Werfen Schattenbanken Schleier auf das Bankgeschäft? -Bericht von der 19. Handelsblatt-Tagung Banken im Umbruch- von Thomas Seidel
Kurz vor der Arbeitsaufnahme
einer zentralen, bei der Europäischen Zentralbank angesiedelten Bankenaufsicht,
treffen sich Spitzenmanager der Finanzindustrie in Frankfurt am Main und diskutieren
über die Zukunft der Bankenwesens.
19. Handelsblatt-Tagung
(Quelle: © EUROFORUM/St. Hergenröter)
Gleich zu Beginn ging Anshu Jain
von der Deutschen Bank auf die Größe des Schattenbanksektors ein. Er sprach
davon, dass diese, wie er es nannte, 4. Dimension des globalen Finanzwesens
etwa ein zweieinhalbfaches Geschäftsvolumen hat wie der registrierte
Bankensektor. Dabei will Jain den Schattenbanksektor nicht grundsätzlich
verteufeln. Er sieht darin sogar eine wichtige volkswirtschaftliche Dimension.
In deren Streben nach deutlich höheren Profiten würden Schattenbanken toxische
Geschäfte von den regulierten Banken aufnehmen. Das verschafft diesen mehr
Handlungsspielraum und entlastet deren Eigenkapitalbasis. Gleichwohl erwartet
auch Jain, von den Schattenbanken mehr Transparenz und Licht in ihre Geschäfte
zu bringen. Die wirtschaftlichen Aussichten für Europa sind nach der
Einschätzung von Anshu Jain nach wie trübe. Die wichtigsten Ziele für Europa
müssten Wachstum und der Abbau von Arbeitslosigkeit sein. Nach wie vor leide
Europa unter gesplitteten Kapitalmärkten. Das sei letztlich ein Grund dafür,
dass immer noch 70 Prozent der Kreditschöpfung durch Banken vorgenommen würden.
Damit stehen Unternehmen kaum Finanzierungsalternativen zur Verfügung. Was die
Geldpolitik angeht, kritisiert Jain Krediterleichterungen via Nullzinspolitik
und gegebenenfalls Ankaufsprogramme durch die EZB, wie sie just einen Tag nach
seinen Ausführungen von der Europäischen Zentralbank beschlossen wurden. Diese würden
nicht ausreichen die europäische Wirtschaft dauerhaft zu unterstützen. Dringende
politische Strukturreformen bleiben als Grundlage für eine nachhaltige
wirtschaftliche Erholunng unerlässlich.
(Quelle: © EUROFORUM/St.
Hergenröter)
Annika Falkengren Präsidentin der
schwedischen Skandinaviska Enskilda Banken (SEB) spricht auch von der Gefahr,
dass der Anteil des Schattenbanksektors wächst und immer mehr Finanzrisiken
dorthin verlagert werden. Diese Unsichtbarkeit würde speziell in Europa dadurch
verstärkt, dass hier ein uneinheitlicher Weg gegangen wird, dass heißt
europäische Banken agieren global doch die Regulierung bleibt auch mit der
Bankenunion lokal. Eine so stark auf Digitalisierung ausgerichtete Bank wie die
SEB, immerhin 97 Prozent aller Kunden kontaktieren ihre Bank nur noch digital,
empfiehlt der Branche, gemeinsame Plattformen zur Nutzung von digitalen
Bankdienstleistungen zu entwickeln, letztlich um Standardisierung und
Kostenreduzierung voran zu treiben.
Annika Falkengren
Präsidentin und CEO SEB
(Quelle: © EUROFORUM/St.
Hergenröter)
Einen interessanten Einblick in
die Entwicklung des chinesischen Bankenwesens bot Li Jiange, stellvertretender
Vorstandsvorsitzender der Central Huijin Investment und damit einer der
führenden Bankenaufseher Chinas. Das kommunistische China musste vor 30 Jahren
zunächst erst einmal überhaupt ein diversifiziertes Finanzsystem mit
voneinander getrennten Funktionen zu schaffen. Dazu gehört eine Bankaufsicht
eine Zentralbank und natürlich eine Anzahl von kommerziell ausgerichteten Banken. Inzwischen gäbt es 16 solcher Banken.
Einige davon gehören zu den Top-ten-Banken in der Welt und erfüllen die
Anforderungen von Basel II und Basel III. Doch die meisten Kunden der
Staatsbanken seien wiederum Staatsunternehmen. Durch diese Konstellationen
vermutet man allerdings im System verborgene Risiken, da bei Geschäften mit Staatskunden
die Margen nicht sicher sein. Unternehmensfinanzierung in China erfolgt zu 90
Prozent durch das Bankenwesen. Was China Sorgen macht ist insbesondere das
Schattenbankwesen. Dessen Wirkung auf die Wirtschaft seien der Führung schlicht
nicht klar. Noch werden die Zinsen in China vom Staat politisch beeinflusst.
