Warum die Commerzbank von einer feindlichen Übernahme überrascht wurde -von Thomas Seidel-


Es gibt deutsche Aktiengesellschaften, die etwas auf sich halten, eines von nur 40 Mitgliedern im exklusiven Club des sogenannten DAX (Deutscher Aktienindex) zu sein. In der Vergangenheit war das der Commerzbank nicht immer gelungen. Den Rausschmiss aus dem DAX hat man in dem Bankhaus seinerzeit wohl durchaus als Schmach empfunden und wacker an einer Rückkehr gearbeitet. Ein DAX-Unternehmen zu sein, bietet aber nicht nur Ruhm und Ehre, sondern es lauern auch Gefahren und Begehrlichkeiten, die zu meistern eine brisante Aufgabe der obersten Unternehmensführung sei sollte.

Typischerweise handelt es sich bei DAX-Unternehmen um sogenannte Publikumsgesellschaften. Ein Menge von Aktien des Unternehmens sind breit gestreut und stehen dem Publikum jederzeit zum An- und Verkauf über die Börsen bereit. Es schließt aber auch nicht aus, dass größere Mengen an Kapitalanteilen von einzelnen Inhabern gehalten werden.

Das bedeutet für ein DAX-Unternehmen, dass es sich intensiv um die Pflege und den Kontakt zu den Eigentümern, sprich Aktieninhabern, kümmern muss. Normalerweise ist diese Aufgabe ganz oben beim Vorstandschef (CEO) eines DAX-Unternehmens angesiedelt. Unterstützt wird der CEO dabei von einer Reihe hochrangiger Mitarbeiter, die schon aus Prestigegründen meist mit einem Direktorentitel ausgestattet werden und entsprechende Gehälter einkassieren, um ihrer Klientel die Wertschätzung der Firma zu vermitteln. Diese Leute sollten vielerlei Kontakte pflegen, sollten eine Art Lobbyarbeit machen, sollten genau das Geschehen an den Aktienmärkten mit den eigenen Papieren beobachten und sollten dabei mittels moderner Informationstechnik analytisch unterstützt werden. Diese Mitarbeiter sollten ein Gespür dafür entwickeln, was sich auf Seiten der Eigentümerschaft tut und mögliche Veränderungen in der Eigentümerschaft voraus ahnen können.

Offensichtlich ist von alldem in der Commerzbank im Vorfeld des jetzt feindlichen Übernahmeversuchs durch die italienische Unicredit Bank nichts geschehen. Wenn die bisherige Finanzchefin und künftige CEO Bettina Orlopp, wie gestern geschehen, öffentlich erklärt, man sei von den Plänen der Unicredit Bank überrascht worden, dann bedeutet das Dreierlei: 1. Die Unicredit war in der Lage, ihre Attacke auf die Commerzbank geheim zu halten wie der israelische Geheimdienst Mossad. 2. Die Leute von der Aktionärspflege in der Commerzbank haben schlicht komplett versagt, oder 3. es gibt gar keine Kontaktpflege zu Aktionären in der Commerzbank.

Wie dem auch sei, wieder einmal steht die Commerzbank als eines der großen deutschen Aktienunternehmen schlecht informiert und überhaupt nicht vorbereitet da. Dass in dieser Situation auch der Deutsche Staat als großer Miteigentümer der Commerzbank und politischer Landschaftsgestalter ebenso versagt hat, ist bei der vorherrschenden Qualifikation der derzeitigen Berliner Politbürokratie auch nicht anders zu erwarten. Den Schwarzen Peter in der deutschen Bankenlandschaft hat jedenfalls wieder einmal die Commerzbank gezogen.

Bildnachweis: Quelle wikipedia, GNU-Lizenz, U Mylius/Roland Meinecke

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Südlich der Alpen* - Ein Reisebericht - von Thomas Seidel

Frankfurter CDU-Wählerschaft versagt wiederholt bei Oberbürgermeisterwahl

Die Herrschaft der Minderheiten - Ein Essay von Thomas Seidel-