Thesen zur radikalen Begrenzung der Bankenmacht von Thomas Seidel

Seit einiger Zeit wird in akademischen Kreisen Europas darüber diskutiert, wie die Macht der Banken und das Risiko, welches sie für ganze Länder und deren Steuerzahler darstellen, wirksam begrenzt werden kann. Zu dieser Diskussion leistete jetzt mit David Shirreff, ein ehemaliger Frankfurt Korrespondent des Economist, als Journalist einen Beitrag.

David Shirreff bei seinem Vortrag im Center for Financial Studies, Frankfurt (Quelle: CFS)


In Shirreffs Augen gibt es, trotz aller politisch groß angekündigten Erklärungen, immer noch zu große Banken die auch nach wie vor zu groß seien, um scheitern zu dürfen. Staaten blieben also erpressbar und Steuerzahler letztlich die Dummen. Shirreff plädiert für eine modifizierte Neuauflage des Glass-Stegall-Act. Jenes Gesetzespaket aus den Jahren 1932 und 1933 ist benannt nach seinen Initiatoren, dem US-Senator Carter Glass und dem US-Kongressabgeordneten Henry B. Steagall. Kern des Gesetzes war die Einführung des sogenannten Trennbanksystems in den USA, als Reaktion auf die Folgen des Börsencrashs von 1929. Man sah eine Verantwortung der Geschäftsbanken für die Einlagen ihrer Kunden und wollte durch die Abtrennung des spekulativen Geschäfts mit Wertpapieren vom Kreditgeschäft mit Kunden Letzteren mehr Sicherheit verschaffen. Im Zuge fortschreitender Deregulierungen des Bankensystems am Ende des 20. Jahrhunderts, wurde 1999 der Glass-Steagall-Act unter der Regierung von Bill Clinton schließlich vollständig aufgehoben.

Bill Clinton 42. Präsident der Vereinigten Staaten von 1993 - 2001 (Quelle: Kate Wellington)

Im Nachklang der jüngsten Finanzkrise wurde die Aufhebung des Trennbanksystems gerne als eine der Hauptursachen für die, im Grund immer noch andauernde, Krise heran gezogen. Jetzt also soll als eines der Krisenheilmittel wieder eine Trennung der Geschäftsarten bei den Universalbanken eingeführt werden. Die Ziele dabei sind:

1.     Schaffung von Retailbanken, die sich ausschließlich auf das Geschäft mit Kleinkunden konzentrieren. Shirreff sagt dabei nicht, wie sich solche Banken aufstellen sollen, um allen Kundenwünschen zu entsprechen. Unklar ist auch, wie Retailbanken einen Geschäftsbetrieb überhaupt einigermaßen risikodeckend und profitabel aufrecht erhalten sollen. Ohne massive staatliche Protektion wäre eine Vielzahl solcher geschäftsbeschränkter Winzigbanken kaum vorstellbar.
2.     Gründung von Wholesale Banken, die als kommerzielle Banken das Geschäft mit gewerblichen Kunden der Nichtbankenindustrie betreiben sollen. Dabei stellt sich Shirreff für diese Banken ein Anlehnung an das System der deutschen Landesbanken vor. Für den angelsächsischen Raum eine kaum vorstellbare Lösung. Shirreff vergisst, dass die Träger von Landesbanken Sparkassenverbände und Länder sind. Mithin ist die Trägerschaft direkt oder indirekt öffentlich. Der Geschäftszweck von Landesbanken war und ist aber die Zurverfügungstellung von übergeordneten Dienstleistungen für den jeweiligen Sparkassenverbund. Die Finanzierung von Handel und Gewerbe stand dabei nie im Vordergrund. Eher schon die Finanzierung meist fragwürdiger politischer Prestigeobjekte, mit denen die Landesbanken regelmäßig baden gingen und erst recht wiederholt vom Steuerzahler gerettet werden mussten.
3.     Investmentbanken, die dann eigentlich wie Hedge-Fonds agieren könnten. Denen sollte dann aber untersagt sein, sich bei den anderen Banktypen zu finanzieren oder überhaupt sich Geld leihen zu dürfen. Die Idee dahinter ist also, dass Investmentbanken künftig nur noch das Geld ihrer Kunden verzocken können, aber auch nicht mehr. Im Sinne der Risikominimierung oberflächlich ein reizvoller Gedanke, welcher aber zur Totgeburt solcher Finanzinstitute führen würde. Der ganze Zauber von Hedge-Fonds kommt ja nur durch die Hebelwirkung mittels Fremdfinanzierungen zustande. Dürften Hedge-Fonds keine Fremdmittel mehr leihen, wären sie auch nicht in der Lage überhaupt außerordentliche Renditen zu erwirtschaften. Mithin wären sie also unter solchen Bedingungen schlicht überflüssig.

