Beim Zahlungsverkehr der Zukunft hinkt Europa wieder mal hinterher -von Thomas Seidel-
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Zentrale der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main (Quelle: wikipedia, GNU-Lizenz, Urheber Torben) |
Über Zahlungsverkehr zu sprechen, das
scheint auf den ersten Blick ein langweiliges Thema zu sein. Läuft
doch! Eben das ist es, was an diesem Thema das faszinierende ist,
dass es läuft. Zahlungsverkehr funktionierte reibungslos zu
DM-Zeiten, schaffte ebenso reibungslos den Übergang zum €uro und
lässt sich heute sogar in Sekundenschnelle und viele Währungen
hinweg um den ganzen Globus hin praktizieren, nur nicht in
Deutschalnd. Kaum jemand macht sich heute Gedanken darüber, was es
braucht, um eine Infrastruktur aufzubauen und am Leben zu halten, die
es schafft, täglich Millionen von Transaktionen zu bewältigen. Wer
macht sich klar, dass der Zahlungsverkehr die Blutbahn des weltweiten
Wirtschaftsgeschehens ist? Niemanden interessiert sich wirklich
dafür, wie dieses System immer wieder erneuert wird und sich
geschmeidig den technologischen Herausforderungen der Zukunft
anpasst. Es ist still um den Zahlungsverkehr, kaum jemand spricht
darüber, aber jeder benutzt ihn jeden Tag, oft viele Male.
Zentralbanken werden heute gerne als
die großen Geldmarktkontrolleure angesehen, die Kaufkraftbewahrer,
die Liquiditätsbeschaffer. Vielmehr aber sind die Zentralbanken die
Garanten des reibungslosen Zahlungsverkehrs. Jede in ihrem
Zuständigkeitsbereich und doch alle Zusammen. Die Sicherstellung
eines reibungsloses Zahlungsverkehrs ist eine gesetzliche
Hauptaufgabe der Zentralbanken und ebenso supranationaler
Institutionen wie der Europäischen Zentralbank oder auch der Bank
für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.
Man sollte also sehr genau zuhören,
wenn das für Zahlungsverkehr zuständige Vorstandsmitglied der
Deutschen Bundesbank Burkhard Balz in einer Veranstaltung von SAFE an
der Frankfurter Goethe Universität sich eine Stunde lang besonders
über den Zahlungsverkehr der Zukunft in Deutschland und Europa
einläßt. Die Sache hat Dringlichkeit. Balz macht klar, schon in den
nächsten Monaten werde sich entscheiden, ob und wie europäische
Anbieter im Zahlungsverkehr international eine Rolle spielen werden.
Burkhard Balz Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank (Quelle: Thomas Seidel) |
Technologisch stehen beim
Zahlungsverkehr die Zeichen auf Beschleunigung. Die Tendenzen gehen
in Richtung „Echt-Zeit-Prozesse“. Doch dafür seien die
europäischen Systeme nicht wirklich gerüstet. Anbieten würde sich
dafür ein Ausbau von Instant-SEPA. Das würde auch einer
Verbesserung der Liquidität und bei der Kostensenkung dienen. Doch
was ist das für eine Welt, in der man mittels Bareinzahlung etwa bei
Westernunion innerhalb von wenigen Sekunden eine Barauszahlung etwa
in einem asiatischen Land bewerkstelligen kann, während eine
Überweisung vom Konto einer deutschen Privatbank auf ein Konto bei
einer deutschen Sparkasse immer noch drei Tage dauert? (Anmerk. d.
Red.)
Freilich müssten in einem solchen
Systemen auch etwaige Betrugsversuche in Echtzeit aufgedeckt werden
können. Doch trotz SEPA sei man in Europa von einem integriertem
Zahlungsverkehrssystem sehr weit weg. Dazu komme, zwischen Handels-
und Banksystemen gäbe es keine Standardisierung. Diese
Schwierigkeiten müssten allerdings schnell überwunden werden. So
könne man vorhandene nationale System gegenseitig durchgängig
machen. Für einen europäischen Identifikationsansatz wäre ein
gemeinsames Logo hilfreich. Das könne nur dann gelingen, wenn es für
die Verbraucher mit einem hohen Maß von Bequemlichkeit verbunden
wäre.
Gerade das sind Merkmale, die gerne von
den FinTechs angeboten würden. Diese bieten aber oft genug im
Zahlungsverkehr vor allem zeitgemäße Bedienoberflächen auf
digitalen Medien an, während im Hintergrund die herkömmlichen
Systeme der eingesessenen Banken rasseln. Dazu komme die Problematik
einer wirksamen Aufsicht bei diesen Unternehmen.
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Der Vortrag fand an der Frankfurter Goethe Universität statt (Quelle: Thomas Seidel) |
Aus dem Publikum kommen natürlich auch
Fragen zu diversen Fantasien. So will etwa jemand wissen, warum das
Geld nicht gleich ganz durch (Bitcoin)Token ersetzt werde. Oder wann
man denn endlich mit dem breiten Einsatz von Blockchain rechnen
dürfe. Schon Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte sich letztes
Jahr zum Thema Bitcoin eingelassen. Er prägte dafür den bewusst
abwertenden Begriff des „Token“ als einer Art Spielgeld, wie es
in Spielkasinos vorkommt. Mehr sollte dazu auch nicht gesagt werden.
Was die Befürworter der Blockchain betrifft: Wer will schon, dass
irgendein Datensatz, ohne eigenes Zutun und Kontrolle in das eigene
Konto eingreift?
Beim Zahlungsverkehr der Zukunft
geht es um ernsthafte Themen. Einmal mehr zeigt sich Europa in einem
extrem wichtigen Infrastruktur-Thema uneinig, nationalistisch und
kleinkariert! Schlimmer noch, vor Europa müsste man erst mal im
föderalen Deutschland radikal mit lokalen Eigenheiten und
Traditionen aufräumen. Wenn das hier nicht klappt, was darf man dann
beim Zahlungsverkehr ernsthaft von Europa erwarten? An die
lautstarken Gegner des Bargelds und die Befürworter der totalen
öffentlichen Zahlungsverkehrsüberwachung á la Schweden sei an eine
Aussage des ehemaligen Bundesbankvorstandes Karl-Ludwig Thiele auf
dem 4. Bargeldsymposium im Februar 2018 erinnert: „Es
(Bargeld Anmerk. d. Red.) ermögliche jeder gesellschaftlichen Gruppe
Zugang zu Geschäften und entziehe sich der digitalen Kontrolle.
Bargeld
sei geprägte Freiheit und es diene der informellen
Selbstbestimmung.“
Auch die Bewirtschaftung mit Bargeld ist Teil des Zahlungsverkehrs.
Und Bargeld lacht!
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