Da sind's auf einmal Drei -Ein Kommentar zur kommenden Bundestagswahl- von Thomas Seidel


Annalena Baerbock Kanzlerkandidatin der Grünen Partei

(Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: Q wiki CCL_Olaf_Kosinsky_1777)



 Ein historischer Moment in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zum ersten mal stehen dem Wähler bei der kommenden Bundestagswahl drei tatsächliche mögliche Kanzlerkandidaten zur Auswahl. Das eröffnet dem Wähler völlig neue Möglichkeiten. Es ist aber auch zugleich eine Zäsur in der Parteienlandschaft und es erfordert eine andere Umgangskultur der Parteien mit ihren Kanzlerkandidaten.

Über siebzig Jahre lang kannte man in der Bundesrepublik entweder nur einen konsverativen CDU-Kanzler-Kandidaten, oder eben einen Sozialdemokratischen. Nicht mehr und nicht weniger. Die neue Vielfalt mit einer Grünen Kanzlerkandidatin lässt auch auf neue Koalitionen schließen. Wer aber genau hinschaut, erkennt, dass die Wähler in Wirklichkeit keine zukunftsfähigen Alternativen haben. Die Kanzlerkandidaten aller drei Parteien CDU/CSU, SPD und Grüne haben jeder für sich Schwächen aufzuweisen.

Armin Laschet Kanzlerkandidat CDU/CSU
(Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: Olaf Kosinsky

Armin Laschet von der CDU mag vielleicht ein netter Rheinlandkumpel sein, aber schon das Zustandekommen seiner Kandidatur zerreißt die konservative Partei in zwei Flügel. Dabei geht es aber  nicht um eine traditionelle oder progressive Ausrichtung der Partei. Es geht um persönliche Fähigkeiten. Mit der Wahl Laschets, hat sich das konservative Lager selbst geschwächt. Friedrich Merz wird als Bundestagsabgeordneter alles dafür tun, Laschets Kanzlerschaft von innen heraus auszuhöhlen. Mit einem Markus Söder würde ihm das nicht gelingen. Niemand in seiner eigenen Partei traut Laschet die notwendige Führungsstärke für eine erfolgreiche Kanzlerschaft zu und so auch nicht der unbestechliche Wähler.





Olaf Scholz von der SPD ist zwar schon länger Kanzlerkandidat seiner Partei und ist dies auch in einem etwas geschmeidigeren Prozess geworden. Aber die SPD unter ihrem katastrophalen Führungsduo Borjans/Eskens verliert beständig bei der Wählerschaft Anhänger und Stimmen. Dieses vollkommen blasse "Führungstrio minimalis", zusätzlich ergraut durch den blutleeren SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Mützenich, bringt für neue Wählerschaften keinerlei attraktives Thema in den Wahlkampf und riecht geradezu nach modrigem Gewerkschaftsmuff.

Olaf Scholz Kanzlerkandidat der SPD
(Quelle: wikipedia, CCL, SPD in Niedersachsen)

Tatsächlich könnten die Grünen den viel versprochenen neuen "Wumms" in die deutsche Politik bringen, haben sich aber mit Ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auch gleich selbst ein Bein gestellt. Wer glaubt, nach 16 Jahren Angela Merkel wünsche sich eine relative Mehrheit der deutschen Wähler sozusagen vom Schoß der Merkel-Mutti direkt in Annalenas Schoß fallen zu wollen, irrt. Die wesentliche Stimmenmehrheit der Wähler in Deutschland liegt bei den Altersgruppen 50+ und die wählen weder Frau noch jung.


Das aber macht die kommende Wahl so spannend. Weil alle Kandidaten persönliche oder systemische Schwächen haben, bleibt dem Wähler nur das kleinere Übel. Darin sind die deutschen Wähler traditionell durchaus geschickt. Sie verstehen es, im richtigen Moment kleine mögliche Koalitionspartner mit entsprechender Stimmenmacht auszustatten. In den letzten Jahren spielt aber noch ein neuer Faktor für die Wähler eine Rolle. Für viele, welche ihre Kenntnisse vorwiegend aus den sozialen Netzwerken beziehen, kommt es nur darauf an, welche Themen und Personen die Medien in den letzten zehn Tagen vor der Wahl beherrschen. Wer auf dieser Klaviatur zu spielen versteht, könnte sich einen erheblichen Vorteil verschaffen.

Bisher ist es bei den Parteien des deutschen Bundestags so üblich, Kanzlerkandidaten die eine Wahl verloren haben, einfach zu "verbrennen". Das war mit Rainer Barzel so, das war mit Helmut Schmidt so, das wahr mit Gerhard Schröder und Helmut Kohl so. Wie es die Grünen machen würden, wissen wir noch nicht. Vielleicht sollten sich die Parteien künftig einer anderen Umgangskultur mit ihren Kanzlerschafts-Verlieren befleißigen. 

So oder so, eine radikale Revolution wird es im September nicht geben. Je knapper und näher die Wahlergebnisse der Parteien beieinander liegen, desto schwieriger wird es, eine arbeitsfähige Bundesregierung auf die Beine zu stellen. Dann kommt noch die bundesdeutsche Besonderheit der Länderkammer des Bundesrates dazu. Dieses Verfassungsorgan ohne direkte demokratische Legitimation, kann die Politik einer Bundesregierung bis zur Unkenntlichkeit madig machen. Die Folgen sind, nochmals jahrelanger politischer Entscheidungsstillstand. Denn eine verantwortungsbewusste Macherin wie Angela Merkel, wird dann nicht mehr im Kanzleramt sein.

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