Tanz um das Goldene Renditekalb -Wie der Traum der Banker von 25 Prozent Rendite zerrinnt- von Thomas Seidel

Vor einigen Jahren träumten verschiedene Bankmanager öffentlich von Eigenkapitalrenditen bei Banken um die 25 Prozent, zumindest vor Steuern. Der Zirkus um diese scheinbar so magische Zahl mutete manchmal an, wie ein Tanz um das Goldene Kalb. Neben schweizerischen Kreditinstituten wie der Credit Suisse, propagierte in Deutschland vor allem der damalige Chef der Deutschen Bank, der schweizstämmige Josef Ackermann, diese  Zahl und machte sie zum Hauptmaßstab für eine global erfolgreiche Bank. Schon damals wurde dieses Renditeziel unter Fachleuten heftig kritisiert. Um es erreichen zu können, befürchtete man, Bankmanager würden Risiken eingehen und Methoden anwenden, die noch kurz zuvor mit zur anhaltenden Bankenkrise geführt hätten und letztlich den Steuerzahler teuer zu stehen kommen würden.

Nicolas Poussin
Der Tanz um das Goldene Kalb
(Quelle: wikipedia gemeinfrei)

Dennoch strebten Banker solche Renditeziele weiter an. Sie sahen sich getrieben von der Erwartungshaltung anonymer Märkte und deren Haupttrendsettern, den so genannten Analysten. Ganz so wie Sportreporter öffentlich von Sportlern immer höhere, immer schnellere und immer weitere Rekorde abverlangen, so zeigen sich Analysten sofort enttäuscht, wenn ein Unternehmen eine einmal erreichte Renditen nicht mehr toppen kann. Dahinter stecken durchaus mächtige Interessen, etwa von Mehrheitsaktionären wie zum Beispiel Hedge-Fonds und anderen professionellen Anlegern. Aber auch der private Geldanleger erwartet von seinen Investitionen auskömmliche Renditen. So schüren alle Aktionäre die Hatz nach immer neuen Profitrekorden.

Josef Ackermann
vormals CEO Deutsche Bank
Quelle: wikipedia GNU-Lizenz:
Ralf Roletscheck www.fahrradmonteur.de
Im speziellen Fall von Kreditinstituten macht das Ansinnen einer deutlich mehr als zweistelligen Rendite wenig Sinn. Banken sind keine Unternehmen wie jedes andere. Vor den großen Finanzmarktreformen galten gerade die Aktien von Banken an den Börsen als eher solide, aber was die Rendite anbelangte auch eher als langweilig. Es ist auch nicht der erste Zweck einer Bank, besonders hohe Renditen für seine Investoren zu erwirtschaften. Banken, deren volkswirtschaftliche Kernaufgabe die mit allerlei Risiken behaftete Finanzierung der so genannten Realwirtschaft ist, sollen mit ihren Erträgen, neben den reinen Betriebskosten,  vor allem die Kosten der Risikovorsorge und der notwendigen Abschreibungen auf ihre Anlagen erwirtschaften. Eine fette Rendite für Bankaktionäre tritt da eher in den Hintergrund.

Worin also unterscheiden sich Banken nun von den Industrien der Realwirtschaft? Wer ein Unternehmen gründet, etwa um Maschinen herzustellen oder vielleicht Urlaubsreisen anzubieten, muss in der Regel zunächst viel Eigenkapital aufbringen. Entweder zu einhundert Prozent, bei Fremdfinanzierungen deutlich über 40 bis 60 oder mehr Prozent, je nach dem, wie risikobehaftet der Fremdfinanzierer das Geschäftsmodell einschätzt. Solch profunder Eigenkapitaleinsatz macht umgekehrt kräftige Renditen notwendig, um für die Kapitalgeber überhaupt einmal eine interessante Geldanlage zu sein. 

Porsche Zentrale Stuttgart
Quelle: wikipedia CCL Str1ke
Bei einem gut laufenden Geschäft, sind dann schon zweistellige Renditen möglich, berechtigt oder sogar notwendig. In extremen Fällen können es auch schon mal einhundert und mehr Prozent vom Umsatz sein, wie es der Automobilhersteller Porsche schon einmal vorgeführt hatte.

