Arbeitswandel durch Homeoffice wird bei weitem überschätzt von Thomas Seidel

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Traum oder Wirklichkeit der Homeoffice-Arbeit
(Quelle: Google-Bilder Urheber: static.personalwissen.de)


Die Coronakrise hat eine Arbeitsform in den Vordergrund gespült, die gemeinhin unter der Bezeichnung "Homeoffice" bekannt ist. Da überraschenderweise das deutsche Internet unter der stark gestiegenen Ausnutzung auch durch die Arbeit im Homeoffice nicht zusammen gebrochen ist, bejubeln Einige bereits diese neue Revolution in der breiten Arbeitswelt. Freilich ist es mit einer diesbezüglichen Revolution in der Wirklichkeit nicht weit her.

Plakative Zahlen scheinen zunächst überzeugend zu sein. Im Jahr 2019 zählte man in Deutschland  33,7 Millionen Arbeitnehmer im Dienstleistungsgewerbe, denen "nur" 11,5 Millionen Arbeitnehmer aus dem produzierenden Gewerben, dem Bau, sowie Landwirtschaft, Forsten und Fischerei gegenüberstehen. Bei genauem Hinsehen muss man im Dienstleistungssektor allerdings 10,2 Millionen Arbeitnehmer aus den Tätigkeitsbereichen Hotel, Verkehr und Gastgewerbe, sowie 14,3 Millionen Arbeitnehmer des Öffentlichen Dienstes und sonstiger privater Dienstleister abziehen (Quelle: Statista). Verbleiben gerade einmal 9,2 Millionen Arbeitnehmer, wie man sie typischerweise etwa bei Banken und Sparkassen, im Versicherungswesen und bei anderen kaufmännischen Bürotätigkeiten findet. Vor allem in diesen Tätigkeitsbereichen konnten Unternehmen während der Coronakrise relativ schnell Arbeitsprozesse auf "Homeoffice" umstellen. Der Öffentliche Dienst hat noch einen sehr weiten Weg vor sich, Verwaltungsakte komplett in digitalisierter Form darzustellen, wobei dort von den Krankenkassen bis zum Amtsgericht vor allem formaljuristische Hindernisse und eine inzwischen völlig überzogene Datenschutz-Grundverordnung wesentliche Fortschritte noch lange verhindern werden.

Einarbeitung neuer Mitarbeiter
(Quelle: Google Bilder Urheber: www.datenschutz-praxis.de)


Wenn überhaupt über ein denkbares Potenzial für dauerhafte Strukturen im Bereich "Homeoffice" nachgedacht werden kann, dann vor allem eben nur bei den 9,2 Millionen Arbeitnehmern in kaufmännischen Bereichen. Nicht gerade eine berauschende Anzahl von Arbeitnehmern für eine Arbeitsplatzrevolution. Von was während Corona schon alles geträumt wurde, falls Unternehmen "Homeoffice" in der Breite dauerhaft einführen würden:

Da war die Rede von einer Chance für die Verbindung von Familie und Beruf.

In Systemen mit flexiblen Arbeitszeiten und "Homeoffice" von sonstwo her wollten Einige schon die Verwirklichung völlig neuer Lebens- und Arbeitsmodelle erkennen, etwa nach dem Motto, verdiene Dein Geld auf der sonnendurchfluteten Terrasse Deiner Wohnung auf Mallorca.

Wieder andere sahen bereits eine spürbare Entlastung des Berufsverkehrs und sogar einen positiven Beitrag im Thema Luftverschmutzung. Ins gleiche Horn blasen die Leute, welche glauben, dank Videokonferenz werden treibgasintensive Geschäftsflüge bald überflüssig und in Europa käme man ja mit der Bahn sowieso überall genauso schnell hin.

Einige hatten die Hoffnung, mittels "Homeoffice" sinke der Bedarf an Büroimmobilien, was vielleicht zu langfristig fallenden Miet- und Hauspreisen führen könnte.

Ganz Verwegene wollen sogar ein gesetzliches Recht auf "Homeoffice" verankern, möglichst noch gleich mit Verfassungsrang, am besten europaweit oder als Zusatz in der UN-Charta.

Die Wahrheit ist, vielleicht werden in den kommenden Jahren einige zehn- bestenfalls hunderttausend Arbeitsplätze eine optionalen "Homeoffice-Funktion" eingerichtet bekommen. Eine Revolution wird auf keinen Fall stattfinden. 

Volle Konzentrationsfähigkeit ist gefragt
(Quelle: Google Bilder Urheber: www.ibb.com)


Wer sich so sehr für "Homeoffice" begeistert, sollte die Menschen auch immer erst einmal fragen, wie wichtig ihnen die Trennung von Arbeits- und Privatwelt wirklich ist? Wie wenig man seinen Broterwerb immer mit sich herum schleppen möchte? Wie wichtig der Faktor zwischenmenschlicher Kommunikation im Arbeitsalltag ausfällt? Wie viele Menschen sich geradezu vor ihrem Zuhause in die Arbeit flüchten? Wie schlimm bisher "Homeoffice"-Arbeitnehmer von skrupellosen Arbeitgebern heimlich und schleichend ausgebeutet worden sind?
Wie wenig die Gesellschaft insgesamt auf eine solche Veränderung vorbereitet ist?

"Homeoffice" mag in einer auch ansonsten aussergewöhnlichen Krisensituation ein leidlich funktionierendes Vehikel gewesen sein, um wenigsten irgendwie weiter sein Geld verdienen zu können und nicht wie in Amerika gleich den ganzen Job zu verlieren. Aber es ist definitiv kein zukunftsträchtiges Arbeitsmodell auf das man seine berufliche Entwicklung setzen sollte.

Es kann einen aber auch alles fertig machen
(Quelle: Google Bilder Urheber: mages.vogel.de)


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