Die Politik muss endlich liefern! -Bericht vom 2. EZB Forum on Banking Supervision- von Thomas Seidel
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Madame Danièle Nouy im Gespräch mit Sve Afhüppe (Quelle: European Central Bank) |
Auch der europäische
Bankenaufsichts-Mechanismus SSM bei der Europäischen Zentralbank,
lädt zu einem jährlichen Forum ein. Man spricht über die
Entwicklung der Bankenaufsicht. Im Mittelpunkt diesmal eine große
Politikschelte. Deutlich wird in den Diskussionsbeitägen auch die
nach wie vor sehr unterschiedliche Aufsichtskultur zwischen Nord- und
Südeuropa. Die eigentliche Herausforderung aber bleibt der extrem
fragmentierte Bankenmarkt in Europa.
Die Tagung, die im neu für den SSM renovierten Hochhaus des alten ehemaligen EZB-Sitzes stattfand, wurde durch eine Grußadresse
von Mario Draghi eingeleitet. Der Präsident der Europäischen
Zentralbank (EZB) sprach von einem Durchbruch bei der
Vereinheitlichung und Harmonisierung der Aufsichtsarbeit in Europa.
Beim Single Supervision Mechanism (SSM) würden zur Zeit etwa 900
Mitarbeiter rund 4.700 Finanzinstitute beaufsichtigen. Dabei spiele
das Ursprungsland, in dem eine Bank residiere, heute keine Rolle
mehr. Die Arbeit der Aufsicht sei konsistenter geworden. Es gäbe ein
Stärkung der Abwehrmöglichkeiten von Finanzschocks. Das gelte auch
für die Beherrschung von den sogenannten Non-Performing-Loans (NPL),
also den Krediten, die von ihren Schuldnern nicht mehr bedient werden
können.
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EZB Präsident Mario Draghi spricht über den SSM (Quelle: European Central Bank) |
Freilich würden viele Banken noch kaum Erträge generieren,
um damit Verluste kompensieren zu können. Man dürfe auch nicht
vergessen, dass die Verbesserung im Bankensektor auch zu einem
Gutteil der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung gedankt werden
müsse. Durch die Aufsichtsarbeit zeige sich bereits, das Institute
mit einer guten Kapitalausstattung einen größeren Anreiz für die
Vergabe von qualitätsvollen Krediten hätten. Draghi sieht keine
Anzeichen dafür, dass die Niedrigzinspolitik der EZB die
Stabilisierung der Bankerträge untergrabe. Dafür spräche auch,
dass die Ausschüttungen mancher Banken an ihre Eigentümer stiegen.
Draghi gibt allerdings zu, dass es auch Banken gäbe, die unter der
gegenwärtigen Geldmarktpolitik leiden. Gerade in diesen Fällen sei
aber eine strenge Aufsicht notwendig.
Gespräch mit der Präsidentin der
europäischen Bankenaufsicht Danièle Nouy
Es war gut, dass im Anschluss an
Draghis Grußworte die Präsidentin der Europäischen Bankaufsicht
Danièle Nouy selber einmal zu Wort kommen konnte. Das wurde in Form
eines Gespräches, oder besser eines Interviews, mit Sven Afhüppe
vom Handelsblatt geführt. Madame Nouy äußerte sich auch zuerst
einmal voll des Lobes für die prächtige Unterstützung der EZB in
der ganz frühen Anfangsphase des SSM. Doch dann wurde durch sie
kräftig ausgeteilt. Wegen der traditionell 19 verschiedenen
Aufsichtspraktiken, die der SSM bei Arbeitsbeginn antraf, musste
zunächst einmal eine eigene „Best-Practice-Methode“ heraus
gearbeitet werden. Es bestünde allerdings immer noch ein
ausgeprägter Verbesserungsbedarf in punkto Harmonisierung und
Konsistenz. Nach wie vor gäbe es zu viele Eingriffsmöglichkeiten
nationaler Gesetzgeber, die die Arbeit des SSM behindere. Viele
europäische Richtlinien seien immer noch nicht durchgehend in
nationales Recht umgesetzt. Das koste ganz nebenbei eine Menge Geld.
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Madame Danièle Nouy schimpft mächtig über die Versäumnisse der Politik (Quelle: European Central Bank) |
Die Widerstandsfähig der europäischen
Banken habe sich insgesamt verbessert. Doch auch hier sei noch sehr
viel zu tun. Das Volumen der NPL sei immer noch viel zu groß und
deren Abbau würde zu lange Zeit in Anspruch nehmen. Ein Ende dieser
Aktion sei noch überhaupt nicht absehbar. Die Aufsicht prüfe die
Pläne der Banken zur Bereinigung der Portfolios von NPL. Dabei
verlange die Aufsicht, dass solche Maßnahmen realistisch und
ambitioniert seien. Vor allem bei mittelgroßen und kleineren Banken
gäbe es hier viel Handlungsbedarf.
Wegen des Brexit hätten inzwischen
etwa 50 Banken Gespräche mit dem SSM geführt. Etwa zwanzig davon
scheinen konkrete Wechselabsichten in Richtung Kontinentaleuropa zu
haben, wenngleich nicht alle bereits ein formales Verfahren
eingeleitet hätten.
Danièle Nouy wünscht sich im
Bankesektor grenzüberschreitende Fusionen. Nur so könne der
europäische Bankensektor langfristig gestärkt werden. Fusionen
könnten auch beim Abbau der NPL helfen.
Die Bemühungen der US-Administration
um eine Deregulierung in der dortigen Finanzbranche seien laut Madame
Nouy vor allem vor dem Hintergrund des sehr komplexen Dodd-Frank-Act
zu sehen. Was die Digitalisierung betrifft, kritisiert Madame Nouy
den Versuch einiger Banken, moderne Anwendungen mit überalterten
Systemen verbinden zu wollen. FinTechs könnten sowohl Partner wie
auch Konkurrenten von Banken sein. Schließlich beklagt Madame Nouy
die Tendenz der Menschen negative Erfahrungen zu vergessen. Sie sieht
nicht unbedingt eine neue Bankergeneration heran wachsen. Es gäbe
zwar Ansätze zu einem Kulturwandel, man sei in der Branche aber noch
weit von einem Ideal entfernt.
Erstes Panel: Europäische
Bankenintegration – Leere Versprechen oder tatsächlicher
Fortschritt?
Gleich zu Beginn machte ein
Diskussionsteilnehmer die wenig charmante Bemerkung, er finde es gut,
wenn der SSM von jemanden geführt wird, dessen letzter Job diese
Aufgabe sei. Das mache die Person mehr unabhängig und angstfrei.
Madame Nouy wird sich sicher geehrt fühlen. Dann schimpften die
Fachleute genauso über die Politik, wie es Madame Nouy zuvor getan
hat. Zum Beispiel gebe es keine Abstimmung zwischen der europäischen
und den nationalen Jurisdiktionen. Die weitere Finanzmarktintegration
würde zur Zeit stocken. Zu oft gäbe es in Europa zwei Kapitäne auf
dem selben Schiff, die auch noch unterschiedliche Vorstellungen
darüber hätten, welchen Kurs der Kahn nehmen soll. Europa habe
bislang nur eine halbe Bankenunion. Ein weiteres Problem sei, dass
Europa zwar eine einheitliche Geldpolitik habe, aber keinen
einheitlichen Geldmarkt. Dem wird entgegen gehalten, dass
Fortschritte bei der Integration abhängig von politischer Stabilität
seien.
Für die Bürger habe bisher keinerlei
Integration im Geldsektor Europas statt gefunden. Tatsächlich kann
man bis heute nicht sei Konto in Land A haben, aber in Land B leben
oder gar in Land C arbeiten. Während man in den USA landesweit die
gleichen Handhabungen und den gleichen Einlagenschutz hat, gibt es
derartiges in Europa überhaupt nicht. Dazu gäbe es noch viel zu
viele nationale Grenzen, keine funktionierenden Zahlungssysteme oder
auch nur rechtlich annähernd gleiche Bedingungen, unter denen
Verbraucher ihre Geschäfte machen können.
Das Haupthindernis für eine
substantielle Integration seien die vielen nationalen Verbindungen
der Banken zu ihren nationalen Regierungen. Man müsse sich fragen,
warum es nationale Banken bislang nicht wagen, innerhalb der EU in
anderen Ländern Geschäfte anzubieten. Das sei für die Banken
schlicht zu riskant, weil sie nicht sicher sein können, wie sie
unter den lokal nationalen Bedingungen ihr Geschäft betreiben können
oder dürfen.
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Die Veranstaltung war bis auf den letzten Platz besucht (Quelle: European Central Bank) |
Im Kreuzfeuer steht vor allem die
deutsche Politik. Es sei erstaunlich, dass seit Jahren die deutschen
Politiker es nicht fertig brächten, ihren Bürger zu erklären, dass
die Euro-Union schon längst eine Transferunion sein. Es gäbe eine
moralische Verpflichtung dies den deutschen Bürgern offen zu legen.