Bei Banken lag die Eigenkapitalquote seit eh und je bei etwa 5 Prozent! Seit der letzten Finanzkrise versuchen die Regulierer diese Quote deutlich anzuheben. Ziel sind mindestens 8 Prozent. Ideal wäre für die Bankaufseher natürlich eine Eigenkapitalquote im zweistelligen Bereich. Doch hört man den Bankmanagern zu, geschieht diese Erhöhung der Eigenkapitalquote  nur unter heftigem Stöhnen und Schmerzen. Jedenfalls drehen Banken Geschäfte, deren Eigenkapitalunterlegung irgendwo zwischen einem Zwanzigstel und einem Zehntel des Bilanzvolumens einer Bank liegen.  Das ist auch kein Wunder, sind die nicht real-wirtschaftlichen Finanzgeschäfte doch als reine Dienstleistung auf dem Papier auch nicht mit der Vorhaltung von Grundstücken, Maschinenparks, Lagern, Logistik und ähnlichem verbunden. Real besteht ein moderner Bankbetrieb heute vor allem aus Personal-, IT- und Mietkosten. Weiter nach Abschreibungen, Risikovorsorge und Steuern, müssen  also keine enormen Renditen für das ohnehin geringe Eigenkapital sein, mit denen Banken ihre Geschäfte betreiben. Den wesentlichen Nutzen für die Volkswirtschaft und ihre eigenen Investoren haben die Banken ja bereits vor Ausschüttung eines Geschäftsgewinns erbracht.

Deutsche Bank Zentrale Frankfurt am Main
Quelle: wikipedia CCL Thomas Wolf www.foto-tw.de
So funktionierte das Bankgeschäft jedenfalls auch jahrhundertelang. Erst die verschiedenen Finanzmarktreformen seit Margarete Thatchers Big Bang von 1986 erbrachten den Banken neue Handlungsfreiheiten. Bis dahin waren Banken sehr viel strenger reguliert als sie es heute sind.  Banken wurden entkoppelt von ihrer volkswirtschaftlichen Funktion und gleichzeitig entfesselt in ihren Geschäftszwecken. Finanzierungsgeschäfte und real-wirtschaftliche Geschäfte korrespondierten nunmehr nicht mehr unbedingt zusammen. Spekulanten bekamen mehr und mehr Appetit auf immer höhere Renditen. Finanzgeschäfte zu tätigen wurde zu einem reinen profitorientierten Selbstzweck. Freilich, wie im Sport, gibt es auch im Finanzgeschäft quasi physikalische Grenzen der Leistungsoptimierung. Diese Grenzen zu überschreiten war nur mit immer fragwürdigeren und immer risikoreicheren Mitteln möglich. In einzelnen Fällen, waren die Mittel und Methoden, wie sich erst später herausstellte, schlicht illegal.

Dennoch wurden über einige Jahre hinweg hohe zweitstellige Eigenkapitalrenditen in den Bankbilanzen ausgewiesen, in einzelnen Fällen tatsächlich sogar einmal 25 Prozent. Aber nicht nur die nominal ausgewiesenen Profite der Banken machten ihren Aktionären Freude, auch die Aktienkurse der Banken trugen zum Anlagespaß bei. So konnten sich beispielsweise die Aktieninhaber der Deutschen Bank in der Zeit von 2000 bis 2007, gemessen am Schlusskurs, immerhin einer durchschnittlichen Kurssteigerung von 7,0925 % pro Jahr erfreuen. Bei den Kursvolatilitäten in diesem Zeitraum gab es natürlich ein heftiges Auf und Ab. In der Kursentwicklung war also für spekulative Anleger viel mehr Musik drin, wie der Volksmund es so schön auszudrücken vermag.

Börsensaal der New York Stock Exchange
Quelle: wikipedia Ryan Lawler gemeinfrei
Mit der Finanzkrise war mit dem Kurs-und Profitrausch  natürlich zunächst erst einmal vorbei. Manche Banken gingen im Zuge der Finanzkrise gänzlich unter, viele bedurften zum Überleben staatlicher Stütze, aber einige wenige erholten sich erstaunlich schnell. Schon verfielen Akteure innerhalb und außerhalb jener scheinbar gesunden Banken schnell wieder in alte Denk- und Profitoptimierungsmuster.

Es hat nach der Finanzkrise bei den zuständigen nationalen und supranationalen Aufsichtsämtern, Zentralbanken, Staatsanwaltschaften und nicht zuletzt der Politik Jahre gebraucht aufzuarbeiten, wie es zur letzten Finanzkrise gekommen ist und welche Faktoren dazu beigetragen haben. Dazu gehören völlig verfehlte politische Ziele und Rahmenbedingungen, etwa wie dem staatlich subventionierten Eigenheimbau der USA vor allem in den 1990er und frühen 2000er Jahren. Typisch sind auch oberflächliche oder gar nicht vorhandene Geschäftsmodelle, wie etwa bei den politisch so beliebten deutschen Landesbanken. Daneben gab es auch von ihren Managern systematisch ruinierte Banken wie etwa der Dresdner Bank oder die Hypo Real Estate Bank. Erst jetzt stellt sich nach und nach heraus, wie über Jahre hinweg vermeintlich erfolgreiche Kreditinstitute überhaupt zu ihren sagenhaften Profiten gekommen sind.

