Deutschland sei der Bremser der europäischen Finanzmarktunion von Thomas Seidel

Peter Praet Chefvolkswirt der EZB
(Quelle: Thomas Seidel)

Auf der inzwischen auch schon 5. Konferenz über Geldmarktpolitik in Frankfurt sollte diesmal die Frage untersucht werden, wieviel föderale Diversifikation kann sich das Euro-System eigentlich leisten? Die Antwort darauf beleibt unbefriedigend. Als Hauptverursacher dieses Zustandes machen die meisten Teilnehmer gerne Deutschland aus.

Einleitend sprach der Chef-Volkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), der Belgier Peter Praet,
über den Ist- und Soll-Zustand. Er bringt dabei weder neue Fakten noch neue Ideen in die Debatte ein. Praet stellt die Wachstumsprognose in der Europäischen Union nicht gerade aussichtsreich da. Das Wachstum würde seit Jahren immer nur nach unten angepasst. Die Wirtschaft müsste deutlich mehr selbsttragend sein. Das überrascht etwas. Schließlich äußert Praet sich damit konträr zu den Formeln, die der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi immer wieder vorträgt. Nach wie vor bestünde dringender Handlungsbedarf für Reformen. Ansätze wie zur Zeit in Frankreich seien zu begrüßen. Dann orakelt Praet aber, dass nicht mehr viel Zeit übrig bleibe, ohne dabei zu sagen auf welches zukünftige Ereignis er sich bezieht. Die Fiskalpolitik sei inzwischen in eine falsche Richtung gegangen. Am schlimmsten empfindet Praet, dass das Gefühl für die Notwendigkeit für Reformen schwinde.

Die Panels lösen die Grundfrage nicht
(Quelle. Thomas Seidel)
Praet zeigt sich mit der aktuellen Geldpolitik nicht zufrieden. Doch sieht die EZB wohl keine Alternative. Im Falle einer neuen Krise vertraue man auf bestimmte Finanzpuffer von Staaten, die die schlimmsten Auswirkungen aufhalten sollen. Mit anderen Worten: Im Krisenfall müssen es wieder und immer noch die Steuerzahler richten.

Die erste Gesprächsrunde beschäftige sich mit der ewigen Frage im Euroraum, ob es Sinn mache Risiken gemeinsam zu tragen, oder einer nationalen Verantwortung zu überlassen. Von Anfang an und bis heute handelt es sich nicht um eine sachliche, sondern ausschließlich politische Debatte. Sie wird seit der Einführung des Euro geführt, weil die deutsche Politik nicht Willens und in der Lage ist, ihren Bürgern zu erklären, dass man eine Gemeinschaftswährung nicht ohne das gemeinschaftliche Tragen der damit verbundenen Risiken haben kann. Die Wahrheit ist, sowie eine Mehrheit von Briten vom Ausstieg aus der Europäischen Union träumen, weil sie fest davon überzeugt sind, dass es ihnen dann besser gehen würde, so träumt eine Mehrheit der Deutschen von den „guten alten Zeiten“ der Deutschen Mark, wo alles angeblich besser gewesen sei als heute. Zwei unterschiedliche Konzepte, aber die gleiche Wahnvorstellung.

Wenigsten gibt es schöne Blumen
(Quelle: Thomas Seidel)
Natürlich zeichnen die Gesprächsteilnehmer eine ganz andere Situation auf. Schon heute könnten Verluste aus den Geldmarktoperationen der EZB unter den Mitgliedstaaten geteilt werden. Natürlich habe die Geldmarktpolitik der EZB dazu geführt, alle Banken in der Euro-Zone mit ziemlich gleichen Konditionen zu bedienen, ohne dabei auf die unterschiedlichen Risikogewichtungen der individuellen Institute zu sehen. Natürlich hat das den Interbankenmarkt untergraben und schwache Banken immer abhängiger vom Tropf der EZB gemacht. So hält man Zombiebanken künstlich am Leben, die in einem normalen Marktumfeld schon längst weggespült worden wären.

Im weiteren Verlauf ging es wieder um eine primär politische Debatte, oberflächlich den Schutz der Kundeneinlagen bei den Banken, vulgo „das Geld der kleinen Leute“. Auch dabei ist die Konstellation: Deutschland gegen den Rest der Euro-Länder. Die politische Polemik hierzulande ist: „Man könne dem deutschen Sparer nicht erklären, warum er für einen möglichen Verlust eines italienischen Einlegers aufkommen solle.“ Einer solchen Einstellung knallt Ignazio Angeloni gleich zu Beginn die Tatsache entgegen, der Einlagenschutz in den USA sei nahezu unbegrenzt, was man so von Europa nicht sagen könne. Mario Nava stößt gleich nach und fragt, warum man es bei allen gemeinsamen Einrichtungen in der Europäischen Union es nicht fertig bringe, die Depositoren als schwächstes Glied in der Kette gemeinsam zu schützen. Statt dessen bleibe Einlagenschutz eine nationale Angelegenheit.

Ignazio Angeloni (ganz links) hört zu und teilt aus
(Quelle: Thomas Seide)
Egal wie sich hier die Diskussion dreht und wendet, solange Deutschland nicht bereit ist, sich dem Thema einer europäischen Einlagensicherung zu stellen, wird es so etwas auch nicht geben. Hierzu aber sagt Angeloni weiter aus, statt einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung sollte erst einmal eine Abwicklungsregelung (für Pleitebanken A.d.R.) kommen, die mit einem ausreichend gefülltem Abwicklungsfonds ausgestattet sei. Jan Pieter Krahnen vom Center for Financial Studies wirbt für den Gedanken eines Bail-In, falls es zu einer Insolvenz bei einer Bank kommen sollte. Das bedeutet, zunächst würden die Aktionäre und die Gläubiger für Verluste einzustehen haben, so wie das bei jedem anderen Unternehmen in jeder anderen Branche ganz normal der Fall ist. Doch bleibt diese These zunächst akademisch.

Ewald Nowotny von der Österreichischen Zentralbank bringt es zum Abschluss auf den Punkt. Die Bankenunion in Europa sei längst auch eine Transferunion. Allein der Mechanismus von Nettozahlern sei bereits ein substantieller Transfer von Haushaltsvolumen in Milliardenhöhe innerhalb der EU. Nowotny weiß, im deutschsprachigen Raum hört man solche klaren Wort nicht gerne. Immerhin gingen seit 2007 die Spreads (Preisaufschläge für Zinsen) von Staatsanleihen in der Eurozone auseinander, was auch eine richtige Entwicklung sei. So würden die unterschiedlichen Wirtschaftsleistungen der einzelnen Volkswirtschaften wider gespiegelt.

Ewald Nowotny zeigt wo es lang geht
(Quelle: Thomas Seidel)



Eine wirkliche Antwort auf die Ausgangsfrage hat die Veranstaltung eigentlich nicht gefunden. Folgt man den meisten Sprechern, wird eine weitere Vertiefung von Banken- und Kapitalmarktunion, von gemeinsamen Einlagenschutz und Risikoaufteilung vor allem oder eigentlich nur von Deutschland blockiert. Einerseits spricht die deutsche Politik immer gerne von noch mehr Europa, andererseits verhindert Deutschland jede tiefer gehenden Gemeinsamkeiten. Zumindest solange, wie die Welt am deutschen Wesen nicht genesen möchte. Es ist zu befürchten, dass diese Konstellation mit der zunehmenden Farbmischung der deutschen politischen Szene nicht besser, sondern eher schlechter wird.

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