IBAN die Schreckliche oder Konjunkturspritze in Europa von Thomas Seidel
In wenigen Wochen, zum 1. August 2014 tritt die Single European Payment
Area (SEPA) verbindlich anstelle aller alten nationalen Zahlungssysteme Europas
in Kraft. Zumindest für Überweisungen und für Lastschriften. Was auf den ersten
Blick recht langweilig klingt, ist in Wirklichkeit eine weltweit einmalige
Herausforderung mit einem großen Potenzial von Möglichkeiten aber auch
Schwierigkeiten für den Europäischen Wirtschaftsraum.
Anders als oberflächlich gedacht
gilt SEPA nicht nur für den EURO-Raum, sondern schließt auch andere europäische
Länder mit ein. Das selbst dann wenn sie über eine eigene Währung verfügen wie
etwa in Großbritannien das Pfund oder in Schweden die Krone. Mit der Schweiz
ist sogar ein Land völlig außerhalb der Europäischen Union und des EURO mit
dabei. Was über SEPA täglich an Zahlungen abgewickelt wird ist beeindruckend.
140 Millionen Zahlungstransaktionen. Diese unterteilen sich in jeweils 70
Millionen Überweisungen und ebenso viele Lastschriften. Einer der nur wenig
bekannten Vorteile von SEPA für Europas Bürger ist, dass man in Europa nun über
eine freie Kontowahl verfügt. Wer will und es, etwa aus Kostengesichtspunkten,
für angemessen hält, kann in der Schweiz arbeiten, in Deutschland leben und in
Frankreich seine Bankverbindung haben.
IBAN – Die Schreckliche
Die gesetzliche Umstellung auf
SEPA zum 1. Aug 2014 ist verbindlich. Ab diesem Tag dürfen Banken keine
Zahlungsaufträge mehr annehmen, die nicht dem SEPA-Format entsprechen. Für
Verbraucher gestaltet sich die Umstellung im Allgemeinen unproblematisch. Der
muss sich vor allem an die neue einheitliche Internationale Bankkontonummer
gewöhnen (englisch: International Bank Account Number) kurz IBAN oder auch
gerne scherzhaft „IBAN die Schreckliche“ genannt; wegen ihrer offensichtlich
großen Zeichenlänge. Doch handelt es sich dabei eher um eine Umgewöhnung. Die
IBAN besteht zum Beispiel in Deutschland aus der bekannten Bankleitzahl und der
Kundenkontonummer. Dazu gesellen sich lediglich ein zweistelliges
Länderkennzeichen und eine zweistellige Prüfnummer. Was bislang die IBAN immer
so schrecklich hat aussehen lassen war ihre zusammengesetzte Schreibweise
(DE69500800100123456789). Daher bitten die Zentralbanken alle Beteiligten um die
Blockschreibweise, welche die lange Nummer in leichter überschau-, merk-, und
nachprüfbare Zahlengruppen auflöst: DE 60 5008 0010 0123 4567 89.
Wirklicher Umstellungsaufwand für
die Einführung von SEPA entstand allerdings bei allen Gewerbetreibenden, Vereinen,
Körperschaften, und Behörden. Die mussten nicht nur ihre EDV-Systeme darauf
umstellen, sondern sich auch noch eine neue Gläubigernummer bei ihrer
Zentralbank abholen. Wer als Unternehmen noch nicht umgestellt hat und ab
August Zahlungsverkehr ohne SEPA betreiben will, bekommt ein Problem. Die
Zahlungen werden nicht mehr ausgeführt. Das kann dann im Einzelfall schnell zu
Liquiditätsengpässen führen. Von Zentralbankseite wird aber versichert, dass
solche Szenarien lediglich Einzelfallerscheinungen sind und nicht generalisiert
werden können. Selbstverständlich sind die Banken angehalten, ihre Kunden so
weit wie möglich bei der Umstellung zu beraten und zu unterstützen. Es soll
sogar einzelne Kreditinstitute geben, die ihren Geschäftskunden Hilfen bei der
Konvertierung anbieten. Freilich werden die Banken eine solche Zusatzleistung
auch entsprechend bepreisen. Natürlich ist so eine Umstellung mit Kosten
verbunden. Es gibt jedoch keine Aussagen darüber in welcher Höhe diese sich
bewegen. Pauschalieren lässt sich der Aufwand nicht. Da jede Zahlung heute
direkt oder indirekt mittels EDV ausgeführt wird, sind alle Umstellungslösungen
mit einem ganz individuellen Aufwand verbunden. Fällt die für SEPA notwendige
EDV-Maßnahme noch mit anderen regelmäßigen Programmpflegemaßnahmen zusammen,
lassen sich die einzelnen Kosten nur sehr schwer auseinander halten.
