Das „Nein“ der EU zur Fusion der Bahntechnik von Siemens und Alsthom ist schlicht dumm! -Ein Kommentar von Thomas Seidel-
Palais Berlaymont Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel (Quelle: wikipedia, CCL, Urheber -User-Zinneke) |
Erwartungsgemäß haben die
Wettbewerbshüter der Europäischen Gemeinschaft die geplante Fusion
der Bahnsparten des deutschen Siemens-Konzern mit dem französischen
Alsthom untersagt. Man sieht in Brüssel, dass in Teilbereichen, vor
allem bei der Signaltechnik, die Gefahr einer übergroßen Marktmacht
bestünde. Schon aus Wettbewerbsgründen ist diese Entscheidung
zweifelhaft. Weil ja jeden Tag tausende von Kunden Signalanlagen für
Bahnstrecken kaufen. Besonders aus Gesamteuropäischer Sicht aber ist
diese Untersagung schlicht dumm!
Jahrzehnte lang haben sich die beiden
Hersteller von Bahntechnik erbitterte Konkurrenzkämpfe vor allem auf
ausländischen Märkten geliefert. Lange schon währt dieser
Systemstreit zwischen den beiden Herstellern. Lange hat es auch
gedauert, sich auf eine Technik zu einigen, die es überhaupt möglich
macht, das der französische TGV auf deutschen Gleisen und der
deutsche ICE auf französischen Gleisen fahren kann. Die gepflegte
nationale Kleinkariertheit auf beiden Seiten der
deutsch-französischen Grenze, hat die Bahnkunden und Steuerzahler
beider Länder schon seit Jahrzehnten Unsummen von Geld gekostet.
„Vive la France“ dort und „Am deutschen Wesen soll die Welt
genesen“ hier sind nach wie vor enorme wirtschaftliche Hindernisse
im Rahmen einer Europäischen Union.
![]() |
ICE 4 der deutschen Siemens AG (Quelle: wikipedia, gemeinfrei, Urheber: Martin Lechler) |
Gerade bei Infrastrukturen muss immer
ein gesamteuropäischer Blick auf jegliche wirtschaftliche Vorhaben
genommen werden. Das gilt besonders für die Hochgeschwindigkeitszüge
der Bahnen, aber nicht nur das. Europa braucht ein
verkehrspolitisches Gesamtkonzept. Vor dem Hintergrund eine
Bahntechnologie, die es erlaubt Züge mit bis zu 300 km/Stunde
schnell fahren zu lassen, ist es geradezu irrsinnig, parallel auch
noch einen Flugbetrieb innerhalb eines Radius von etwa 500 km zu
betreiben. Flüge etwa von Frankfurt nach München, Köln,
Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart und Berlin, gar nicht zu reden von
Orten wie Hannover, Leipzig, oder möglichst noch nach Saarbrücken
und wieder zurück, sind schlicht verkehrs- und umweltpolitischer
Unsinn. Das gilt für alle gleichartigen Strecken innerhalb Europas.
Schon längst hätte man in der EU ein Konzept erarbeiten müssen,
dass es Flugunternehmen schlicht verbietet, Strecken in Europa
anzubieten, die im Radius einer Distanz von 500 km plus/minus 15
Prozent liegen und alternativ von Hochgeschwindigkeitszügen
angefahren werden. Doch statt ihre Hausaufgaben zu machen, pennt die
Europäische Kommission in solchen Sachen, oder entschuldigt sich mit
politischer Undurchsetzbarkeit.
![]() |
TGV Duplex der französischen Alsthom (Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: Sebastian Terfloth User-Sese_Ingolstadt) |
Eine deutsch-französische
Bahntechnik-Fusion war zwar offiziell von einem anderen Motiv
getrieben. Es ging angeblich um die Abwehr möglicher Drittanbieter
von ausserhalb der EU. Aber es hätte auch bedeutet, dass endlich
einmal der Krampf und die unsinnige Konkurrenz angeblich der besseren
technischen Systeme beseitigt worden wäre. Immerhin hätten diese
beiden Anbieter ihre politisch getriebenen Animositäten langsam
überwinden können.
Aber nein, solche Gedanken macht man
sich in der EU-Wettbewerbsbehörde erst gar nicht. Man kommt auch
nicht auf die Idee, diese, aus der Privatwirtschaft angestrebte, Fusion einmal zum Anlass zu nehmen, über die Möglichkeiten eines
technisch einheitlich funktionierenden Bahnnetzes in der EU
nachzudenken. Sicher die Fusion von Siemens und Alsthom allein, hätte
nicht sofort ein neues Hochgeschwindigkeitsnetz gebracht. Solche
Projekte benötigen Jahrzehnte. Aber es wäre dafür eine gute
Ausgangsbasis gewesen. Diese Chance hat die EU-Wettbewerbsbehörde
nun durch ihre Untersagung zu Fall gebracht. Haben die
Wettbewerbshüter in dieser Sache überhaupt nur ein einziges Mal mit
den Verkehrspolitikern und den Industriepolitikern gesprochen? Man
kann vermuten, eher nein!
Europa muss, in vielen, aber besonders den
technischen Belangen gemeinsame Standards setzen. Das ist eine der
Grundvoraussetzung für die aktuell so viel beschworene
Digitalisierung. Nebenbei ist die Standardisierung ein effektives
Mittel gegen unerwünschte Konkurrenz aus Drittstaaten. Die
Entscheidung der europäischen Wettbewerbshüter zementiert einmal
mehr die europäische Kleinkariertheit. Die international so
wichtige Konkurrenzfähigkeit Europas aber verbleibt im wahrsten
Sinne des Wortes auf der (Bahn)Strecke.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen