Zum Tode von Karl Lagerfeld von Thomas Seidel


Englische Version

Karl Lagerfeld
(Quelle FAZ, Urheber: Helmut Fricke)




Da werden viele Tränen fließen und die Seine wird davon über die Ufer treten. 

Wer einmal Karl Lagerfeld bei der Arbeit beobachten konnte, war zutiefst beeindruckt von seinem guten Geschmack und der Stilsicherheit, mit der er im Minutentakt zu sagen wusste, was zusammenpasst oder eben nicht. Vor allem die Modehäuser Fendi und Chanel haben sich Jahrzehnte lang gerne auf sein Urteil verlassen. Von sich selbst sagte Karl Lagerfeld einmal in einem Interview, er könne eigentlich nur ein bisschen Zeichnen, sonst mache er doch eigentlich nichts! Das war dann doch ein wenig zu sehr untertrieben. 

Zu sagen, Karl Lagerfeld hatte Talent, reicht nicht aus. Man kann nicht ermessen, wie groß und wie tief das Universum war, das Karl Lagerfeld in seinem Kopf hatte. Aber es war sicher in jeder Hinsicht unermesslich. Seine mehrfachen Bibliotheken mit unglaublich vielen Bildbänden lassen allenfalls erahnen, was Lagerfeld alles gesehen hatte und vor allem, was er sich alles vorstellen konnte. Man hat das Gefühl gehabt, alles was Karl Lagerfeld jemals gesehen und erlebt hat, war für ihn eine Inspiration. Vor allem aber hatte er den Blick. Einen Eindruck davon, was er schaute und wie er sah, vermitteln uns seine Fotografien. Und doch werden sie nur einen Bruchteil dessen widergeben können, was er sich in seinem Innersten vorstellte. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass für einen wie Karl Lagerfeld die Welt eigentlich nicht genug war. Manches von dem was er tat, oder besser „inszenierte“, schien jedenfalls nicht von dieser Welt zu sein. Insofern hat Karl Lagerfeld Alles bereichert. Karl Lagerfeld war auch ein geistreicher Gesprächspartner. Wenn er sich seiner deutschen Muttersprache bediente, kam alles was er sagte unverleugbar in seiner schnoddrigen hanseatischen Art rüber. Er plapperte wie ihm die Schnauze gewachsen war. Er nahm kein Blatt vor den Mund und sprach über die Dinge so, wie er sie sah und empfand. Das konnte für die Wissenden witzig, spritzig und unterhaltsam sein. Aber die Unwissenden mussten sich beschämt abwenden. 

Karl Lagerfeld war auch das beste Beispiel dafür, wie bereichert der Geist durch die Beherrschung von Fremdsprachen werden kann. Geistige Grenzen fallen, Welten kommen zusammen. Lagerfeld hat das vorgelebt, wenngleich er seinen Lebensmittelpunkt berufsbedingt natürlich in Frankreich haben musste. Das Wichtigste aber was wir von Karl Lagerfeld lernen müssen ist, ab einem gewissen Niveau gibt es keine Grenzen mehr.

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