IMF: Aussichten für die Weltwirtschaft sind mit Risiken belastet von Thomas Seidel
links Dr. Jeffrey Franks, rechts Prof. Dr. Uwe Walz (CFS) Quelle: Thomas Seidel |
Nur
wenige Tage nach dem Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF,
engl. IMF „International Monetary Fund“) tingeln dessen Sektionsdirektoren
durch die Welt. Sie erörtern mit ihren Zuhörern, worüber in Washington D.C.
gesprochen wurde. Dazu stellen sie sich auch den Fragen des Publikums. Für
Europa hat dies Dr. Jeffrey Franks, der IMF Direktor für Europa am letzten
Donnerstag im Center for Financial Studies an der Goethe-Universität in
Frankfurt am Main getan.
Selbst
acht Jahre nach der letzten großen Finanzkrise gäbe es immer noch keine
durchgreifende wirtschaftliche Erholung. Insgesamt sei in Europa ein Wachstum
festzustellen, es bleibe aber Schwach. Zu unterschiedlich seien die
Ausgangslagen der Länder in der EURO-Gruppe. Es gäbe einige Länder, die ein
Wachstum noch nicht einmal anstreben könnten. Dennoch seien die Aussichten für
den EURO-Raum insgesamt sogar besser als selbst für die USA. Dort habe sich das
Wachstum in den zurückliegenden Monaten schnell von 2,5 auf 1,6 Prozent
abgeschwächt.
Das House of Finance an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main beherbergt das Center of Financial Studies Quelle: Thomas Seidel |
Was
die sogenannten Emerging-Markets angeht, sieht der IMF durchaus positive
Signale. Für Brasilien und Russland beispielsweise gelte, dass die beiden
Länder die Talsohle ihrer Wirtschaftsentwicklung erreicht hätten. China wird
wohl nicht so hart landen, wie man es befürchtet hat. Die Regierung in Peking
habe früh genug reagiert und einem Negativtrend entgegen gewirkt. Afrika,
Mexiko und viele andere arme Länder allerdings entwickeln sich immer
schlechter. Sie sind vom allgemeinen Trend abgehängt.
Sorgen
bereite dem IMF, dass sich allgemein die Risiken in der ökonomischen
Entwicklung von wirtschaftlichen Fakten zu politischen verlagern. Ob es die
anstehende US-Präsidentenwahl mit dem Kandidaten Donald Trump ist, oder die
Probleme bei der österreichischen Präsidentenwahl sind, politische
Gruppierungen wie die AfD in Deutschland oder um Marie Le Pen in Frankreich,
all das sind weniger gut kalkulierbare weiche Unsicherheitsfaktoren. Jüngst und
bis jetzt begünstige das Wachstum zu wenige Menschen, was letztlich auch zu den
politischen Risiken beitrage.
Was
die Disfunktionen im Finanzsektor beträfe, gäbe es dort zuviele faule Kredite.
Die schleppten vor allem die Banken in Europa wie einen Mühlstein mit sich
herum, was sich weiterhin wachstumshindernd auswirke. Dazu komme: In Europa
benötigten etwa ein Drittel aller Banken dringend neue Geschäftsmodelle, um den
Schwierigkeiten ihrer anhaltenden Ertragsschwäche zu begegnen.
Darüber
hinaus stellten sich weitere Problem dem globalen Wirtschaftswachstum entgegen.
So wäre es dringend notwendig, Menschen zukunftsorientier zu qualifizieren. Schon
jetzt leide unter Qualifikationsmangel die Produktivität. Die fiskalischen
Stellschrauben ließen sich in vielen Ländern auch besser zukunftsgerichtet
einstellen. Es gäbe also an vielen Stellen Möglichkeiten das Wachstum zu
fördern.
In
seinen Stellungnahmen zu Fragen aus dem Publikum erweiterte Franks seine
Aussagen beträchtlich. Es sei richtig, dass die Bemessung wirtschaftlicher
Leistungen durch den sich ausweitenden Dienstleistungssektor schwieriger
geworden sei. Viele Dienste, wie beispielsweise Heimarbeit oder Leistungen von
Freelancern würden nur unzureichend in die Menge der wirtschaftlichen
Dienstleistungen einfließen. Das verfälscht zusehens die Summe eines
Bruttosozialprodukts. Nicht zu unterschätzen sei auch in einigen Ländern, die
dramatisch anwachsende Differenz zwischen der Anzahl der arbeitenden
Bevölkerung und der Personen im Ruhestand. Tatsächlich gibt es Zweifel, ob
mancherort eingegangene Pensionsversprechen noch haltbar seien.
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EZB in Frnakfurt am Main Quelle: Europäische Zentralbank |
Ein
Grund dafür, warum sich US-Banken schneller von Problemkrediten nach der
Finanzkrise erholen konnten sei, dass es in Amerika einen sehr gut
funktionierenden Zweitmarkt für notleidende Darlehen gäbe. Etwas scherzhaft
formulierte Franks, global gesehen sei das Schuldenproblem gleich Null, weil
Jeder Jedem etwas schulde. So sorge sich der IMF auch weniger um die absolute
Höhe des Schuldenstandes, als vielmehr darum mit welcher Geschwindigkeit
Schulden anwachsen würden.
Auf
Nachfragen ging Franks noch einmal auf das Thema Brexit ein. Die negativste
Auswirkung daran sei der Zustand der Unsicherheit für die Wirtschaft. Dieser
Zustand würde aber noch Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte andauern. Es sei
unvollstellbar, das die Regierung von Großbritannien auch nur zwanzig
Handelsabkommen parallel aushandeln könne.
Doch
nicht nur den Briten droht ein schwieriges Zukunftsszenario. Würde global das
Wirtschaftswachstum fallen, gäbe es keine Lösungen für die dann aufbrechenden
Probleme. Diese ratlose Einstellung verrät aber, dass auch der IMF in den uralten
Denkmustern von Bretton-Woods verharrt und es dort keine Denkansätze für eine
neue Ökonomie gibt.
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