Wie die Nutzung des öffentlichen Verkehrs in der Praxis scheitert -Ein Erlebnisbericht- von Thomas Seidel
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Gesamtansicht Flughafen Frankfurt Eine Alternative zum Individualverkehr gibt es nicht (Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: McNam) |
Heute war geplant zwei Verwandte am
Flughafen Frankfurt für einen längeren Urlaub zu verabschieden. Statt wie gewohnt mit dem eigenen Auto zu fahren, hat man alternativ nur öffentliche Verkehrsmittel benutzt. Was gut gemeint und gewollt war, entwickelte sich zu einem Abenteuer, das deutlich macht, dass es zum Individualverkehr auf Jahre hinaus keine praktische und akzeptable Alternative geben wird.
Weil die Aufenthaltsdauer am Flughafen unbestimmt war,
voraussichtlich nicht aber unter drei Stunden lag, und man ausser der
persönlichen Anwesenheit keine andere Verpflichtung hatte, entschied
man sich, diesmal nicht mit dem Auto zu fahren, sondern alles mit
öffentlichen Verkehrsmitteln abzuwickeln. Zugegeben, das Hauptmotiv
waren die horrenden Parkgebühren von 4,50 €uro pro angefangene (!) Stunde
am Flughafen. Aber auch sonst könne man ja mal ausprobieren, ganz
praktisch etwas für die Umwelt zu tun. Vom eigenen Autoservice
bekommt man der Mobilität wegen immer ein Tagesticket für den
Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) für 5,60 €uro. Die Kalkulation
ist also einfach: Zwei Personen á 5,60 €uro sind 11,20 €uro
versus 4 Stunden Parkgebühren am Flughafen zu 18,00 €uro.
Startpunkt ist die Innenstadtzone (Zone 50) von Frankfurt. So denkt man
es sich und los geht’s.
Erster Schock am Ticketautomaten des
RMV. Ein Tagesticket Zone 50 inkl. Flughafen soll dort pro Person
18,50 €uro kosten, Gesamt also 37,00 €uro! Wo kommt der
Preisunterschied zu den 5,60 beim Autoservice her? Dieser Tarif ist
am Automaten einfach nicht abrufbar. Um den Schaden zu begrenzen,
entscheidet man sich für eine einfache Fahrt zum Flughafen und muss
immer noch pro Ticket 4,95 €uro also insgesamt 19,80 €uro zahlen.
Das ist mehr als für vier Stunden Parken am Flughafen. Diese Rechnung
ging schon mal nicht auf. Mit solcher nicht transparenten Preispolitik
gewinnt der RMV jedenfalls keine zusätzlichen Kunden.
Der zweite Schock kommt beim Wechsel
von der U-Bahn in die S-Bahn an der Frankfurter Hauptwache (man muss
wissen, es fährt keine städtische U-Bahn-Linie oder Straßenbahn
zum nahe gelegenen Flughafen). Auch als Frankfurter muss man ein
bundeseigenes öffentliches Beförderungsmittel nehmen. Nun denn, man
steigt also in die aus Hanau kommende S-Bahn ein und trifft schon an
der Tür ein Pack von sechs Leuten mit Plastikbierbechern (!) in der
Hand und, wie sich erst beim zweiten Blick herausstellt, vier
5-Liter-Fässern Bier. Das Outfit des Packs verrät deren Reiseziel:
Oktoberfest in München. Dieses Pack wird voraussichtlich 3,3 Liter Bier pro Person gesoffen haben wird, bis es bereits volltrunken in München überhaupt ankommt. Pack was sie nunmal sind, lassen sie beim Ausstieg
an der Station Hauptbahnhof gleich das erste geleerte Bierfass
einfach in der S-Bahn stehen. Durchschnittsalter der Leute Mitte bis
Ende 30. Abgesehen von ihrem unverantwortlichen und widerlichen
Saufverhalten in der Öffentlichkeit, vormittags gegen zehn Uhr, ist ein solches Pack in jeder Hinsicht für die gesamte Gesellschaft völlig inakzeptabel. Von solchen Leute darf man kein vernünftiges und verantwortungsvolles Verhalten erwarten. Dieses Benehmen ist mit "mal etwas Spaß haben wollen" nicht zu rechtfertigen.