Senator Carter Glass und Kongressabgeordneter Henry B. Steagall um 1933 (Quelle: wikipedia)

Weiterhin beklagt Shirreff die Bonuskultur in den Banken. Deren Ursache sieht er in einem Wettbewerb der Banken untereinander, um die besten Mitarbeiter. Das gilt aber nur für die Händler und Verkaufsleute im Front-Office-Bereich. Weder bei der Abwicklung von Geschäften, noch bei den Abteilungen die sich mit der Risikoüberwachung zu beschäftigen haben, ist jemals ein ähnlicher gearteter Wettbewerb, um das beste Personal festzustellen gewesen. Shirreff stellt sich dagegen eine Deckelung selbst bei den Gehältern des Top-Managements auf etwa 250.000,00 Euro im Jahr vor. Solcherhand strukturierte Gehälter, aber nicht in diesen Größenordnungen, kennt man insbesondere vom öffentlichen Dienst. Vor dem Hintergrund eines andauernden globalen Wettbewerbs im Finanzsektor, dürften sich solch restriktiven Maßnahmen eigentlichen nur im Rahmen einer Totalverstaatlichung des Bankenwesens durchsetzen lassen.

Anti-Austerity Demonstration in Dublin November 2012 (Quelle: William Murphy)

Die von Shirreff und anderen Befürwortern skizzierten Modelle, härteste Konsequenzen aus der Bankenkrise zu ziehen, lassen weitere Ursachen vermissen. Die Wiedereinführung eines Trennbanksystems und die Beschränkung von Managementgehältern, treffen nur peripher das Problem, Banken auf Dauer vom Eingehen fragwürdiger Risiken abzuhalten.

Versagen der Transparenzmodelle

Dazu kommt ein andere, gerne als eine Art Allheilmittel gepriesene, Maßnahme, wenn irgendetwas in der öffentlichen Wahrnehmung schief zu laufen scheint. Die Rede ist von einem Mittel, das aber in seiner Anwendung völlig falsch verstandenen wird, ein aus dem Ruder gelaufener Schutz von Gläubigern, Investoren, Kapitaleignern und Kunden von Banken. Es geht um den Begriff der Transparenz. Über einen langen Zeitraum ist eine Denkkultur entstanden, die das Mittel der Transparenz als Allheilmittel für alle möglichen Wirtschaftsprobleme betrachtet. Und das beileibe nicht nur in der Finanzwirtschaft. Betroffen sind inzwischen das Gesundheitswesen, der Lebensmittelsektor (übrigens weltweit wirtschaftlich viel größer als alle Finanzinstitute zusammen), ganz allgemein was man unter Verbraucherschutz versteht und auch der andere große Bereich der Finanzwirtschaft, das Versicherungswesen. Jüngst hinzu gesellen sich die Unsicherheiten über den Umgang mit Daten im Internet und die unspezifisch empfundene Bedrohung durch allgemeine staatliche Überwachung. Bei jeder erdenklichen Gelegenheit wird daher die Notwendigkeit von mehr Transparenz, besonders gerne von Politikern, als dringende Abwehrmaßnahme ins Feld geführt. Das passiert inzwischen derart vehement, dass jegliche Kritik an möglichen Fehlentwicklungen von Transparenzmaßnahmen, von den immer anonymen Gralshütern der „political correctnes“, als schwerster Verrat an den Interessen von Bürgern und Konsumenten betrachtet wird. Kritiker werden entsprechend gerne mit den Mitteln der modernen Netzwerkkommunikation gnadenlos nieder gemacht. Dabei ist die Transparenz inzwischen bereits so transparent, dass der angeblich durch sie geschützte Bürger gar nichts mehr sieht, es sei denn, der Einzelne stellt sich dem Zeitaufwand zur Analyse der Unmengen von Transparenzdaten, die heute überall erhältlich sind.

