Auf der Suche nach einer eierlegenden Wollmilchsau -20. Handelsblatt Jahrestagung Banken-Technologie- von Thomas Seidel

20. Handelsblatt Jahrestagung Banken-Technologie im Frankfurter Hilton Hotel (Quelle: euroforum S. Hergenröther)

Die Herausforderungen sind gewaltig. Joachim Nagel, Vorstand der Deutschen Bundesbank, machte in seinem Vortrag klar, was auf die Banken im Sinne regulatorischer Anforderungen zukommt. Um eine einheitliche Aufsicht zu gewährleisten, wird es zu Standardisierungen bei der Bankenaufsicht kommen, die mit einem erheblichen prozessuralen und technischem Aufwand verbunden sind. Dabei wird die Erfüllungen von Vorgaben der Aufsicht künftig in immer kürzeren Zeiträumen zu erledigen sein. Nagel spricht von Erfüllung innerhalb von zwei bis drei Monaten, statt bisher einem Jahr. Dazu kommt die angestrebte Harmonisierung von Risiko- und Compliancedaten. Letztlich aber belohne eine Minimierung des operationellen Risikos den Aufwand in regulatorische Projekte. Insgesamt müssten die Banken deutlich mehr in ihre IT investieren als es bisher. Für Nagel hat die Erfüllung regulatorischer Anforderungen eine höhere Priorität, als die Erfüllung von Kundenwünschen.

Dr. Joachim Nagel Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank (Quelle: euroforum S. Hergenröther)

Doch die Produktentwicklung für die Kunden ist nur eine der anderen großen technischen Baustellen im Bankgewerbe. Hier entsteht der Druck auf die Branche von der Marktseite her. Flinke und findige Dienstleister machen den Banken mit neuen Ideen und Angeboten Konkurrenz. Stichworte wie Pay-Pal oder Apple-Pay sind hier nur einige wenige Beispiele. Der Umgang der Menschen mit ihren Finanzen ändert sich mit der jungen Generation gewaltig. Das sieht Christian Ricken, COO für Private & Business Clients in der Deutschen Bank genau so. Ricken sieht in der Digitalisierung keinen Rückzug der Banken, sondern eine Erweiterung der Kontaktplattform mit dem Kunden. Man müsse von dem Schema weg kommen „... die Bank schlägt dem Kunden etwas vor...“, hin zu einem Ablauf bei dem die Bank auf die Vorgaben von Kunden reagiere. Die Kundenansprache müsste auf der Basis der vorhandenen Kundendaten und innerhalb vom Kunden vorgegebener Parameter getriggert werden. Ricken machte ein praktisches Beispiel. So könne ein Kunde für ein in seinem Depot gehaltenem Zertifikat etwa ein Wertlimit setzen, welches nicht unterschritten werden soll. Passiere das dennoch, würde es automatisch zu einer Kundenansprache führen, um die weitere Vorgehensweise abzustimmen. Das sei keine Zukunftsmusik, sondern existiere als Pilotprojekt in Belgien.

Dr. Christian Ricken COO Private & Business Clients Deutsche Bank (Quelle: euroforum S. Hergenröther)

Wie die Banken dem gleichzeitigen Druck von regulatorischen Anforderungen und den Herausforderungen des digital-mobilen Zeitalters entsprechen können, zeigte Edeltraud Leibrock von der Kreditanstalt für Wiederaufbau auf. Um im Markt am Kunden dran bleiben zu können, müssten die Banken Produkte anbieten bei denen für den Kunden ein Mehrwert entsteht. Dazu sei es notwendig vom Silodenken innerhalb der Banken zu einer operativen Datenschicht-Architektur überzugehen. Voraussetzung dazu sei die Ablösung der veralteten Bestands- und Legacy-Systeme. Eine Herkulesaufgabe, die auch noch im laufenden Betrieb Stück für Stück gelöst werden müsse. Ziel sei es, durchgehend bereichsübergreifende Prozesse anstelle der alten Silostrukturen umzusetzen.

Dr. Edeltraud Leibrock Mitglied des Vorstandes, KfW Bankengruppe (Quelle: euroforum S.Hergenröther)

Alle diese Aufgaben zu stemmen bedeutet allerdings tiefe Eingriffe und kostspielige Investitionen in die IT-Struktur der Banken. Waren die Banken in den 1960er und 1970er Jahren Treiber bei der breiten Einführung von Großrechenanlagen, kamen ab den späten 1980er Jahren die Inselwelten der Client-Server-Architektur (PC-Welten) dazu. Im Laufe der Zeit ist es zu einer unüberschaubaren Gemengelage von Hard- und Software für alle möglichen Anwendungen gekommen, die sich kaum mehr vernünftig überschauen und bedienen lässt. Das Zusammenspiel tausender Schnittstellen ist nicht mehr kontrollierbar. Änderung bei überall notwendigen Kerndaten führen zu immensen Aufwänden. Das hat beispielsweise die Ablösung der alten Kontonummersystematik durch die neue IBAN des SEPA-Zahlungssystems gezeigt. Eine oberflächlich simple Aufgabe entwickelte sich zum Kampf bei dem Weg durch den Dschungel nicht mehr durchschaubarer Schnittstellen und Nebenprogrämmchen.

Einer von fünf Round Table Gesprächen während der Jahrestagung (Quelle: euroforum S. Hergenröther)

Versäumt hat die Branche schon seit Jahrzehnten sich selbst standardisierte Lösungen für technische Anwendungen zu geben. Stattdessen ist in über fünfzig Jahren Computerbetrieb bei den Banken der Ansatz der proprietären Lösungen, also der Eigenentwicklungen, nie aufgegeben worden. Das Kapital, welches im veralteten IT-Dschungel gebunden ist und statt Erträgen nur noch weitere Kosten verursacht, fehlt dringend an anderen Stellen, um sich den rasanten Entwicklungen am Bankenmarkt anpassen zu können.

Eine Paneldiskussion auf der Jahrestagung (Quelle: euroforum S. Hergenröther)


Das alles geht einher mit interessanten Aussagen von Fachleuten am Rande der Jahrestagung. Daraus geht hervor, dass die Banken nach der letzten Finanzkrise ihre Mittel für die IT und die Abwicklungsprozesse drastisch zurück gefahren haben. Anstatt in neue Produkte zu investieren, werden vielerorts die alten Strukturen immer noch gepflegt. So aufgestellt, wird es für manche Bank schwer, sich künftig im Wettbewerb zu behaupten. Banken die wegen zu hoher Kosten keine ausreichenden Erträge mehr dauerhaft erwirtschaften, werden deshalb nach und nach von der Bildfläche verschwinden.

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