Nichts außer Kurssrutsch des Euro -Bericht von der 16. Konferenz ECB and its Watchers- von Thomas Seidel

Die diesjährige Beobachterkonferenz der EZB war geprägt von Kritik an der Politik des Quantitative Easing (QE, Politik des leichten Geldes) und dem massiven Asset- Ankaufsprogramm der Zentralbank, dass gerade in dieser Woche gestartet wurde.

Altes Kasino der Universität Frankfurt
(Quelle: Thomas Seidel)

Die Veranstaltung fand im großen Kasinossaal an der Goethe-Universität in Frankfurt statt. Rund 450 Teilnehmer aus den Bereichen der Finanzwirtschaft, der Wirtschaftswissenschaften, Beratungsunternehmen, fachlichen Behördenvertretern und der Presse waren zum Teil von weit her angereist, um die von Jahr zu Jahr mehr geschätzte Gelegenheit wahrzunehmen, sich mit den Entwicklungen bei der Europäischen Zentralbank zu beschäftigen.

EZB-Präsident Mario Draghi
(Quelle: EZB)

Zum Auftakt der Tagung trat der EZB-Präsident Mario Draghi selbst an das Mikrofon. Seine Ausführungen hörten sich so an, als wolle er besonders das in dieser Woche gestartete massive Assetankaufsprogramm nochmals rechtfertigen. Es handele sich dabei durchaus um ein orthodoxes Instrument, welches auch die Deutsche Bundesbank bereits zu Zeiten der DM angewandt habe. Seit der Ankündigung des Programms seien die Kosten für viele Staatsanleihen bereits um 25 Basispunkte gefallen. Als Beweis für die Richtigkeit der Maßnahmen führte Draghi die jüngst positiven Wachstumszahlen der europäischen Wirtschaft an, die freilich derzeit auch von niedrigen Ölpreisen und einem günstigen Eurowechselkurs profitieren. Ein kritischer Vergleich der EZB-Maßnahme mit ähnlichen Programmen in den Vereinigten Staaten sei nicht möglich, da dort die Rahmenbedingungen für Unternehmensfinanzierungen anders strukturiert und nicht so bankenabhängig sei wie in Europa. In den Augen von Mario Draghi bewirken die Maßnahmen der EZB direkte Änderungen in den Märkten. Eine Sichtweise, die in den nachfolgenden Beiträgen und Diskussionen noch sehr in Frage gestellt werden sollte.

16. ECB and Its Watchers Konferenz 1. Panel: 
v.l.n.r. Volker Wieland, Jordi Gali, Peter Praet, Otmar Issing
(Quelle: Thomas Seidel)

Zu den Herausforderungen und der Effektivität der aktuellen Niedrigzinspolitik und der Anwendung einer unüblichen Geldmarktpolitik
Der Belgier Peter Praet, derzeit Chefökonom der EZB, beschreibt die besondere Problematik der EZB als einer Zentralbank mit 19 fiskalsouveränen Mitgliedsländern. Diese Konstellation erfordere eine besonders unabhängig handelnde Zentralbank und strenge fiskalische Disziplin der einzelnen Euroländer. Praet gibt zu, es gäbe kein Asset-Ankaufsprogramm ohne Risiken. Die EZB müsse bereit sein, mit allen ihr verfügbaren Instrumenten zu arbeiten.
Einen anderen Blickwinkel nahm Jordi Gali, vom katalanischen Centre de Reverca en Economia International ein. Ein Kernproblem der EU sei das Brachliegen von Ressourcen. Das drücke sich in der Arbeitslosigkeitsrate und dem Preisdruck aus. Trotz aller Zinssenkungen sei die Kreditvergabe an Private in der EU seit 2010 nicht wesentlich angestiegen. Die Zinsen für Kreditnehmer blieben unverändert hoch. Banken würden in Liquidität baden, benötigten diese aber nicht unbedingt.
Volker Wieland, einer der deutschen Wirtschaftsweisen, sieht die Gefahr, dass vor lauter liquiden Mitteln in der EU die Aufgabe der nationalen Budgetkonsolidierung in den Mitgliedsstaaten in den Hintergrund rücke. Bare Geldmittel seien eine Anlageform, die man für Null-Zinskosten erhalte. Das Hauptrisiko des QE sei jedoch eine neue Finanzblase, spätestens wenn die EZB beginne aus diesem Programm wieder auszusteigen.