P.J. Breughel d.J. Massaker an den Unschuldigen
(Quelle: wikipedia gemeinfrei)
Insidergeschäfte, Marktmani- pulationen, Bilanz- und Berichts- fälschungen, Steuerhinter- ziehungen, mangelhafte Risikoeinschätzungen oder auch nur schlicht geschäftliche Un- fähigkeiten sind die Zutaten aus denen so manche sagenhafte Profit zusammengebraut worden ist. Wie man im Zuge der  jüngsten Strafzahlung gegen eine deutsche Bank zu hören bekommt, stören sich die Behörden darüber hinaus an Zurückhalten von Informationen, Täuschungen und Lügen und kommen zu der Überzeugung Rekordstrafen in Milliardenhöhe verhängen zu können und zu müssen. Es schält sich also mehr und mehr heraus, dass viele Gewinne der letzten zehn bis fünfzehn Jahre nicht auf solidem Geschäftsgebaren und nachhaltigen Geschäftsstrategien beruhen, sondern auf Maßnahmen kurzfristiger Gewinnoptimierung und Marktbeeinflussung um jeden Preis.

Ausserordentliches Ergebnis der Banken. Nach einem Rekord in 2010 lässt sich bei den ausserordentlichen Aufwendungen in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg erkennen
(Quelle: Statistik der Deutschen Bundesbank 2015)
Allerdings wird dieser Preis jetzt fällig. Trotz teilweise wieder erholter Betriebsergebnisse, werden die tatsächlichen Gewinne auch namhafter Banken durch fette Strafzahlungen und teure Vergleiche mit Justizbehörden vor allem in den USA, Großbritannien und der Europäischen Gemeinschaft zum Teil wieder zunichte gemacht. Dadurch brechen bei diesen Banken immer wieder die Gewinne ein. Bei ohnehin schon schwachen Erträgen musste zum Beispiel die Deutsche Bank im 4. Quartal 2012 einen Rekordverlust von 2.513 Millionen Euro hinnehmen. Ein Ereignis, dass sich im 3. Quartal 2013 mit einem Verlust von 2.365 Millionen Euro wiederholte. Auch seitdem sind die Erträge überhaupt nicht mehr als üppig zu betrachten. In manchen Kreditinstituten mögen heute die Rückstellungen für zum Teil weit zurückliegende Rechtsrisiken die des normalen Geschäfts möglicherweise übertreffen. Das drückt sich natürlich auch bei den Aktienkursen aus. Wiederum auf der Basis der durchschnittlichen Schlusskurse der Deutschen Bank für den Zeitraum von 2008 bis 2014 kalkuliert, wird der Aktionär mit einem jährlichen Minus von 4,8628 Prozent konfrontiert.

Spielbank Wiesbaden
(Quelle: wikipedia gemeinfrei Urheber sozi)
Wenn man also, was allerdings keine übliche Betrachtung ist, für das Finanzgeschäft den Zeitraum der letzten 15 Jahre im Ganzen überblickt, wird deutlich, dass viele hochtrabenden Profitver- sprechen im nachhinein gesehen eigentlich nie eingetreten sind. Die außergewöhnlich hohen Profite am Anfang dieses Zeitraumes, werden an dessen Ende teilweise wieder aufge-fressen von den exorbitant hohen öffentlichen Strafen für das ebenso unübliche Geschäfts- gebaren. 

Zurück zu holen ist für die Investoren allerdings nichts. Jene Politiker, die an oberster Stelle diese fatale Entwicklung in den 1980er Jahren einstmals in Gang setzten sind mittlerweile verstorben. Spitzenbankmanager haben zu lange unkritisch ihre Profitillusionen verbreiten dürfen. Die ausführenden Bankmitarbeiter, vor allem aus den Handelsabteilungen der Investmentbanken, sind mit ihren, wie sich jetzt herausstellt, gleichermaßen unverdienten wie unanständig hohen Bonuszahlungen längst weiter gezogen. Nur wenigen von Ihnen drohen tatsächlich rechtliche Konsequenzen für ihr Verhalten. Eine ganze Branche hat allerdings vor lauter öffentlicher Profitsucht das wichtigste verspielt was sie für ein dauerhaft erfolgreiches Geschäft benötigt, jegliches Vertrauen in ihre Integrität.

Diese Schäden werden für lange nicht wieder gut zu machen sein. Vergangene Tugenden von Bankmanagern, wie die öffentlich vornehme Zurückhaltung und eine Kultur der umsichtigen Abwägung, werden Jahre brauchen, um wieder zu einer Blüte in den Geldhäusern zu kommen. Wer immer von den entscheidenden Akteuren dieses Desasters der letzten Jahre heute noch aktiv in den Banken ist, kommt jedenfalls für einen solchen Neuanfang kaum in Frage.

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