Freilich plane man die Zinsbildung innerhalb der nächsten zwei Jahre den
Märkten zu überlassen. Darüber hinaus strebe man die komplette Liberalisierung
der eigenen Landeswährung Renminbi an. Schon jetzt stehe der Renminbi auf Platz
7 der volumengrößten Währungen der Welt. Man strebe an, in Zukunft den Platz 4
zu erreichen. Was noch völlig fehle sei ein System zur Bankenrettung im Falle
einer Insolvenz. Vorsichtig aber entschlossen tastet sich das, durch die
kommunistische Partei verwaltete, Riesenland weiter in Richtung Anpassung an
globale Standards vor.
Li Jiange Stellv.
Vorstandsvorsitzender Central Huijin Investment
(Quelle: © EUROFORUM/St.
Hergenröter)
Mit einem Paukenschlag führte
sich Martin Blessing, Vorstandchef der Commerzbank, in die Tagung ein.
Sensation des Morgens wurde sein Vorschlag, in einem gewissen Rahmen das
Instrument der Eurobonds in der Eurozone einzuführen. Mutig für einen Bankchef
dessen größter Einzeleigentümer nach wie die Bundesrepublik Deutschland ist. Ihrer
Rolle entsprechend zeigte sich die Bundeskanzlerin nicht amüsiert. Zunächst
kritisierte Blessing die anhaltend niedrigen Zinsen im Euroraum. Dadurch sei
bereits der Druck zu vernünftigen Strukturreformen in einigen Euroländern
geringer geworden. Blessing stellt die Frage, warum sollte die
Staatsverschuldung europäischer Nationen nicht auch zu durchaus variablen
Zinssätzen aufnehmbar sein? Von Märkten erzwungene, voraussichtlich höhere
Zinsen, könnten einzelne Staaten zu weiteren Reformen anhalten. Nach Ansicht
von Blessing sollten Eurobonds von Jedermann kaufbar sein, nicht nur von der
Zentralbank. Banken und Versicherungen sollte erlaubt sein Eurobonds, ohne
Hinterlegung von Eigenkapital erwerben zu können. Das könnte ihre
Eigenkapitalbasis und die Erträge stärken. Blessing zeigt sich frustriert vom
Warten auf eine politische Union als Lösung für wirtschaftliche Probleme in
Europa. Was dringend voran gebracht werden müsse, sei allerdings eine Lösung
für eine mögliche Insolvenz eines Mitgliedlandes.
rechts Martin Blessing Vorsitzender
des Vorstandes, Commerzbank
(Quelle: © EUROFORUM/St.
Hergenröter)
Wie oft gerne laut polternd trat
auch diesmal Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und
Girovereins, mit seinem Beitrag „Risiken reduzieren statt verteilen...“ in der
diesjährigen Veranstaltung auf. So stellte Fahrenschon gleich zu Beginn die
ungewöhnliche These auf, man sei wahrscheinlich an einem Punkt, wo zu viel
Liquidität selbst zu einem Stabilitätsrisiko würde. In den Augen von
Fahrenschon ist die Situation bei den Aufsehern vor lauter nationalen und zentralen
unkoordinierten Regulierungen unübersichtlich geworden. So würde insbesondere
bei der Regulierung nicht nach unterschiedlichen Geschäftsmodellen und
Risikogehalt des jeweiligen Geschäfts differenziert. Selbst von der Finanzkrise
nicht betroffene Institute, müssten die gleichen Prüfungslasten tragen wie andere
mehr Risiko fahrende Institute. Hier existiere ein regulatorisches
Ungleichgewicht. Eher risikoaverse Sparkassen zahlten regulatorische Kosten auch
für andere, Risiko betreibende Marktteilnehmer, mit. Das gelte sogar auch für
Geschäftsteilnehmer die gar nicht oder nur wenig regulatorisch betroffen seien,
wie etwa die Schattenbanken. Fahrenschon mahnt an, den deutschen Verfassungsgrundsatz
„Gleiches gleich, aber eben auch Ungleiches ungleich zu behandeln“ auch bei der
Regulierung anzuwenden. Für Fahrenschon wird also die Regulierung selbst zu
einem systemischen Risiko. Nicht eingehen will Fahrenschon auf die andauernde
Debatte, ob eher Deflations- oder Inflationsgefahren bevorstehen. Diese hält er
schlicht für überschätzt. Auch teilt er nicht den Dauerjammer über eine
schlechte wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Stattdessen sehe er bei
seiner Unternehmenskundschaft überwiegend eine stabile Situation mit weiter
wachsender Kreditnachfrage.
Georg Fahrenschon Präsident
DSGV
(Quelle: © EUROFORUM/St.
Hergenröter)
In einer der Diskussionsrunde
sagt Dr. Theodor Weimer Vorstandsprecher der Hypovereinsbank, allgemein stünden
die Banken vor drei wesentlichen Herausforderungen. Das seien zur Zeit insbesondere
die Regulierung, das Niedrigzinsumfeld und die allgemeine Digitalisierung.