16. ECB and Its Watchers Konferenz 2. Panel 
v.l.n.r. Casper G. de Vries, Stephan Cecchetti, Erkki Liikanen, Hans-Helmut Kotz
(Quelle: Thomas Seidel)

Geldpolitik im Rahmen der neuen europäischen Finanzaufsichts-Architektur
Die zweite große Herausforderung, neben der Geldpolitik, für die EZB war im vergangenen Jahr die Übernahme der Bankenaufsicht in der EU.
Darüber sprachen in der nächsten Diskussionsgruppe, Erkki Liikanen von der Bank of Finland, Stephen Cecchetti von der Brandeis International Business School und Casper G. de Vries von der Rotterdamer Erasmus Universität, was die Chancen und Spannungen sind Geldpolitik und Bankenaufsicht unter einem Dach zu vereinen.
Beide Aufgaben sollten sich idealerweise gegenseitig unterstützen, wobei die Stabilität eines Finanzsystems zur Stabilität einer Geldpolitik beitragen sollte. Eine allumfassende (macroprudential) Bankenaufsicht kann helfen, Banken bei der Anpassung an die neuen Aufsichtsanforderungen zu unterstützen. Doch es fehle in Europa eine Definition, was eine allumfassende Bankenaufsicht bedeute. Nicht zuletzt wegen der dort klaren rechtlichen Rahmenbedingungen, würden die Finanzmärkte in New York und London mehr blühen. Wachstum könne auch durch Ermutigung von Erfindungsreichtum erzielt werden. Doch das benötige eher risikofreudiges Venture-Kapital als gewöhnliche Bankdarlehen. Banken würden vor dem Hintergrund der aktuellen Aufsichtsanforderungen heute ohnehin dazu neigen, eher Geschäfte mit geringer Kapitalunterlegung einzugehen.
Eine allumfassende Aufsicht sollte auch Versicherungen, Pensionsfonds und den Schattenbankensektor umschließen. Das QE zeige nur Effekte an dem fallenden EURO-Kurs. Diese Politik verleite dazu, Strukturreformen zu vernachlässigen und die Assetpreise in die Höhe zu treiben.

16. ECB and Its Watchers Konferenz 3. Panel
v.l.n.r. André Sapir, Richard Koo, Arminio Fraga Neto, Ewald Nowotny, Michael Binder
(Quelle: Thomas Seidel)

Internationale Herausforderungen für die EZB-Geldpolitik
Ewald Nowotny von der Österreichischen Nationalbank stellt fest, dass immer mehr und mehr Staatsanleihen in den Bereich negativer Zinsen fallen. Doch habe man bis jetzt keine klare Vorstellung von den ganzen Auswirkungen dieses Phänomens. Dazu ist redaktionell anzumerken: Tatsächlich ist noch völlig unklar, wie etwa entstehende Negativzinskosten von den Banken behandelt werden können. Lassen sich diese etwa an Kunden weitergeben? Bleiben die Banken darauf sitzen? Welche Auswirkungen haben Negativzinsen auf die Liquiditätssteuerung bei den Banken? All diese Fragen sind in der Praxis schon deshalb noch ungeklärt, weil es auch nicht unbedingt saubere, buchhalterische Methoden gibt, den einzelnen Geschäftsanteil an der Entstehung, von mit negativen Zinsen belegten, Guthabensalden überhaupt zu ermitteln.
Einen detailreichen Beitrag lieferte Richard Koo vom Nomura Research Institut. Japan habe zwanzig Jahre Erfahrungen mit QE und alle Geldfluten in diesem Zeitraum hätten nichts gebracht. Aus japanischer Sicht sei es frustrierend mit anzusehen, wie der Westen die gleichen Fehler mache. Mit einem waren Feuerwerk von Charts zeigt Koo, dass es trotz aller verfügbaren Gelder kein substantielles Wachstum gäbe. Es braucht vielmehr jemanden der  Geld für tatsächliche Investitionen borgt, sei es vom privaten Sektor oder sei es von einer Regierung. Denn vor allem der Privatsektor, der in Koo's Definition auch die Unternehmen mit einschließt, würde die zusätzlichen Geldmittel nur dazu nutzen, entweder zu sparen oder vorhandene Kredite zurück zu zahlen. Das führe dazu, dass zusätzliche Liquidität nur im Finanzsystem zirkuliere und nicht in die Realwirtschaft fließe, wo allein Wirtschaftswachstum zu generieren sei.