Sorgenfall Lastschriften
Lastschriften als Zahlungsmittel
sind mit Fug und Recht eine deutsche Erfindung. Die Idee, etwa zeitlich
regelmäßig wiederkehrende Zahlungen mit wechselnden Beträgen nicht durch den
Schuldner zahlen, sondern durch den Gläubiger einziehen zu lassen, ist auch
rechtlich ein außergewöhnliches Konstrukt. Es gehört viel Vertrauen auf Seiten
der Schuldner dazu, einem Gläubiger zu erlauben in sein Konto einzugreifen.
Freilich haben die ungemein praktischen und kostensparenden Effekte dem
Lastschriftverfahren in Deutschland seit den 1960er Jahren zum Durchbruch
verholfen. Das konnte aber nur funktionieren, weil das deutsche Recht und die
deutsche Rechtsprechung einerseits einen besonderen Schwerpunkt auf den
Verbraucherschutz entwickelt haben; andererseits ein Gläubiger im Schadensfalle
auf ein effektives und gut funktionierendes Rechtssystem zurückgreifen kann,
das ihm schnell einen vollstreckbaren Rechtstitel verschafft.
All diese Rahmenbedingungen für
Lastschriften gibt es außerhalb Deutschlands so nicht. Das seit Jahrzehnten im
nationalen Bereich erprobte Verfahren ist für die übrigen europäischen Länder
Neuland. Entsprechend gilt für die Umstellung der Lastschriften im
SEPA-Verfahren eine zwei Jahre längere Frist bis 2016. Doch die Schwierigkeiten
sind europaweit noch vielfältig. Es zeigen sich Frontlinien auf. Die
Zentralbanken befürworten ein Lastschriftverfahren nach deutschem Vorbild, die
Bankenaufsichten verschiedener Länder haben unterschiedliche Meinungen. Um die
rechtlichen Rahmenbedingungen zu vereinheitlichen, arbeitet die Europäische
Kommission, wie immer in einem solchen Fall, an einer sogenannten
Zahlungsdiensterichtlinie (englisch: Payment Service Directive II - PSD 2). In ihrer aktuellen Entwurfsform
sieht die PSD 2 in speziellen Fällen vor, dass ein Verbraucher eine
Kontobelastung mittels einer Lastschrift nicht mehr einfach rückgängig machen
kann. Diese besonders von Großbritannien bevorzugte Lösung, die ausgerechnet an
dem absurden Beispiel von Zahlungen für Glücksspielscheine aufgemacht wird,
würde nach deutscher Ansicht auf Seiten der Verbraucher zum Vertrauensverlust
in das gesamte Lastschriftverfahren führen. In der Tat, könnte ein Verbraucher
ein Lastschrift ohne Angabe von Gründen nicht einfach wieder zurück geben, etwa
weil ihm durch einen Fehler auf Seiten des Gläubiger statt einhundert auf
einmal eintausend Euro abgebucht wurden, könnte das schnell zu einem Massenruin
von Verbrauchern führen. Die Verhandlungslage in Brüssel darüber ist
angespannt. Man wird verfolgen müssen, was bei der PSD 2 an Ende heraus kommt.
Ungeregelte Kartenzahlungen
Noch völlig ungeregelt und von
SEPA nicht erfasst ist der Bereich der Kreditkartenzahlungen. Kreditkarten
verursachen gleich ein Bündel von Ärgernissen. So praktisch das Bezahlen „Mit
Ihrem guten Namen“ auch anmutet und vor allem bei Fernreisen, Flugticketkauf,
Hotel- und Mietwagenreservierungen das lästige Hinterlegen einer Kaution erspart,
in den Augen der EU-Kommission zocken Kreditkartenunternehmen die Verbraucher
nur ab. Über 10 Milliarden Euro, so hat die Kommission ermittelt, sahnen die
Kredit- und Bankkartenunternehmen vom Umsatz des Handels ab. Letzterer holt
sich diese Kosten so weit wie möglich natürlich vom Verbraucher wieder. In
Europa stören zudem die völlig unterschiedlichen Gebührensätze der
Kartenunternehmen, die von einem halben bis zu 1,8 Prozent in den verschiedenen
Ländern der EU reichen. Auch wird das Oligopol nur sehr weniger
Kreditkartengesellschaften, allen voran VISA und Mastercard, als
wettbewerbsstörend empfunden. Die Richtlinie PSD 2 will damit gründlich aufräumen.