Der dritte Schock kommt am Flughafen
selber. Die Verwandten fliegen vom Terminal 2 ab. Bekanntlich hält
die Deutsche Bundesbahn nur am Terminal Eins. Für Fluggäste und
Besucher die mit dem Zug an- und abreisen, hält der
Flughafenbetreiber FAG eine eigene Pendelbahn zwischen den Terminals
bereit, die sogenannte Sky Line. Dort angekommen, zeigt eine
Anzeigetafel die nächste Abfahrt in 70 Sekunden an. Nach drei
Minuten sind es immer noch 70 Sekunden, nach weiteren 2 Minuten weiterhin 70 Sekunden. Jetzt aber erklärt eine Flughafenangestellte, die
Bahn sei defekt. Man müsse leider den Pendelbus vor der Tür der
Abflugebene nehmen. Es stellt sich heraus, der Pendelbus fährt
von der Ankunftsebene (ein Stockwerk tiefer) ab und nicht vor
der Tür, sondern von der dritten Reihe, was einen Spießrutenlauf zwischen den vorbeifahrenden Autos bedeutet. Soviel zur
Umweltfreundlichkeit einer zusätzlichen Busfahrt. Wer aber glaubt, die FAG setzt zur Bewältigung der Massen von nun mit dem Bus zu transportierenden
Passagieren und Besuchern auch nur ein Fahrzeug mehr ein, der irrt. Ob
man nicht genug Fahrzeuge hat oder Fahrer, was folgt ist eine
Katastrophe. Zur Bewältigung setzt man auf eine in Deutschland
entwickelte Methode, so viel Menschen wie möglich in einen mit Abgas
betriebenen geschlossenen Raum zu quetschen. Böse Erinnerung werden
wach!
Eine gut gemeinte Aktion hat sich
unversehens in eine Erfahrung des Grauens verkehrt. In diesen Tagen
haben viele Verkehrsverbunde angekündigt, demnächst kräftig die
Ticketpreise zu erhöhen. Während das Klimakabinett der
Bundesregierung sich bemüht, mal überhaupt etwas für die Umwelt zu
tun, langen die öffentlichen Transportunternehmen unverschämt den
Leuten noch mehr in die Tasche und kündigen Preiserhöhungen an. Kein Politiker, auch nicht Grüne, Linke und
sonstige Besserwisser haben dazu auch nur ein Wort zu sagen.
Das persönliche Verhalten gerade von
Menschen der Generation, die anderen gerne etwas von
Work-Life-Balance erzählt, aber ihren eigenen Saustall noch viel
lieber der öffentlichen Entsorgung überlassen, ist bezeichnend für
die Gleichgültigkeit der Einzelnen gegenüber dem Wohl aller.
Der Flughafen Frankfurt ist inzwischen
dermaßen unorganisiert, dass sich das Unternehmen zu einer Schande
im Vergleich mit anderen Einrichtungen dieser Art in der Welt
entwickelt.
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Fahren
mit dem eigenen PKW ist bei weitem billiger, sicherer und nicht
zuletzt bequemer, als jeder Versuch alternativ öffentliche Einrichtungen zu nehmen. Wenn man dieses eine kleine Beispiel aus
einem Alltag mit den Millionen Ereignissen täglich multipliziert,
versteht man sofort, warum in Deutschland noch auf Generationen
hinaus sich nichts zum Besseren in Sachen Umwelt, Energieverbrauch,
Sauberkeit und einem allgemeinen freundlichen
Miteinander verbessern wird.
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