Das Scheitern der deutschen Banken am Investmentbanking von Thomas Seidel
Ich war selbst dabei, damals bei der
National Westminster Bank in London, als im Herbst 1986 in London bei
den Investmentbanken die Sektkorken zum Big Bang knallten. Man
feierte die umfangreichste Liberalisierung der britischen
Finanzindustrie. Ein politisches Geschenk der amtierenden
Premierministerin Margaret Thatcher. Von Stund an explodierten die
Bank- und Handelsgeschäfte am Finanzplatz London. Der Handel mit
Finanzinstrumenten wie Optionen, SWAPs, Futures und Termingeschäften
sollte Großbritannien einen kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung
bescheren. Einher ging das, vor allem im Großraum London, mit
kräftig steigende Preisen, besonders im Immobiliensektor. Für Frau
Thatcher jedoch war die Finanzmarktregulierung nicht nur eine
Reaktion auf den steigenden Konkurrenzdruck vom Finanzplatz New York.
Sie hatte mit dem Big Bang vielmehr im Sinn. Ihr ging es um eine
radikale Umstrukturierung der britischen Wirtschaft. Sie wollte weg
von der Abhängigkeit der dreckigen Schwerindustrie. Sie wollte ein
Ende der gewerkschaftlich verseuchten Arbeiterschaft, die imer zur
Rebellion bereit war. Sie wollte hin zu den smarten Anzugträgern der
Londoner City, die lieber fette Boni einstreichen wollten, als in
eine Trade Union einzutreten. Wirtschaftlich stieg man also in
England in eine Art Hochgeschwindigkeitszug, der allerdings auf den
klapprigen Gleisen des 19. Jahrhunderts dahin rasen sollte.
Deutsche Bundesbank in Frankfurt am Main Quelle: Thomas Seidel |
Was da in England abging, nahm man in
Deutschland zu der Zeit erst gar nicht wahr. Geschäfte mit derivaten
Finanzinstrumenten waren seitens der Deutschen Bundesbank schlicht
verboten. Allenfalls ein paar wenige Termingeschäfte zu
Kursabsicherung waren zulässig. Auch das nur in einem sehr
überschaubaren Rahmen. Die Deutsche Bundesbank befand sich damals
auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Mit vielen anderen europäischen
Währungen, übrigens auch mit dem britischen Pfund, war die Deutsche
Mark im Währungskursverbund des ECU (European Currency Unit)
verbunden. Die DM, wen wunderts, hatte in diesem Währungskorb das
bei weitem größte Einzelgewicht. Herr über die Deutsche Mark war
aber die Deutsche Bundesbank. Deren Sorge galt unter anderem vor
allem der Kontrolle der Geldmenge. Diese Geldmengenkontrolle sah man
im Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank durch die geldschöpfenden
Eigenschaften von derivaten Finanzinstrumenten bedroht.
Erst auf erheblichen politischen Druck
hin, sollte es vier Jahre nach dem englischen Big Bang 1990 zu einem
Ersten Finanzmarktförderungsgesetz kommen. Das erleichterte auch
hierzulande den deutschen Banken noch etwas zögerlich das Betreiben
von Handelsgeschäften. Dann dauerte es nochmals fünf Jahre. Mit dem
Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz entstand ein gesetzlicher
Rahmen, auf dessen Basis Investmentbanking nach britischem Vorbild
endgültig legalisiert wurde.
Wie sollten nun deutschen Banken sich
einen Anteil an diesem offenbar so ertragreichen Geschäft sichern
können? Für das Geschäft kamen ohnehin nur die drei privaten
Großbanken Deutsche Bank, Dresdner Bank und die Commerzbank in
Frage. Öffentlich-rechtliche Institute, Sparkassen, Raiffeisen- und
Genossenschaftsbanken hatten im internationalen Geschäft so gut wie
keine Erfahrung.
Der Fall der Deutschen Bank
Die Geschichte der Deutschen Bank im
Investmentbanking scheint tragisch zu sein: Von allen drei Großbanken
ohnehin die größte und am besten mit entsprechenden Finanzmitteln
ausgestattet, kaufte man sich einfach in bestehende Strukturen ein.