Demonstration für mehr Transparenz bei ACTA (Quelle: kurrija)

Konzentriert auf das Finanzwesen begann die Entwicklung von Transparenz im modernen Sinn in den USA. Zum Schutz von Investoren und Gläubigern verlangte die dortige Wertpapieraufsichtsbehörde Security Exchange Commission (SEC) in immer kürzeren Zeitabständen  immer weiter gehende Detailberichterstattungen von Unternehmen, wenn sie sich Kapital über die Börse beschaffen wollen. Das gilt natürlich erst recht auch für alle aktiennotierten Banken. Seit 1975 mussten dann zusätzlich börsenkapitalisierte Unternehmen sich von mindestens zwei der drei anerkannten Ratingagenturen bewerten lassen. Fatalerweise hatten von Anfang an die zu bewertenden Unternehmen die Kosten für diese Bewertung zu tragen. Das führte zu einem bis heute nicht gelösten Interessenkonflikt bei den Ratingagenturen. Berichtspflichtig war man in Zeiträumen von nur drei Monaten. So entstand der Keim einer extrem kurzsichtigen und allein am Profit orientierten Transparenzkultur über die Unternehmenszahlen.

Sinnspruch über die Ratingagentur Moody's (Quelle: Kevin Krejci)

Als schließlich europäische Unternehmen damit begannen, verstärkt Kapital auf dem US-Markt aufnehmen zu wollen, stießen sie zunächst auf die Hürde völlig unterschiedlicher Bilanzmethoden zwischen der Rechnungslegungssystematik in beiden Kontinenten. Begierig nahm sich die Wirtschaftsprüfergilde dieser Problematik an und schuf mit dem International Reporting System (IRS) ein, durch kein Gesetz wirklich legitimiertes, Regelwerk zur Bewertung und Bilanzierung von Geschäftsvorgängen. Pech für Nichtfachleute an diesem Regelwerk ist, dass durch die konsequente Bewertung von Anlagen zu einem aktuellen Marktwert, die Bilanzen und Profite starken Schwankungen ausgesetzt sind. Dadurch kann sich der Laie noch weniger einen sinnvollen Eindruck der Entwicklung eines Unternehmens machen, als zu Zeiten der Rechnungslegung nach altem europäischem Handelsrecht. Vor allem die durch IRS aufgelösten stillen Reserven, die insbesondere den Banken immer als wichtiger Puffer für mögliche Verluste gedient haben, können so ihre bilanzschonende Wirkung nicht mehr entfalten. Hier hat das Streben nach mehr Transparenz sich eindeutig als Schuss nach hinten erwiesen. So hat sich die an das Publikum gerichtete Transparenz auch nicht als wirkungsvolles Schutzinstrument gegen Finanzrisiken erwiesen.

