht nur erahnen, sondern an
vielen Häusern und Straßenzügen regelrecht noch sehen. Dennoch
sind auch in dieser Innenstadt schlimme Neubauten entstanden, die das
Gesamtbild einfach nur verschandeln. Das weltberühmte Holstentor
steht so isoliert auf einer Insel des tosenden Verkehrsstroms, dass
es kaum noch möglich ist, seine Bedeutung für die Hansestadt zu
erkennen.
Lübeck ist auch die Stadt des
Marzipan. Diese Schleckerei wird noch heute unter der Regie derselben
Familie hergestellt, die es seit dem 19. Jahrhundert dort etablierte.
Das Stammhaus, direkt gegenüber dem Rathaus, ist inzwischen ein
Tempel für die Anbetung von Süßigkeiten geworden. Der Laden ist
von kaufwilligen Touristen zu jeder Zeit überfüllt. Im ersten Stock
gibt es ein feines Kaffee, dass allein schon wegen seiner Atmosphäre
einen Besuch wert ist. Dennoch bleibt die Stadt eine Enttäuschung.
Lübeck, das ist vor allem auch die Heimat der Gebrüder Heinrich und
Thomas Mann. Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann entstammt wie
sein älterer Bruder einer alteingesessenen Lübecker
Patrizierfamilie. Er hat uns mit seinem Roman Buddenbrooks
eindringlich die hanseatische Gesellschaft vor Augen geführt. Von
all dem existiert heute in Lübeck schlicht nichts mehr. Die
Einwohner der Stadt stehen in einem merkwürdigen Kontrast zu dem
Glanz der Baudenkmäler einer vergangenen Epoche. Vielleicht hat man
eine falsche Erwartungshaltung. Einen Flair, wie man ihn von Hamburg
kennt, gibt es jedenfalls in Lübeck nicht.
Schloss Eutin (Quelle: Thomas Seidel |
Aber auch das Land bietet sehr schöne
Ausflugsziele. Beispielhaft soll hier das Schloss Eutin besprochen
werden. Rund zwanzig Kilometer nördlich vom Timmendorfer Strand
liegt ein nahezu unbeschädigtes Wasserschloss, das uns durch den
Wandel der Zeiten vergangener Jahrhunderte führt. Ursprünglich wohl
mal als Renaissancebau errichtet, findet man alle folgenden Epochen,
wenn nicht im Äußeren, so doch in den Innenräumen. Ein Besuch
lohnt sich nicht nur wegen des Schlosses selbst, sondern auch um den
Schlossgarten und die naheliegende Altstadt zu sehen.
Die ganze Ecke um den Timmendorfer
Strand ist nach wie vor ein lohnendes Urlaubsziel. Kein Wunder, es
liegt an der Ostsee und sticht im alten Westdeutschland deutlich
andere bekannte Badeorte aus. Bei der Unterbringung findet sich etwas
für jeden Geschmack und jeden Geldbeutel. Ausflüge in die Umgebung
lohnen sich. Es kommt keine Langeweile auf. Wer hier Erholung sucht,
kann sie auch finden.
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