Der Angriff auf die Unabhängigkeit der Zentralbanken* hat begonnen von Thomas Seidel
Bislang galten Zentralbanken* als die
stabilsten und verlässlichsten Bollwerke in einer von politischen
und wirtschaftlichen Krisen umtosten Welt. Das Mantra ihrer
Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme wurde wie eine
strahlende Monstranz vor sie her getragen. In den jüngsten
Finanzkrisen haben sie durch ihre Entscheidungen die Weltwirtschaft
vor dem totalen Absturz bewahrt. Jetzt zeigt sich, dieser Erfolg wird
den Zentralbanken zum Fluch. Auf breiter Front hat der Angriff auf
ihre Unabhängigkeit begonnen!
Bei Lichte betrachtet war es mit der
Unabhängigkeit der Zentralbanken* allerdings nie so weit her. Das hat viel mit ihrer Verfasstheit zu
tun. Möglichkeiten der Einflussnahme sind selbst bei weltweit
wichtigen Zentralbanken* oft schon in ihren Statuten festgeschrieben.
So kann man die Bank of Japan (Nippon Ginko) getrost als vollkommen
abhängig von dem Willen des japanischen Finanzministeriums
bezeichnen. Die aktuelle Verfasstheit der berühmten Bank of England
wird, je nach parteipolitischem Gusto einer im Parlament regierenden
Partei, per Gesetz mal so mal so angepasst. Selbst das lange Zeit als
Vorbild betrachtete amerikanische Federal Reserve System war zu
keinem Zeitpunkt wirklich so unabhängig, wie es gerne oft
dargestellt wurde. Nur wenigen ist klar, dass es schon bei den
Besitzverhältnissen dort traditionell auch lokale Eigentümer gibt.
Lange Zeit als tatsächlich unabhängig und sogar als Staatsorgan mit
Verfassungsrang galt die Deutsche Bundesbank. Das allerdings nur zu
DM-Zeiten. Nach ihrem Vorbild wurde die Europäische Zentralbank
geschaffen. Besonders deren Erfolge bei der Bekämpfung zuerst der
Finanzkrise, dann der EURO-Krise und die ganze Zeit über bei dem
Inschachhalten der europäischen Staatsschuldenkrise, hat nicht
zuletzt die Gier der Politik nach der Macht über die Zentralbanken* geweckt.
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Federal Reserve System in Washington D.C. (Quelle: AFP, Urheber: Saul Loeb) |
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EZB-Präsident Mario Draghi (Quelle: wikipedia, CCL Urheber: World Economic Forum) |
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US-Präsident Donald Trump (Quelle: wikipedia, gemeinfrei, Urheber: The White House) |
Richtig bedrohlich wird die Sache für die Zentralbanken* aber spätestens jetzt. Da bildet sich eine in ihren unterschiedlichen Interessen geschlossene Front, allesamt erklärte Gegner der Unabhängigkeit der Zentralbanken*. Ganz vorne sind die Regierenden, die gerne ihre substanzlosen Wahlversprechen durch den Geldhahn der Zentralbanken* finanziert sehen möchten. Dazu gesellen sich an den Flanken parlamentarische Politiker, die gerne irgendeine Art Kontrolle über die Zentralbanken* ausüben möchten, um ihrerseits sich mit monetären Argumenten in ihrem politischen Kampf bewaffnen zu können. Seit dem 30. Juli 2019 reihen sich nun auch noch deutsche Verfassungsrichter in diese Phalanx gegen die Unabhängigkeit der Zentralbanken* ein. In einem Urteil über die sogenannte Bankenunion, nehmen die Juristen Wörter in den Mund, die ganz eindeutig einen Zweifel der Verfassungsjustiz an der rechtmäßigen Unabhängigkeit von Zentralbanken* erkennen lassen.
(Quelle: www.tagesschau.de
tagesschau 16:00 Uhr, 30.07.2019, Kerstin Anabah, SWR)
Das auf den ersten Blick scheinbar
positive Urteil zur europäischen Bankenunion, wirft erhebliche
Fragen auf. Da ist zum Beispiel die Rede von „einem noch genügenden
Mitspracherecht deutscher Wähler“! An anderer Stelle heißt es,
„würden Fragen der demokratischen Legitimation aufgeworfen
werden“. Schließlich wird formuliert, „die EZB und die
nationalen Aufsichtsbehörden würden sehr eigenständig agieren
können“. Wem wirklich etwas an der Unabhängigkeit von
Zentralbanken* liegt, dem wird es ob solchem Gerede kalt den Rücken
runter laufen. Hier wird nicht mehr und nicht weniger versucht, als
den Boden dafür zu bereiten, die Entscheidungen der Zentralbanken* in
irgendeiner Weise von dem Wohl einer Regierung oder gar eines
Parlaments abhängig, zumindest aber kontrollierbar zu machen.
Wo liegt die Gefahr? Müssten
Zentralbanken* bei ihren Entscheidungen zur Inflationsbekämpfung und
den verfügbaren Geldmengen neben der gesamtwirtschaftlichen Lage
auch noch die aktuellen Befindlichkeiten von Politiker oder gar einem
Wählervolk mit berücksichtigen, wäre ihre Kernfunktion, nämlich
vernünftige geldpolitische Rahmenbedingungen und die Sicherung der
Zahlungsströme zu gewährleisten, erheblich gestört. Nie darf man
vergessen, bei jeder Transaktion fließt Geld. Wenn sich niemand mehr
auf die Zuverlässigkeit der Geldströme und ihrer Konditionen
verlassen kann, würde es keinen funktionierenden Handel mehr geben
und keine langfristigen Investitionen mehr getätigt werden. Ja das
gesamte Wirtschaftssystem wie wir es seit Jahrhunderten kennen, würde
zerbröseln. Geldpolitik kann und darf nicht Sache von demokratischen
Prozessen sein. Nur eine überschaubare Anzahl von Fachleuten, kann
angesichts der Komplexität der Prozesse und Rahmenbedingungen in
einer gemeinsamen Beschlussfassung zu vernünftigen Entscheidungen
kommen. Weder Regierungen, schon gar nicht Parlamente und Juristen,
wären je dazu in der Lage. Jetzt kommt es darauf an, dass sich
mächtige Stimmen erheben, die für die verbleibenden Reste der
Unabhängigkeit von Zentralbanken* zu kämpfen bereit sind. Ansonsten
könnte man das Geldwesen auch gleich ganz den privaten Interessen
der Inhaber von Facebook, Google, Amazon und Co überlassen.
* Vom gleichen Autor gibt es ein Buch "Zentralbanken -Sklaven oder Herren-"
erhältlich bei Amazon. Es wird die Entwicklung der Zentralbanken beschrieben, ihre Funktionen erörtert und anhand von Beispielen erklärt, wie unabhängig und vermeintlich mächtig Zentralbanken wirklich sind.
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