Zeites Panel: Nachhaltige
Geschäftsmodelle für aktuelle Banken
Das zweite Panel sprach dann über
„Nachhaltige Geschäftsmodelle der Banken“. Neben dem für die
Regulierung bei der Deutschen Bundesbank zuständigen
Vorstandsmitglied Dr. Andreas Dombret, nahm als Vertreterin des SSM
dessen Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger an der Diskussion
teil. Auffällig war das lustig beschwingte Gebaren der
Vizepräsidentin, die ihre Wortbeiträge oft lachend und witzig
untermalte und auch ansonsten den anderen Teilnehmern gern ins Wort
fiel. Gleichwohl fand Frau Lautenschläger dabei aber auch ernsthafte
Worte. So gäbe es für Banken nicht das eine Geschäftsmodell,
welches in allen Fällen funktioniere. Die Aufsicht sei auch
keinesfalls der bessere Banker. Die Aufsicht könne nur beobachten.
Das Geschäft der Banken sei es, Risiken aufzunehmen. Die Arbeit der
Aufsicht dagegen sei, dafür zu sorgen, dass das Kapital der Banken
ausreiche, um die eingegangenen Risiken zu tragen. Banken müssten
widerstandsfähig und flexibel genug sein, sich Marktänderungen
anzupassen. IT-Kenntnisse seien ein seltenes Gut, so Sabine
Lautenschläger. Gleichwohl dürfe man als Aufseher nicht zu früh
nach gewissen Technologien fragen. Das könnte dazu führen, dass man
den Markt in eine bestimmte Richtung bringt, die sich später
vielleicht als der falsche Ansatz heraus stellt.
Viele Geschäftsmodelle von Banken
seien nicht nachhaltig, weil sie nicht ausreichend skaliert werden
können, um entsprechende Erträge zu generieren. Die Frage, ob
grenzüberschreitende Zusammenlegungen von Banken eine Voraussetzung
für ein erfolgreiches Geschäftsmodell seien, lasse sich so
allerdings nicht beantworten. Bisher habe sich gezeigt, das sehr
unterschiedliche Banken seit Jahren erfolgreich operieren. Welches
Modell wirklich funktioniert, ist und bleibt eine individuelle
Angelegenheit. Die Regulierung sei nicht nur ein Kostenfaktor. Sie
sorge schließlich auch für eine insgesamt bessere Qualität der
gesamten Bankensystems.
Wichtige sei, dass Banken ihr Kapital
ausreichend bedienen- und sich deshalb am Markt neues Kapital
beschaffen können. Nach wie vor sei der Hauptteil der
Aufsichtsarbeit ein quantitativer Ansatz. Gleichwohl spiele der
qualitative Ansatz eine wichtige Rolle. Hier gehe es um die
Basiseinstellung der Banken, um ihre Kultur unter der sie ihr
Geschäft betreiben. Dazu gehöre auch der Vergleich von Banken, die
ähnliche Geschäftsmodelle fahren. Der SSM habe jetzt die einmalige
Chance sich verschiedene Betrachtungsweisen und Denkansätz anzusehen
und daraus das beste Zutreffende für seine Arbeit abzuleiten.
Kommentar: Es ist von Beginn der
europäischen Bankenaufsicht an zu beobachten, dass die EZB-Spitze
gerne bei allen möglichen Gelegenheiten über den SSM spricht, eher
als das dieser durch seine Spitzenvertreter selber zu Wort kommt. So
stellt man sich aber eine wirksame Trennung der Zuständigkeiten
zwischen Geldmarktpolitik und Bankenaufsicht innerhalb der EZB nicht
vor. Die Kritik an dem politischen Liefermangel scheint berechtigt.
Letztlich erklärt sich aber der politische Stillstand durch das
europäische Superwahljahr in Frankreich, den Niederlanden,
Deutschland und Österreich. Ob es in diesem Jahr noch gelingen wird,
überhaupt eine stabile Regierung in Deutschland auf die Beine zu
stellen, ist nach wie vor fraglich. Solange aber die beiden
wichtigsten Länder Europas nicht normal regiert werden können, darf
niemand auch nur irgendeine politische Bewegung innerhalb Europas
erwarten. Historisch gesehen, muss man es schon als Fortschritt
betrachten, dass die Aufseher sich überhaupt mit Geschäftsmodellen
von Banken beschäftigen. Eine Aufgabe, der sie sich bis zur letzten
Finanzkrise überhaupt nicht gestellt hatten. Frau Lautenschläger
hat völlig recht, wenn sie die Qualität der IT in Frage stellt.
Programmiert wird sehr viel, doch bezeugt jeder Hack und jedes
Datenleck, wie mangelhaft IT-Produkte eigentlich sind, denen die
Menschen immer mehr und mehr Sachverhalte ihrer Lebensbasis
anvertrauen.
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