Ende eine Ära - Zum Tode von Königin Elisabeth - von Thomas Seidel




Vielen Menschen erscheinen heute Monarchien als etwas antiquiertes, märchenhaftes, bestenfalls ständig unterhaltsames. Welch wichtige verbindende und symbolhafte Funktion für eine Nation Monarchen haben können, ja manchmal sogar haben müssen, wird allgemein gern übersehen. Dies trifft weniger auf die Königreiche von Dänemark, Norwegen und Schweden zu. Das ist aber in jedem Fall bei Spanien so, das ist in Belgien so und vor allem ist es in Großbritannien so. Niemand zu unseren Lebzeiten hat das besser verkörpert als die Königin von England, Schottland und Wales Elisabeth die Zweite.

Wie auch immer ihr in jungen Jahren die Krone auf den Kopf gepurzelt ist, Elisabeth II. hat sie fortan und bis zu ihrem Tode im vollem Bewusstsein ihrer Pflichten und stets mit Würde getragen. Ihr besonderer Zauber mag darin gelegen haben, dass sie sich zumindest in der Öffentlichkeit, durch keine Unbill, durch kein Unglück und auch durch keine Unangemessenheit je hat beugen lassen. Sie war die Königin schlechthin, sie war der Maßstab, das Vorbild und das Symbol für eine ganze Nation und für einige Generationen.

Kaum macht man sich Gedanken darüber, welch hohen Preis sie für diese Aufgabe persönlich in ihrem langen Leben hat entrichten müssen. Ohne die Chance auf ein längeres junges Lebensglück an der Seite ihres allgegenwärtigen Gemahls Philip, mit dem sie über 73 Jahre bis zu dessen Tod im April 2021 verheiratet war, bestieg sie, nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters König George VI., im Alter von nur 26 Jahren den Thron und musste fortan in allererster Linie Königin sein. Diese schwere Aufgabe jeden Tag aufs neue mit Würde zu erfüllen, muss sie ein unvorstellbares Maß an Selbstbeherrschung und eiserner Disziplin gekostet haben. 

Dabei haben es ihr die Zeitabläufe nicht leicht gemacht. Von den Kindern lieferten ihr vor allem die Buben immer wieder herbe Enttäuschungen. Nur ihre Tochter Anne verhält sich ihrem Stand gemäß. Die über einhundertjährige Lebenszeit ihrer Mutter (Queen Mum) Elisabeth Angela Bowes-Lyon trug bis zu deren Tod sicherlich zum Erhalt einer längst vergangenen Vorstellung über monarchische Herrschaft aus dem 19. Jahrhundert bei. So konnte Königin Elisabeth letztlich das Königshaus der Windsors, oder Mountbatten-Windsors, nicht wirklich modernisieren. 

Insgesamt 15 Premierminister hat Königin Elisabeth II. kommen und gehen sehen. Darunter waren anmaßende wie etwa Winston Churchill, der ihre Krönung um ein Jahr verzögerte, gescheiterte wie etwa Clement Attlee (1945-1951), John Major (1990-1997), Gordon Brown (2007-2010), Theresa May (2016-2019) und jüngst, bis zwei Tage vor ihrem Tod, Boris Johnson  (2019-2022); und erfolgreiche wie Margaret Thatcher (1979-1990) und Tony Blair (1997-2007). Wer immer politisch das Land regierte Königin Elisabeth blieb und hielt an ihren Grundüberzeugungen fest. Diese Leistung darf man nicht unterschätzen, denn Großbritannien ist alles andere als ein einig Vaterland.

Es ist schon eine historische Sonderheit. Die beiden Königinnen Elisabeth markieren jeweils den Aufstieg und den Untergang der englischen und später britischen Herrschaft. Nur wenige wissen, dass die politisch immer auf höchste bedrängte Elisabeth I., nachdem die erfolgreichen Piraterien ihrer Günstlinge Sir Walter Raleigh und Sir Francis Drake genug Kapital zusammengebracht haben, sie es war, die die Anfänge des Ostindien-Geschäfts konzessionierte und legitimierte. Daraus entstand einst das Britische Empire, eine Nostalgie von der die Brexitiers noch heute so gerne träumen. Für Elisabeth II. blieb nur, nach und nach und Stück für Stück den Untergang der einstmals britischen Weltherrschaft zu begleiten. In ihrer Epoche schrumpfte Großbritannien wieder zu dem zusammen was es einstmals war,  ein karges Land am äussersten westlichen Rand Europas. Da helfen auch einige Atom-U-Boote und Flugzeugträger nichts. Es war Königin Elisabeths II. besonderes Wirken, ihren Landsleuten diese Wahrheit ein wenig angenehmer zu machen. Sie war die eigentliche Klammer des Vereinigten Königreiches, die Trägerin der Kronen von England und Schottland. Als solche wird sie für immer in Erinnerung bleiben.

Bildnachweis: Königin Elisabeth II.

Quelle: google, merkur.de

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