Für die Transaktionskosten soll eine Obergrenze von 0,2 bis 0,3 Prozent des
Umsatzes eingeführt werden. Bei teureren Karten sollen die Händler künftig
allerdings einen Aufschlag nehmen, oder die Annahmen der Karten als
Zahlungsmittel verweigern dürfen. Wirklich hilfreich und globalorientiert
klingt das alles aber nicht.
Toter Winkel im Verbraucherschutz
Ein ganz anderes Problem aus
Verbrauchersicht tut sich weiterhin mit den Lastschriften auf. Immer mehr
Dienstleistungsanbieter, allen voran Telekommunikationsunternehmen, Versorger
(etwa für Gas, Wasser, Strom), Fitness-Studios und ähnliche Anbieter zwingen
ihre Kunden zur Abgabe einer Lastschritfeinzugsermächtigung. Sie dient der
Bezahlung laufender Rechnungen selbst dann, wenn die regelmäßig zu zahlenden
Beträge lange Zeit unverändert gleich bleiben und mithin bequem mittels eines
Dauerauftrags entrichtet werden könnten. Begründet wird diese harsche
Vorgehensweise zumeist mit den höheren Buchhaltungskosten, die einem
Unternehmen entstehen wenn es jeden Zahlungseingang einem bestimmten Kunden
zuordnen soll. Das ist aber nur teilweise richtig. Denn eine moderne EDV kann
ohne weiteres aus den Bankinformationen des Zahlungseingangs etwa Kunden-,
Rechnungs- oder Referenznummern auslesen und automatisch zuordnen.
Die
Vertreter der Zentralbank zum Beispiel blenden diese Problematik aus. Sie
verweisen auf die Vertragsfreiheit und den Wettbewerb, der es dem Verbraucher
erlaubt nur mit solchen Unternehmen zusammen zu arbeiten, die auch ihm entgegen
kommende Zahlungsmodalitäten anbieten. Das ist aber in der Praxis längst nicht
mehr der Fall. Wenn alle Anbieter kartellartig ausschließlich das
Lastschrifteinzugverfahren wählen und keine Alternativen zulassen, besteht eine
echte Wahl für den Verbraucher nicht mehr. Da verwundert es nur, dass die
Verbraucherverbände, die ansonsten jede Bankgebühr und zuletzt erfolgreich vor
dem Bundesgerichtshof gegen die Berechnung von Kreditgebühren angestänkert
haben, dieses wichtige Thema offensichtlich noch nicht zur Kenntnis nehmen.
SEPA als Konjunkturspritze
Es ist schon angedeutet worden,
welche Kosten die Einführung von SEPA bei den Unternehmen verursacht ist nicht
bekannt. Dagegen haben findige Leute bereits ausgerechnet, dass durch die
Etablierung eines einheitlichen Zahlungssystems in Europa sich eine
Kostenersparnis von über 120 Milliarden Euro, verteilt auf sechs Jahre, ergibt.
Das hört sich zunächst einmal wie ein gigantisches Konjunkturprogramm an. Wenn
man aber dieses Volumen ersparter Kosten auf alle beteiligten Personen und
Unternehmen in Europa verteilt und durch sechs Jahre dividiert, kommt beim
Einzelnen kaum noch etwas an. Das wirkt dann wie ein milliardenschweres
Steuersenkungsversprechen einer Regierung, durch das am Ende beim einzelnen
Bürger etwa 2,50 Euro im Monat ankommen. Davon kann man sich aber weder einen
Konsum- noch einen Investitionsschub erhoffen. Das Bild der Konjunkturspritze
hängt also mehr als nur schief.
So ist auch SEPA insgesamt noch
ein Projekt mit vielen offenen Fragen. Natürlich ist das Anstreben eines
gemeinsamen Zahlungsverkehrsraums in der Europäischen Union ein grundsätzlich
erstrebenswertes Ziel. Natürlich bringt Vereinheitlichung, Vereinfachung und
Standardisierung langfristig immer irgendwelche Kostenvorteile mit sich. SEPA
als eine Errungenschaft gegenüber den Zuständen in Amerika oder asiatischen
Ländern zu preisen greift nicht. Da wie dort gibt es keine Staatenunion mit
einer Gemeinschaftswährung. Ein globaler Wettbewerbsvorteil der EU wird durch
SEPA nicht erreicht. Behörden, Unternehmer, Vereine und Verbände werden sich
schnell mit SEPA arrangiert haben. Die Tücken und Lücken des Systems werden
wieder dem Verbraucher aufgehalst. Dessen gründliche und richtige Aufklärung
aber lässt immer noch zu Wünschen übrig!
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