Auszug aus Diagrammen des Vortrags von Richard Koo
(Quelle: Nomura Research Institute, Tokyo)

André Spair von der Freien Universität Brüssel sieht als Folge des QE auch nur einen fallenden EURO-Kurs. Sicherlich könnten davon einige südeuropäische Länder profitieren, doch den Hauptnutzen haben wieder einmal das exportstarke Deutschland.

Redaktionell zum leidigen deutschen Exportüberschuss
Damit landete die Diskussion wieder einmal an dem Punkt der scheinbar enormen deutschen Exportüberschüsse. Doch außerhalb dieses Konferenzberichts ist dazu zu sagen, das der Vorwurf, Deutschland erziele zu Lasten seiner EU Partner dauerhaft enorme Exportüberschüsse einer näheren Betrachtung bedarf. Auswertungen des Statistischen Bundesamts belegen, dass der Überschussanteil Deutschlands im Handel mit den EU-Partnerländern von 92 % in 2008 auf 55 % in 2013 zurück gegangen ist. Diese Tendenz gilt sowohl für die Länder der Eurozone, wie für die Gesamt-EU. Das heißt, der Anteil der deutschen Exportüberschüsse mit Drittländern ist deutlich gestiegen: von 8 % in 2008 auf 45 % in 2013 und trägt damit einen wesentlichen Beitrag zum Gesamt-Außenhandlesüberschuss der EU bei. Im Übrigen darf die Frage gestellt werden, welchen statistischen Sinn es macht, zumindest innerhalb einer Währungsunion, überhaupt noch zwischen nationalem Binnenhandel und Inner-EU-Außenhandel zu unterscheiden.

Entwicklung der Anteile Außenhandel Deutschlands zwischen 2008 bis 2013
(Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden)

Darüber hinaus gilt, ein Außenhandelsüberschuss kann überhaupt nur dann entstehen, wenn die qualitative und quantitative Gesamtnachfrage nach den Produkten eines Landes dessen Importbedürfnisse dauerhaft übersteigt. Nun ist Deutschland bekanntermaßen kein ausgesprochenes Niedriglohnland, aber ein Land mit einer vergleichsweise hohen Produktivität. Dennoch bleiben deutsche Produkte in einer breiten Palette weiterhin weltweit begehrt. Mit anderen Worten und sehr banal ausgedrückt: Wer dauerhaft Exportüberschüsse erzielen will, muss zu global marktfähigen Preisen Güter herstellen, die weltweit nachgefragt werden. Wer das nicht kann, wird in Sachen Außenhandelsüberschuss auf der Strecke bleiben.

Fazit
Jetzt wo die Politik des Quantative Easing und massiver Assetankäufe die aktuellen Maßnahmen der EZB bestimmt, überwiegt in Fachkreisen die Kritik daran. Außer einem sinkenden EURO-Kurs sieht man  zur Zeit keine nützlichen Effekte. Es fehlt sogar die kommunikative Fähigkeit, der EU-Öffentlichkeit die wirtschaftlichen Vorteile eines schwächeren EURO-Kurses zu vermitteln. Dort kursieren nur vage Ängste vor einem Schreckgespenst einer vermeintlich schwachen Währung. Unklar bleibt, warum die massiven Geldmengen nicht zu einem kräftigeren Wirtschaftswachstum führen. Allgemein überwiegt die Skepsis an der Politik der EZB. Dabei hat die Flutung der Banken und Märkte mit Geld  ja gerade erst richtig begonnen.

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