Schon 1989 hatte der sehr weitsichtige Vorstandssprecher Alfred
Herrhausen für die Deutsche Bank den Einstieg in das angelsächsische
Investmentbanking gesucht und mit Morgan Greenfell ein Objekt der
Begierde gefunden. Tragischerweise wurde Herrhausen am 30. November
1989 ermordet, just an dem Tag, an dem sich die Deutsche Bank den
Einstieg bei Morgan Greenfell sicherte.
Weil jedoch zunächst der erhoffte
Erfolg ausblieb, warb man 1995 den Branchenstar Edson Mitchell von
Merrill Lynch mit viel Geld ab. Der betrieb sein Geschäft für die
Deutsche Bank von London aus und zwar sehr erfolgreich! Richtig Masse
bekam die Sache bei der Deutschen Bank jedoch erst nach dem Erwerb
der US-amerikanischen Großbank Bankers Trust 1998. Die Deutsche Bank
besaß nun zwei Machtzentren. Für das klassische Geschäft in
Frankfurt, und für das Investmentbanking London. Doch kaum war
Mitchell zum Mitglied des zentralen Vorstands der Deutschen Bank
aufgerückt, verunglückte er völlig unerwartet tödlich bei einem
Flugzeugunfall im Jahr 2000. Dann begann die Ära von Josef Ackermann
in der Deutschen Bank. Der setzte erst einmal ein unglückliche Serie
von misslungenen öffentlichen Auftritten Deutscher Bank Chefs fort.
Hatte sich Hilmar Kopper bei der Pleite
des Baulöwen Schneider mit einer flapsigen Bemerkung über die
„peanuts“ millionenschwerer ausstehender Rechnungen unsterblich
gemacht, brachte dessen Nachfolger Breuer mit Aussagen über die
Kreditwürdigkeit des Filmmagnaten Leo Kirch die Deutsche Bank in
einen jahrelangen Rechtsstreit und letztlich eine Zahlung von
mehreren hundert Millionen Euro. Ackermann, kaum lange im Amt, wurde
in einen Gerichtsprozess verstrickt. Es ging um Merkwürdigkeiten bei
der Abfindung von Mannesmann-Vorständen, im Zuge des Kaufs dieses
Großkonzerns durch die britische Vodafone. Am Ende des Prozess
setzte Ackermann die Reihe von Peinlichkeiten für die Deutsche Bank
fort. Nach einem Freispruch verließ er das Gericht, dabei breit
grinsend und ein unangemessenes Victory-Zeichen in aller
Öffentlichkeit machend. Für immer war seitdem sein Gesicht mit dem
Bild eines skrupel- und resepktlosen Bankers verknüpft. Ackermann
sollte es denn auch nie gelingen, in Deutschland große Sympathien
für sich zu gewinnen.
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Josef Ackermann auf dem World Economic Forum in Davos 2010 Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: World Economic Forum |
Dann versuchte der Schweizer für das
Bankgeschäft neue Maßstäbe zu setzen. Immer wieder schwadronierte
er über Renditen von Bankaktien um die 25 Prozent. Diesem, selbst
unter Fachleuten höchst umstrittenen, Ertragsziel, ordnete Ackermann
quasi die ganze Bank unter. Das immer noch von London aus geführte
Investment-Banking bekam grünes Licht alles zu tun, damit die
Deutsche Bank die gesteckte 25-Prozent-Marke erreichte. Auf dem
Papier gelang dies auch. Einmal in dem Geschäftsbericht für das
Jahr 2008. Heute wissen wir, der Preis für diese Träume war bei
weitem zu hoch. Keine der Spitzenrenditen der Deutschen Bank war
wirklich redlich erzielt worden. Nach der Finanzkrise quollen dann
alle begangenen Sünden der Deutschen Bank an die Oberfläche.
Geschäftspartner, Aufsichtsbehörden und die Justiz verlangen heute
von der Deutschen Bank Entschädigungen deren Gesamtsumme alle bis
dahin erwirtschafteten Gewinne vergessen machen läßt. Die Deutsche
Bank, bald einhundertfünfzig Jahre lang deutsches nationales
Vorzeigeinstitut, muss heute mehr denn je darum bangen, dieses
Jubiläum überhaupt noch erreichen zu können.
Der Fall der Dresdner Bank
Die Dresdner Bank erlitt ein ähnlich
tragisches, aber dennoch anderes Schicksal. Der allmähliche
Untergang der Dresdner Bank wurde in dem Moment besiegelt, als ihr
Vorstandssprecher Jürgen Ponto am 30. Juli 1977 von Mitgliedern der
deutschen Terrororganisation Rote Armeen Fraktion (RAF) ermordet
wurde. Ponto der, recht ungewöhnlich für eine Bank, als Jurist und
Chefsyndikus in den Vorstand kam, hatte gerade damit begonnen dem
lange ramponierten Image der Dresdner Bank wieder zu mehr Glanz zu
verhelfen. Sein Tod stürzte die Bank in eine Phase andauernder
Führungskrisen.
Nach einem Zwischenspiel mit dem
Altersvorstand Helmut Haeusgen berief man den ehemaligen
Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs 1978 zum Vorstandssprecher
der Bank. Der ehemalige FDP-Politiker brachte im Gepäck eine
Steueraffäre mit, die sogenannte Flick-Spenden-Affäre. Die kostete
Friderichs schließlich dann 1985 auch seinen Posten bei der Dresdner
Bank. Auch sonst war die Bank bereits lange sehr innovativ in Sachen
Steuervermeidung unterwegs gewesen. Als erstes deutsches
Kreditinstitut hatte die Dresdner Bank bereits in den 1960er Jahren
in Luxemburg eine Tochtergesellschaft aufgebaut. Ein wesentlicher
Teil deren Geschäftsmodells bestand in der Beratung und Betreuung
vorwiegende deutscher Klienten, bei der Ausnutzung von
luxemburgischen Steuervorteilen. Jahre später sollten diese Modelle
der Bank sehr viel Ärger mit der deutschen Justiz einbringen.
Auf Friderichs folgte Wolfgang Röller.
Auch der geriet ins Zwielicht deutscher Steuerfahnder und trat aus
diesem Grund frühzeitig von seinem Amt zurück. Nicht anders erging
es seinem Nachfolger Jürgen Sarrazin, Vorstandssprecher von 1993 bis
1998. Inzwischen war mit Leonhard Fischer ein besonderer Spieler zur
Dresdner Bank gekommen. Der stieg schnell 1999 im Alter von nur 36
Jahren in das Spitzengremium der Bank auf. Fischer war verantwortlich
für das Investment-Banking im Hause und wollte vor allem bei seinen
„Visionen“ nicht gestört werden.
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ehemaliges Gebäude der Dresdner Bank in Frankfurt Quelle: wikipedia, GNU & CCL-Lizenz, Urheber: dontworry |
Um in das Investment-Banking-Geschäft
einzusteigen, hatte die Dresdner Bank 1995 das britische
Investmentbankhaus Kleinwort-Benson gekauft, mit dem man schon lange
zuvor diverse Geschäfte betrieb. Wie bei der Deutschen Bank entstand
so ein eigenständiges Machtzentrum für das Investment-Banking in
London, zunächst unter der Bezeichnung Dresdner Kleinwort. Um die
Geschäfte noch weiter zu forcieren, fusionierte Fischer Dresdner
Kleinwort 2001 mit der amerikanischen Investmentbank Wasserstein
Perella. Fortan firmierte das Gebilde unter der Bezeichnung Dresdner
Kleinwort Wasserstein. Mit an Bord kam dabei einer der Gründer Bruce
Wasserstein. In der Branche genoss Wasserstein selbst eher den Ruf
eines windigen Investment-Bankers. De facto war für den Dresdner
Bank Vorstand das Treiben ihrer Investmentbank in London nicht mehr
kontrollierbar. Es wurden Handelsleute eingestellt, denen man
üppigste Bonuszahlungen zusicherte, selbst wenn die Bank keinen
nennenswerten Gesamtgewinn erwirtschaftete. Auch die deutschen
Angestellten labten sich an solchen Konditionen. Vierzehn
Monatsgehälter zu zahlen wurde üblich und davon profitieren selbst
heute noch bestimmte Mitarbeiter. Doch die erhofften hohen Erträge
blieben aus. Statt dessen erhöhte sich die Kostenseite, Gelder
versickerten. Das Investmentbankgebilde der Dresdner Bank wurde
toxisch. Die Substanz der Bank geriet in Gefahr. Nach einem nur
zweijährigen Intermezzo des Vorstandssprechers Bernhard Walter, der
in seiner Amtszeit radikal mit den Steueraffären der Bank Schluß
machte, wurde mit Bernd Fahrholz wieder ein ehemaliger Syndikus
Vorstandssprecher der Bank. Fahrholz nahm die gescheiterten Gespräche
seines Vorgängers zu Bildung eines Allfinanzkonzerns mit der Allianz
Versicherung in kleinerem Rahmen ohne die Deutsche Bank wieder auf.
Geschickt gelang es ihm, dass die reiche Allianz Versicherung in
München zum 23. Juli 2001 die Dresdner Bank für 30,7 Milliarden
Euro übernahm. Das ohnehin schon toxische Londoner
Investment-Gebilde der Dresdner Bank hatte eine neue überaus reiche
Melkkuh gefunden.
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Bruce Wasserstein 2006 Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: Lazard Ltd |
Trotzdem man sich von Leonard Fischer
und Bruce Wasserstein schnell getrennt hatte und trotz eines massiven
Personalabbaus, floss von den Muttergesellschaften immer noch
jahrelang substanzielles Kapital wegen unüberschaubarer Risiken und
Personalkosten vor allem am Platz London ab. Nach der Finanzkrise
verlor die Allianz auch schnell die Geduld mit ihrer grünen
Banktochter. Am 31. August 2008 gab die Allianz den Verkauf der
Dresdner Bank an die Commerzbank für nur noch 9,8 Milliarden Euro
bekannt. In gerade einmal sieben Jahren war der Wiederverkaufspreis
der Dresdner Bank um 20, 9 Milliarden Euro gefallen. Der Ausflug der
Allianz ins toxische Investment-Bankgeschäft hat diese Versicherung
insgesamt noch viele Milliarden Euro mehr gekostet.
Der Kauf der Dresdner Bank durch die
Commerzbank, ohne einen fundamentalen Kapitaleinstieg des Staates bei
der Commerzbank, wäre gar nicht möglich gewesen. Vor diesem
Hintergrund bleibt es Spekulation, ob dieses Geschäft nicht im
massiven Interesse der Bundesregierung zustande gekommen war. Die
Allianz Versicherung jedenfalls wollte sich zum Schluß ultimativ vom
Problemfall Dresdner Bank trennen. Es schien, als ob sie Gefahr liefe
selbst ihre Kapitalsubstanz zu verlieren. Die große negative
Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis jedenfalls spricht für
sich. Wegen der gerade heftig tobenden Finanzkrise wollte man sich in
Regierungskreisen vielleicht eine offizielle Insolvenz von
Deutschlands ehemals zweitgrößtem Kreditinstitut nicht einfach so
vorstellen? Jedenfalls sehen die äußeren Anzeichen der Übernahme
der Dresdner Bank durch die Commerzbank eher wie eine politische
Zwangsfusion aus. Das erinnert fatal an ein ähnliches Ereignis in
der Geschichte der Dresdner Bank. Schon einmal nahezu Pleite, wurde
sie 1931 in der Weimarer Republik durch die Regierung Brüning mit
der insolventen Darmstädter und Nationalbank (DaNat-Bank) durch den
Staat zwangsfusioniert. Bei der Rekapitalisierung der Dresdner Bank
durch den Staat wurde dieser zu 75 Prozent neuer Eigentümer der
Dresdner Bank.
Damals war das der Anfang für den
Aufstieg der Dresdner Bank zu einer deutschen Großbank.
Durch die Fusion mit der Commerzbank
ist das einstmals zweitgrößte private Geldinstitut sang und
klanglos unter gegangen. An den Folgekosten von Dresdner Kleinwort
hat die Commerzbank bis heute noch schwer zu tragen.
Der Fall Commerzbank
In der Commerzbank selbst verfolgte man
einen anderer Ansatz ins Investment-Banking Geschäft einzusteigen.
Man wollte nicht mit Zukäufen von angelsächsischen Instituten
beginnen, so wie die Deutsche und die Dresdner Bank das vorgemacht
hatten. Im Übrigen gab es kaum noch geeignete Übernahmekandidaten
und unterm Strich fehlte auch das nötige Kleingeld. Stattdessen
gründete man mit der Tochtergesellschaft Commerz Financial Products
(CFP) eine eigenständige Gesellschaft. Merkwürdigerweise jedoch
zunächst in der für dieses Geschäft ungewöhnlichen Rechtsform
einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG). Aber nicht nur die
Rechtsform war seltsam. Auch Paris als der Firmensitz der CFP passte
nicht ins Bild des internationalen Investment-Bankgeschäfts. Dafür
wären eher London oder New York in Frage gekommen, weniger aber die
Hauptstadt der Franzosen. Vielleicht lag es daran, dass die
Geschäftsleitung der neuen Investment-Tochter überwiegend aus
Franzosen bestand. Tatsächlich wurde das eigentliche Doing der CFP
dann aber auch am Platz London vorgenommen. Wie dem auch sei, da kein
Geschäftspartner mit einer OHG kontrahieren wollte, musste die
Muttergesellschaft für die Geschäfte ihrer Tochter immer eine
Patronatserklärung abgeben, ein Umstand der nicht gerade zu einer
schnellen Geschäftsabwicklung beitrug.
Bereits 1997, im selben Jahr in dem ein
gewisser Mehmet Dalman die Führung des Investment-Banking der
Commerzbank übernahm, wurde das CFP-Gebilde denn auch in die
Muttergesellschaft integriert. Wie in einer Bartholomäusnacht
verschwanden damals alle französischen CPF-Mitarbeiter über ein
Wochenende aus der Bank und die Steuerung des Geschäfts wurde
endgültig nach London verlagert. Damit hatte die Commerzbank im
Ergebnis die selbe Ausgangssituation für das Investment-Banking wie
die anderen beiden deutschen Großbanken. Das Geschäft wurde in
London gemacht, Frankfurt hatte darüber nur wenig Kontrolle.
Vielleicht weil die Commerzbank als letzte deutsche Großbank ins
Investment-Geschäft eingestiegen war, vielleicht weil man das
Geschäft nicht so forciert betrieb wie es Ackermann bei der
Deutschen Bank tat, jedenfalls bekam das Investment-Geschäft bei der
Commerzbank nicht die Gewichtung für Umsatz und Ertrag, wie das bei
den anderen beiden Kreditinstituten der Fall war. Das mag unter dem
Strich einer der Gründe sein, warum die Überlebenschancen der
Commerzbank trotz Finanzkrise recht gut waren. Jedenfalls bis es zu
dem erwähnten Kauf der Dresdner Bank in 2008/2009 kam. Nun musste
die Commerzbank sich mit dem Investment-Banking auseinander setzen.
Nicht aber in dem Sinne das Geschäft erheblich auszuweiten, sondern
im Gegenteil, um es still und leise langsam abzuwickeln. Denn die
Commerzbank übernahm nicht nur die toxischen Bücher von Dresdner
Kleinwort, sie musste auch noch tausende von Mitarbeitern, im
Einzelfall sehr teure, übernehmen, für deren Tätigkeit es
eigentlich keine Geschäftsgrundlage mehr gab. Schnell wurde klar,
dass so manchem Londoner Händler millionenschwere Bonuszahlungen
nicht verweigert werden konnten. Jedenfalls nach englischem Recht
hatte man da keine Chance. Seitdem folgt bei der Commerzbank eine
Restrukturierung auf die andere und ein großer Personalabbau löst
den nächsten ab.
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Commerzbank AG in Hamburg, wo die Bank 1870 gegründet wurde Quelle: wikipedia, gemeinfrei, Urheber: GeorgHH |
Vor diesem Hintergrund muss man auch
die jüngsten Ankündigungen der Commerzbank zu erneuten
Sparmaßnahmen durch einen weiteren massiven Stellenabbau sehen. Im
Grunde genommen ist die Commerzbank immer noch mit vielen tausend
Dresdner-Bank-Stellen überbevölkert. Wenigstens produzierte das
eigene Investment-Banking der Commerzbank weder so enorme
Rechtskosten wie es bei der Deutschen Bank der Fall ist, noch sind
daraus so umfangreiche Geschäftsverluste wie bei der Dresdner-Bank
entstanden. Auch scheint die Toxizität von Dresdner Kleinwort
merklich abgenommen zu haben. Von dieser Seite aus scheint die
Commerzbank die schlimmsten Bedrohungen überstanden zu haben.
Wenn der neue Commerzbank
Vorstandsvorsitzende Martin Zielke jetzt bei seiner Strategie
Commerzbank 4.0 erneut einen Stellenabbau von über 9.000
Mitarbeitern bis zum Jahr 2020 ankündigt, ist das ein weiterer
Nachhall der Überpersonalisierung in Folge des Kaufs der Dresdner
Bank. Bis auch noch die letzten Mitarbeiter der alten Dresdner Bank
das Haus verlassen haben, werden allerdings noch mehr als sechs Jahre
vergehen. Bis dahin wird es weiterhin Animositäten und Reibereien
zwischen unvereinbaren Bankermentalitäten geben. Das behindert den
Aufbau moderner und straffer Prozesse. Für solche
Effektivitätsverluste bleibt der Bank allerdings keine Zeit.
Sie steht, wie alle anderen Banken, vor
neuen enormen Herausforderungen. Da ist die ertragsstörende
Null-Zins-Phase, eine Zentralbankpolitik die vor allem der
staatlichen Defizithaushalte dient und die Funktion der Zentralbank
als Bank der Banken untergräbt. Da sind gewaltige
Eigenkapitalanforderungen, die bei sinkender Erlöslage von mal zu
mal nur noch schwieriger und teuerer erfüllbar sind. Da sind immer
strenger werdende Aufsichtsauflagen, deren Personalintensität das
Betrieben so mancher Geschäftsarten unprofitabel werden läßt.
Schließlich sind da die großen Fragen nach dem Geschäftsmodell der
Zukunft. Niemand kann heute wirklich sagen, wie sich die Innovationen
von wuseligen Fin-Techs und die Geschäftsentwicklung großer
finanzstarker Medien- und Handelsunternehmen wie Google und Amazon
wirklich auf die Finanzindustrie auswirken werden.
Das Gesamtbild
Im Grunde ist die Geschichte des
deutschen Investmentbanking bei den deutschen Großbanken immer
gleich abgelaufen. Nachdem die angelsächsischen Banken zwischen 1986
und 1995 einen neunjährigen Vorsprung in dem Geschäft hatten und
die internationalen Märkte eigentlich schon aufgeteilt waren,
entschloßen sich die deutschen Banken viel zu spät überhaupt in
das Geschäft einzusteigen. Alle haben dabei ein nie gekanntes Maß
von Hybris an den Tag gelegt. Auf einmal betrieb man ein Geschäft
von dem man nichts verstand und das sich in einer völlig anderen
Sprache abwickelte. Das führte zu so skurrilen Situationen wie etwa
bei der Commerzbank, wo nach der Berufung von Mehmet Dalman zum
Vorstandsmitglied in diesem Gremium Englisch gesprochen wurde, aber
beispielsweise der für die Bilanz zuständige Vorstand aber kein
einziges Wort dieser Fremdsprache beherrschte.
Im Geschäftsalltag schimpften die
deutschen Kollegen über die „Scheiß-Engländer“, während man
in London nur über die „fucking-Germans“ herzog. Ein wirklicher
Kulturaustausch zwischen London und Frankfurt fand nicht statt. Da
deutsche Mitarbeiter nur äußerst ungern ihr Heimatland für längere
Zeit verließen, etwa um sich mit fremden Mentalitäten und
Denkweisen vertraut zu machen, hatten die bei weiteren flexibleren
Engländer kein Problem damit, sich für längere Zeit in Deutschland
aufzuhalten und die vermeintlichen Schwächen ihrer Kollegen zu
studieren. Im Gegenteil, hat man als Deutscher einige Zeit im Ausland
verbracht und ordentlich etwas dazu gelernt, galt man bei seiner
Rückkehr eher als „Verräter“ und unzuverlässiger
Ausländerfreund. So geschehen noch in den 1980er Jahren und das
nicht nur in der deutschen Finanzindustrie. Man wurde von seinen
Vorgesetzten sogar offiziell aufgefordert keine fremdländischen
Ideen einzubringen.
In der Zwischenzeit hatten es sich vor
allem die Engländer in den Londoner Bankhäusern mit deutschen
Muttergesellschaften gemütlich gemacht. Man wusste sehr genau, wie
man die ahnungslosen deutschen Kollegen austricksen konnte. Händler
ließen für sich großzügig günstige Verträge schreiben, die,
mangels ausreichender Sprachkenntnisse, kein deutscher Hausjurist in
den Frankfurter Bankzentralen jemals richtig hätte prüfen können.
Das Ergebnis, nach der Übernahme der Dresdner Bank versuchte die
Geschäftsleitung der Commerzbank unangemessene Bonuszahlungen an
britische Mitarbeiter zu verhindern. In allen Fällen scheiterte man
jedoch an der britischen Rechtssprechung.
Der deutsche Dilletantismus im Umgang
mit internationalem Geschäft und Regeln schwappte sogar auf die
Aufsichtsbehörden über. Unvergessen ist eine Äußerung des
ehemaligen Aufsichtsamtsvizepräsidenten Karl-Burkhard Caspari zu
einem bestimmten Wertpapiermeldeproblem (Meldung nach § 10 KWG) bei
einer Tagung zur Einführung der europäischen Wertpapierrichtlinie
MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) um das Jahr 2005.
Dort polterte der Aufsichtsbeamte vor versammelten internationalen
Teilnehmern in etwa, solange man im Ausland keine „§ 10-Meldung“
so sauber hinbekomme wie in Deutschland üblich, werden man in Sachen
MiFID seitens der Aufsicht keinen weiteren Schritt unternehmen. Da
wehte noch ganz der alte Geist des wilhelminischen Kaiserreichs
durch: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“.
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Das Bankenviertel in London 2013 Quelle: wikipedia Flickr, CCL, Urheber: kloniwotski |
Das größte und immer unüberwindbare
Hindernis für die Deutschen im Investmentbanking aber überhaupt
erfolgreich zu sein, ist der elementare Mentalitätsunterschied
zwischen ihnen und den Angelsachsen. Denn dieser wird einem in die
Wiege gelegt und kann nicht einfach erlernt werden. Der Kern des
Investmentbanking ist die innere Bereitschaft sich jederzeit auf ein
Spiel mit ungewissem Ausgang einzulassen, der Wette. Dieses 50:50
Risiko verbindlich einzugehen und bei Verlust die Verantwortung für
die Konsequenzen zu übernehmen, das muss einem Menschen wohl von
kleinauf beigebracht werden. Wetten hat mit Rationalität nichts zu
tun. Es geht vielmehr um einen emotionalen Kick, die ständige Suche
nach einer kurzweiligen Befriedigung, die durchaus eine sexuelle
Komponente hat und schlimmstenfalls süchtig machen kann.
Diese Lebenseinstellung steht im
diametralen Gegensatz zur ordnungs-philosophischen Grundidee des
deutschen Wesens. Wer in einer Gesellschaft aufwächst, die sich
anschickt alle Lebensumstände irgendwie zu regeln und möglichst
jedes denkbare Lebensrisiko abzusichern, dem ist der grundsätzliche
Sinn von persönlich risikobehafteter Entscheidungsfreiheit viel zu
fremd, um entsprecht spontan agieren zu wollen und zu können. Quält
sich der Deutsche bis zur Schlaflosigkeit mit der Abwägung
vermeintlich riskanter Entscheidungen und diskutiert sie bis zur
Erschöpfung aus, besäuft sich ein Engländer lieber in einen
duseligen Schlaf und läßt den nächsten Tag erst einmal auf sich
zukommen.
Die deutschen Banken hätten sich nie
auf das Investment-Banking einlassen sollen. Statt dessen hätten sie
sich besser zum Beispiel auf ihre weltweit einmalig erfolgreichen
Geschäftsmodelle wie etwa die Hypothekenfinanzieurng durch
Pfandbriefe oder der, für die deutschen Wirtschaft so elementar
wichtigen, Mittelstandfinanzierung konzentrieren sollen und die
Finessen für die deutsche Exportwirtschaft weiter ausgebaut. Rechnet
man die Kursverluste, Entschädigungszahlungen, Strafzahlungen,
Anwalts- und Gerichtskosten, die Kosten für ständige
Umstrukturierungen und überflüssige, weil eigentlich unnötige,
technische Infrastrukturen zusammen, so hat das deutsche
Investment-Bank-Abenteuer über die Jahre dutzende Milliarden Euro
mehr an Geld verschwendet, als man im Investment-Banking jemals
verdient hat. Die einzigen die dabei reich geworden sind, waren
diverse Investmentbanker, vor allem Händler, ein Teilvolk jener
berühmter Heuschrecken, die inzwischen längst weiter gezogen sind.
Diese eigentlich Verantwortlichen sind aber bis heute, von
Einzelfällen abgesehen, nie zur Rechenschaft gezogen worden. Was
bleibt ist ein finanzielles Desaster, zu Grunde gewirtschaftete
Banken und die Gewissheit, dass es die nächste Generation nicht
unbedingt besser machen wird.
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