Marinus van Reymerswaele Der Bankier und seine Frau ca. 1533 (Quelle: flickr)

Managementkontrolle als Kern der Bankenaufsicht

Keine der bisherigen Vorschläge bringen allein oder gebündelt einen entscheidenden Durchbruch bei der Bankenkontrolle. Banken können allein durch institutionelle Anpassungen vor künftigen Krisenszenarien nicht abgeschottet werden. Was zu einer wirklich wirksamen Kontrolle des Geschäftsgebarens von Banken fehlt, ist die andauernde Überprüfung der Qualifikation des Bankmanagements. Diese Maßnahme wird von keinem Kritiker und schon gar nicht von irgendeinem Politiker in Betracht gezogen. Dabei muss man zwingend davon ausgehen, dass eine nicht ausreichende Qualifikation zur Führung einer Bank eine der Hauptursachen für die auch immer noch andauernde Finanzmisere ist. Wobei sich in diesem Zusammenhang der Begriff der Qualifikation natürlich nicht allein auf finanzwirtschaftliche Fachkompetenz beziehen lässt. Für ein Topmanagement von Banken, die zum Teil Bilanzsummen verantworten die größer als die Staatshaushalte oder gar das Bruttosozialprodukt ganzer Länder sind, muss man neben der Fachkompetenz mindestens genauso wichtig eine ethische, moralische, gesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Kompetenz verlangen. Dafür freilich hat die Politik nie eine Richtlinie oder Vorgabe, schon gar nicht ein Gesetz oder wenigstens eine Orientierung gegeben. Zwar können in einigen Ländern Aufsichtsbehörden dem Management einer Bank die Geschäftsleitung entziehen. Aber wenn das geschieht ist ein Schaden meistens bereits angerichtet. Begründet wird der Mangel an effektiver öffentlicher Qualitätsüberwachung des Bankmangements, gerne mit der Verantwortung von Aufsichtsgremien, den formalen Beschlussmöglichkeiten der Kapitalversammlung und, ganz allgemein, mit dem Nichtvorhandensein von Maßstäben an denen man sich orientieren könnte. So wird das Topmanagement einer Bank getrieben von einer Profiterwartung der Kapitalgeber, teilweise völlig kontraproduktiven Transparenzanforderung seitens Börsen, Behörden und der Öffentlichkeit und der eignen Gier auf irgendwelchen Ranglisten am besten unter den ersten Zehn der Welt zu stehen.

Bank Regulation (Quelle: Geydion M. Williams)


Trotz aller Berichte und Kontrollen bleiben die Regulatoren aber immer noch blind, um zu wissen was in den Banken wirklich vorgeht. Allerdings hätte die Bankenaufsicht durchaus die Möglichkeiten sich frühzeitig Einblicke in das tatsächliche Geschehen bei den Banken zu verschaffen. Würden die Banken verpflichtet, an die Aufsicht von jeder Vorstandssitzung und jeder Aufsichtsratssitzung die Protokolle weiterzuleiten, hätten die Regulatoren stichhaltige Ansatzpunkte, um sich ein Bild vom gegenwärtigen und zukünftigen Geschehen in einem Finanzinstitut zu machen. Auf dieser Basis ließe sich in ständigen Gesprächen mit den Geschäftsführern das Bild vom Geschäftsgeschehen verfeinern. Eine Bankenaufsicht würde in die Lage versetzt, frühzeitig gegebenenfalls sich abzeichnenden Fehlentwicklungen entgegen zu wirken. Eine solche Vorgehensweise, für die natürlich zunächst eine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen werden müsste, brächte eine Bankenaufsicht aber in eine Mitverantwortung für das Geschehen in einer Bank. Leider ist zu vermuten, dass es dafür an beidem fehlt: dem politischen Willen die volkswirtschaftlich so relevanten Banken einer wirksamen Kontrolle zu unterwerfen; und dem Mut staatlicher Aufseher auch für ihr Tun im schlimmsten Fall wirklich einmal gerade stehen zu müssen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Die Herrschaft der Minderheiten - Ein Essay von Thomas Seidel-

Erneute Verschleierung durch die SPD: Das Ende der Fallpauschale im deutschen Gesundheitswesen -von Thomas Seidel-

Südlich der Alpen* - Ein Reisebericht - von Thomas Seidel