Besonders die derzeitige Überliquidität verschleiere inzwischen den genauen
Blick auf den Zustand der europäischen Volkswirtschaften. In den Bankenorganisationen
existierten zu schwerfällige und unflexible Informationssysteme. Das ist
insofern eine interessante Einschätzung, da es seit IBM’s kommerziellen
Großrechnerzeiten in den 1960er Jahren gerade immer die Finanzwirtschaft war,
die überhaupt das meiste Geld für die Entwicklung von Computersystemen
ausgegeben hat und damit überhaupt erst die wirtschaftliche Grundlage für die
heutige Bedeutung der IT-Industrie legte.
Dr. Theodor Weimer Sprecher
des Vorstandes, HypoVereinsbank
(Quelle: © EUROFORUM/St.
Hergenröter)
In dieses Horn der Warnung vor
einer Überregulierung stieß auch Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes
der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Für ihn zieht die Politik aus
der allgemeinen gesellschaftlichen Skepsis gegenüber dem Finanzsektor eine zusätzliche
Legitimation, die Branche einer fortwährenden Regulierung auszusetzen, wozu
auch das Draufsatteln beim Verbraucherschutz gehöre.
Uwe Fröhlich Präsident BVR
(Quelle: © EUROFORUM/St.
Hergenröter)
An die typische deutsche
Irrationalität der gesellschaftlichen Skepsis hinsichtlich von Finanzthemen
knüpft Emmerich Müller, persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Metzler,
an. Er spannt einen großen historischen Bogen und erinnert daran, dass die
Deutschen im 20. Jahrhundert zweimal ihr Nominalvermögen vollständig verloren
hätten. Einmal während der Hyperinflation am Anfang der 1920er Jahre und ein
weiteres Mal bei der Währungsreform von 1948. Dennoch vertrauten die Deutschen
auch heute wieder eher einem Nominalvermögen in Form von Sparguthaben,
Anleihepapieren und Lebensversicherungen, nicht aber etwa realwirtschaftlichen
Aktien. So ließen sich die Deutschen, in Zeiten eines Negativzinsumfelds bei
anhaltender Inflation, doch eher wieder schleichend enteignen, statt ihr Vermögen
durch Eingehen angemessener Risiken in der Kaufkraft zu erhalten, womöglich
sogar auch zu vermehren. Nicht nur die Empfehlungen an seine Kunden, auch die
Maßnahmen in der Vermögensverwaltung des Bankhauses Metzler seien eindeutig.
Metzler stockt den Aktienanteil in den Depots seiner Kunden auf, ohne dabei sich
in Risiken strukturierter Produkte zu verlieren. Müller zeigt sich überzeugt,
dass man Dienstleistungen von Kunden honoriert bekommt, wenn man dafür einen
tatsächlichen Mehrwert für den Kunden erbringt.
Emmerich Müller, persönlich
haftender Gesellschafter, Bankhaus Metzler
(Quelle: © EUROFORUM/St.
Hergenröter)
In einer Diskussionsrunde darüber
wie sich das Bankgeschäft in Zukunft entwickeln könnte wurde leistete Leonhard
Fischer, CEO von RHJ Inernational einen anmerkenswerten Beitrag. Sich im
Wettbewerb des Internets abgrenzen zu können, so Fischer gelinge, wenn man
etwas anzubieten habe das sich nicht googlen lasse. Er bezog sich damit zum
Beispiel auf persönliche Kontakte und Beziehungen, ohne die sich gerade
vertrauensabhängige Finanzgeschäfte immer noch kaum erfolgreich durchführen
lassen.
links Leonhard Fischer CEO, RHJ
International
(Quelle: © EUROFORUM/St.
Hergenröter)
Nach der Finanzkrise mag noch
nicht alles zum besten stehen in der Bankenwelt. Dennoch gibt es erkennbare
Fortschritte. Die Politik hat ihre Strukturaufgaben zu erledigen, doch einzelne
Schuldnerländer machen Fortschritte. Die Regulierung mag an der einen oder
anderen Stelle strangulieren, aber es das wird sich zwischen Aufsicht und
Banken einspielen. Die große Unbekannte im Hintergrund scheint das
Schattenbankenwesen zu sein. Ein Teilnehmer bezeichnete Internetfirmen wie
Google, Amazon, Apple oder Pay-Pal als weitere Segmente des
Schattenbanksektors, weil sie beginnen Zahlungsverkehr an sich zu ziehen. Doch
im Hintergrund der Schattenbanken
stehen Investoren deren Ertragserwartung weit über den Renditemöglichkeiten
regulierter Märkte liegen. Diese Investoren sind bereit, dafür außerordentliche
Risiken einzugehen. Sie sind klassische Spekulanten. Das ist eine
volkswirtschaftlich durchaus wichtige Funktion, wie es bereits von Anshu Jain
ausgeführt wurde. Ohne Teilnehmer am Markt welche die Bereitschaft haben etwas
zu verlieren, ist für andere nichts zu gewinnen. Zurzeit verbergen sich
Schattenbanken unter einem unregulierten Schleier. Wie immer auch die Politik
und die Regulatoren mit dem Schattenbanksektor in Zukunft umgehen werden,
dessen Existenz darf kein Grund für regulierte Finanzinstitute sein, in ihren
Bemühungen, sich in rasch wandelnden Märkten anzupassen, nachzulassen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen