Viel Routine und ein Rätsel -Bericht von der EZB-Pressekonferenz vom 20. Oktober 2016- von Thomas Seidel
EZB-Präsident Mario Draghi (m) auf der Pressekonferenz am 20. Oktober 2016 (Quelle: Thomas Seidel) |
Es klingt so scheinbar gleichermaßen routiniert wie
abgedroschen, wenn der EZB-Rat in seiner regulären Sitzung beschließt, die
Hauptzinssätze unverändert zu lassen. Auch der Zeitraum für die Fortführung des
Ankaufprogramms von 80 Milliarden Euro monatlich bis Ende März 2017 und, wenn
nötig, darüber hinaus, ist nicht wirklich neu oder käme überraschend. Neu
klingt da schon eine Aussage, man habe den Horizont des Ankaufprogramms
überschritten.
Auch hat sich an den Basisdaten für diese Entscheidung nicht
fundamental etwas geändert. Die EZB sieht die europäische Wirtschaft insgesamt
in einer vorhandenen aber schwachen Erholungsphase. Die sei immerhin stark
genug, um sich nicht von der ein oder anderen globalen Unsicherheit in ihrem
Wachstum gleich stören zu lassen. Selbst ein kleiner Keim wachsender Inflation
wird ausgemacht. Diese Inflation sei keineswegs bedrohlich, eher sehnlich
erwünscht, jedoch zu winzig, um von der Null-Zins-Politik abzulassen. Dennoch
überwiegt eine Skepsis hinsichtlich möglicher künftiger Risiken für Europas
Wirtschaft.
Die Ausweitung der Geldmenge, mit 5,1 Prozent auf
Jahresbasis, erscheint der EZB robust. Kredite an Industrie und Konsumenten
würden zunehmen, um die 1,8 bis 1,9 Prozent. Angeblich würden die Banken von
fallenden Kreditkosten für ihre Kunden berichten. Damit sieht sich die EZB in
ihrer Politik bestätigt und signalisiert diese auch in nächster Zeit so fort zu
setzen.
Auf Nachfragen werden jedoch einige Rätsel offenbart. So
denke man bereits darüber nach, was man im Ankaufsprogramm eigentlich überhaupt
noch kaufen könnte, sollten die gewöhnlichen Bonds erst einmal ausgehen. Die
EZB scheint gewillt alles in Geld umzuwandeln, was irgendwie als Wertpapier
gelten kann. Vielleicht sollte der Kunstmarkt einmal damit anfangen
Kunstobjekte zu verbriefen?
Selbstverständlich könne es zu keinem abrupten Stopp beim
Ankaufsprogramm kommen. Wie auch, hat doch kein Wertpapieremittent das Geld,
welches er indirekt von EZB bekommen hat, noch in der Tasche, sondern längst
anderweitig ausgegeben!
Wegen des aktuell rechtlichen Gefetzes über den Atlantik
hinweg, etwa Milliardensteuerforderung der EU gegen Apple versus
Milliardenstrafzahlungen der Deutschen Bank an die USA, sieht Draghi keinerlei
Wirtschaftskrieg. Jede Seite mache sein Ding, was nach den örtlichen Regeln nun
mal gemacht werden müsse.
Doch dann wurde unerwartet eine Frage gestellt, auf die
Mario Draghi offensichtlich nicht vorbereitet war. Ein Journalist behauptete,
die EZB würde bei ihrem Ankaufsprogramm sogar Industrieanleihen von Schweizer
Unternehmen wie etwa Nestle ankaufen. Da stockte der EZB-Präsident erst mal,
denn die Finanzierung von Unternehmen aus der Schweiz wäre nun wirklich nicht
die Aufgabe einer Zentralbank der Europäischen Union, der die Schweiz partout
nicht angehören will. Auch wenn Marion Draghi sich mit seiner Antwort, dadurch
würden Finanzmittel bei den Banken frei, die an anderer Stelle als Kredit
vergeben werden könnten, geschickt
aus der Affäre zu ziehen schien, ein Zweifel bleibt im Raume stehen.
Es gilt zu überprüfen, ob das Ankaufprogramm der
Europäischen Zentralbank vielleicht viel mehr als nur seinen Horizont
überschritten hat.
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