Zurück zur Normalität -Ein Bericht vom Frankfurt European Banking Congress- von Thomas Seidel

Die Alte Oper in Frankfurt als Veranstaltungsort.
Es gab mehr Polizisten als Demonstranten
(Quelle: Thomas Seidel)




Eine ganze Woche schon traffen sich Banker aus ganz Europa und tauschen sich zu unterschiedlichen Themen der Finanzbranche aus. Alles stand unter dem Motto: „Zurück zur Normalität“. Am letzten Freitag fand in der Frankfurter Alten Oper die Schlussveranstaltung statt. Eine sehr kleine Gruppe von Protestlern vor dem Versammlungsort macht die Unaufgeregtheit des Themas deutlich. Drinnen mangelte es eher auch an zündenden Ideen.

Europa, so Christian Sewing von der Deutschen Bank in seiner Auftaktrede, spiele mit seiner Zukunft. Die Europäische Union sei, anders als die USA mit ihrem großen Binnenmarkt, immer noch zu fragmentiert. So gäbe es etwa 27 Märkte mit unterschiedlichen Verbraucherschutz-Regeln. Es müsse wieder zu einer europäischen Agenda kommen. Man müsse Alternativen zu amerikanischen und chinesischen Technologieplattformen entwickeln. Gleichzeitig müsse man attraktiv für junge Menschen bleiben, sowohl bei den Gehältern, wie auch bei den Möglichkeiten für eine Entrepreneurship. All das setze jedoch einen größeren einheitlichen europäischen Markt voraus.

Christian Sewing von der Deutschen Bank
(Quelle: Thomas Seidel)
Risikomanagement und Digitalisierung
In einer Paneldiskussion stellt Sewing die eigentliche Kernkompetenz der Banken in den Vordergrund, die Fähigkeit zum Risikomanagement. Diese Fähigkeit sollten die Banken auch ihren Kunden zur Verfügung stellen. Die Bankenindustrie in Europa sei nach wie vor der Katalysator für Wirtschaftswachstum. Sewing spielt damit auf die Dominanz der Banken bei der Industriefinanzierung in Europa an. Sewing verlangt eine neue Mentalität im Finanzgeschäft, sagt aber nicht in welche Richtung sich die jetzige Mentalität ändern sollte.

Das Dauerstatement des Commerzbank-Chefs Martin Zielke ist die Digitalisierung. Er empfindet die Bankenbranche als einerseits überreguliert aber andererseits unterdigitalisiert. Banker müssten heute vielmehr zu Technologen werden. Beispielsweise liege die Cloud-Technik in Europa weit hinter den Verfügbarkeiten wie etwa in den USA zurück. Nebulös erwähnt Zielke, man habe intern im Hause der Commerzbank eine Reihe von guten Ideen. Das hört sich erst mal spannend an. Solange man allerdings dort nicht mit den Ideen herausrückt und versucht Geschäfte damit zu machen, bleiben solche Ideen nicht profitabel. Mangelnde Profitabilität ist bekannterweise eines der Hauptprobleme der selbst ernannten Mittelstandsbank. Es sei nicht damit zu rechnen, so Zielke, dass die EZB wieder zu einer Geldpolitik wie vor der Finanzkrise zurückkehren wird. Damit kann nur gemeint sein, dass es wieder Zinsmargen gibt, mit denen die Banken bequem Geld verdienen könnten ohne wirklich innovativ sein zu müssen.

Substanzlos war der letzte Auftritt von Mario Draghi als Präsident der Europäischen Zentralbank bei dieser jährlichen Veranstaltung. Das hätte er sich auch sparen können. Der europäische Zentralbanktaktgeber hatte nichts Neues zu sagen. Die volkswirtschaftlichen Aussagen zur Gesamtsituation der Wirtschaft sind bekannt. Die Position und die Konditionen der EZB werden sich voraussichtlich nicht ändern.

Kernkompetenz der Banken
Geradezu erfrischend wirken dagegen die Ausführungen von dem, nur äusserlich altbacken wirkenden, Aufsichtsratschef der französischen Banque Nationale de Paris (BNP) Jean Lemierre. So gibt er beispielsweise den Rat, man solle in Europa aufhören von angelsächsischen Pensionsfonds zu träumen. Man habe in Europa ein Lebensversicherungssystem. Dennoch müssten Banken- und Kapitalmarktunion näher zusammen rücken. Ganz im Gegensatz zu den Ansichten von Zielke seien Banken keine Technologieunternehmen. Auch er sieht das Risikomanagement als die Kernkompetenz der Banken und dafür brauche es keine besondere Technik. Banken sollten vielmehr ihr Ohr an den Wünschen ihrer Kunden haben und deren Bedürfnisse erfüllen.

Seit der Finanzkrise sei schon viel erreicht worden, doch nach Lemierre's Einschätzung habe man bislang nur den halben Weg zurück gelegt. Klar sei, dass man neue Strukturen schaffen müsse.
Freilich ist wegen des Brexit noch unklar, wie sich die Märkte neu ausrichten werden. Ein wichtiges noch nicht gelöstes Problem sei die anhaltende Fragmentation der Liquidität. Die Geldpolitik der Zentralbank sei für die produktive Industrie gemacht und nicht für die Banken. Es zeige sich schon, dass wegen der großen Menge von Liquidität die Banken das Gefühl für Risiken verlieren würden.

Mario Draghi Präsident der EZB
(Quelle: Thomas Seidel)
Zukunftstechnologie
In einer zweiten Panelrunde ging es um die Technologie im Finanzsektor. An das Publikum wurde die Frage gerichtet, welchen konkreten Nutzen Kryptowährungen hätten. Wie sich herausstellt bis auf Weiteres eben keinen. Genau das ist der Grund, warum sich Krypotwährungen nicht in der Breite entwickeln. Es gibt für Verbraucher und Unternehmen keinen Mehrwert bei deren Nutzung. Deutlich wird, was der Finanzsektor wirklich braucht, sind standardisierte Prozesse, die die Geschäftsabwicklung effektiv und kostengünstig machen. Was nur wenige wissen, die Standards existieren bereits seit den 1970er Jahren, aber in bald 50 Jahren hat es die Finanzbranche es nicht geschafft diese Möglichkeiten zu nutzen. Heute davon zu träumen, dass künftig Prozesse, wie etwa die sehr kostenintensive Abwicklung von Wertpapiergeschäften, sehr bald mit der Blockchain-Technologie vereinfacht werden könnten, ist für die Branche nicht hilfreich.

Die fünftägige Euro-Finance-Week ist eine Mammutveranstaltung der Finanzbranche, die sich freilich ein neues inhaltliches Konzept überlegen muss. Ihre abnehmende Bedeutung lässt sich hervorragend an der sich reduzierenden Anzahl von Sponsoren ablesen. Zumindest die prominentesten Vertreter der Branche, die traditionell am letzten Tag zu Worte kommen, haben im Grunde schon seit einigen Jahren nicht mehr wirklich etwas neues zu sagen. Das spiegelt die allgemeine politische Lähmung in Europa wider. Deutschland hat ein quälendens Regierungsjahr hinter sich, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Demnächst steht der Brexit an und man hat keine Ahnung wie es ausgehen wird. 2019 wird ein Jahr für viele personelle Wechsel in Europa. Inzwischen kann man auch die ein oder anderen Amts- und sonstigen Entscheidungsträger nicht mehr sehen. Entweder es kommt ein Sturm, der Europa einen neuen frischen Wind zubläst, oder der alte Kontinent erstickt an seinem Muff aus faulenden Kompromissen.




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