Mit FinTechs dem Kind im Kunden entgegen kommen -Bericht von der 1. Konferenz für Finanztechnologie- von Thomas Seidel

Als immer wichtiger werdendes Thema der Finanzbranche entwickelt sich das, was zur Zeit unter dem Begriff FinTechs-Revolution zusammen gefasst wird. Während die einen darin den Aufbruch zu einer völligen Neugestaltung des Bankenwesens sehen, gestehen andere der Entwicklung lediglich einen normalen evolutionären Charakter zu. Das Bankmagazin aus dem Hause Springer, in Zusammenarbeit mit dem Center for Financial Studies an der Frankfurter Goethe-Universität, veranstaltete am 9. September 2015 zu diesem Thema die 1. Konferenz für Finanztechnologie. Vertreter aus der Branche und der Wissenschaft bekamen Gelegenheit ihre An- und Aussichten miteinander auszutauschen.

1. Konferenz für Finanztechnologie Begrüßung durch Dr. Volker Brühl (GF Center for Financial Studies)
(Quelle:  Thomas Seidel)
Das Thema ist auch ein neues Betätigungsgebiet für die einschlägigen Unternehmen aus der Beraterbranche. So stellte Friedericke Stradtmann von der Accenture GmbH gleich Anfangs die Frage, wie Banken digital affine Kunden gewinnen wollen und zu halten gedenken? FinTechs böten schon heute eine digital vielfältigere Auswahl an Dienstleistungen und könnten so individuellere Angebote für Kunden mache. Darüber hinaus genössen sie Kostenvorteile allein schon wegen der fehlenden Filialnetzkosten.


Einen Ritt durch die digitale Zukunft des Bankengewerbes machte Prof. Dr. Christian Rieck von der Frankfurter University for Applied Sciences. Er geht davon aus, dass Computer genau für die komplexen Sachverhalte von Finanzmathematik und Finanzberatung gebaut sein. Dieses Potential würde künftig noch durch die Künstliche Intelligenz verstärkt. Der menschliche Berater könne immer nur über einen kleinen Teil der Finanzproduktpalette beraten. Im Internet gebe es allerdings für jedes Produkt eine Beratung. Wenden sich Kunden in Finanzsachen an einen menschlichen Berater, erwarteten sie vor allem eine psychologische Beratung. Demnach kann man den reinen Faktencheck dem Internet überlassen.


Viel bodenständiger betrachtete Carsten Jung, Vorstand bei der Berliner Volksbank eG, die neuen Entwicklungen. Die Kunden kämen wegen des Internets heute scheinbar viel informierter zu einer Bankberatung. 

Carsten Jung Vorstand der Berliner Volksbank eG
(Quelle: Thomas Seidel)
Doch wie diese am Ende ausgeht verrät Jung leider nicht. Aus seiner Sicht hätten Banken gegenüber FinTechs enorme Vorteile. Vor allem im Datenschutz kritisiert Jung, gingen die FinTechs noch sehr oberflächlich mit den Kunden um. Christian Hoppe von der Commerzbank AG sieht bedrohliche Szenarien von drastischen Ertragseinbrüchen bis 45 Prozent für die Banken, wenn sich in den traditionellen Häusern am Umgang mit den Kunden nichts ändere. Die Commerzbank hat einen Weg eingeschlagen, mit einem eigenen Inkubator Start-ups und FinTechs, die ihr vielversprechend erscheinen, in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Doch scheint dabei die Strategie zu sein, deren Potenzial zu einem Zeitpunkt dann für die eigene Bank abzuschöpfen.
Dr. Oliver Vins vaamo Finanz AG
(Quelle. Thomas Seidel)
Die FinTechs selbst waren mit verschiedenen Unternehmen und Ansätzen vertreten. So sprach Jochen Siegert von der Traxpay AG über Zahlungsverkehr. Timur Peters von der Debitos GmbH stellte eine Lösung für den Forderungsverkauf vor. Dr. Oliver Vins von der vaamo Finanz AG präsentierte Geldanlagemöglichkeiten jenseits der Nullzinsen auf Bankkonten für den privaten Verbraucher.






FinTechs kommen gleichwohl selbst nicht ohne Eigenkapital aus. Venture-Kapital ist dabei eine der möglichen Finanziers und deren Sicht auf die Dinge beschrieb Barbod Namini von Holtzbrink Ventures. Ganz sachlich sieht Namini, viele FinTechs würden niemals profitabel sein, könnten aber strategisch wichtig werden. FinTechs konzentrieten sich auf einzelne Funktionen von Banken und seien in einer so genannten Dekonstrultionsphase.

Barbod Namini Holtzbrink Ventures
(Quelle: Thomas Seidel)
Im Kreditgeschäft beispielsweise könnten sich FinTechs auf Schuldner konzentrieren, die für Banken weniger profitabel sein, wie etwa die Konsumenten. Venture Kapital analysiere, welche Zeitschienen Investitionen hätten und würden dann in entsprechender Höhe in junge Unternehmen investieren. Dabei habe man natürlich immer den Exit, also den möglichst profitablen Ausstieg aus einer Investition, sei es durch Verkauf oder sei es durch Börsenkapitalisierung im Auge.


Genau das Spielfeld auf dem sich Banken, FinTechs und Venture Kapital tummeln hat Prof. Dr. Udo Walz, Direktor am Center for Financial Studies, untersucht. Er definiert Start-ups als Unternehmen die vor allem schnell wachsen wollen. Untersucht wurde die fast schon philosophische Frage, ob eher die Mannschaft eines jungen Unternehmens (Jockey) oder das Geschäftsmodell (Horse) des Unternehmens die tragende Kraft für den Erfolg seien. Die Ergebnisse seien eindeutig. Während ein gutes Geschäftsmodell weitestgehend unverändert beibehalten würde, werde in der Praxis das Management doch eher häufig ausgewechselt.

In Deutschland fänden Innovationen eher in etablierten Unternehmen statt. Tendenziell gebe es ein fallendes Interesse an Gründungen und generell zu wenige Venture Kapital. Die Vorstellung man könne Unternehmertum schulisch heranbilden sei fraglich. Es brauche dafür nun mal eine Praxiserfahrung, die auch Niederlagen mit einschließe. Darüber hinaus fehle es an der Bereitschaft Risiken zu übernehmen und es würden kaum Netzwerke gebildet, auf die man sich in der Startphase stützen könne. Genau darin liege aber der Vorteil von aktiven Investoren, die neben Kapital auch Managementsupport und Netzwerke einbringen könnten. Darüber hinaus hindere das deutsche Insolvenzrecht Unternehmer schnell wieder auf die Beine zu kommen, so wie generell überproportionale Bürokratiekosten, besonders für kleine Unternehmen, drückend seien. Schließlich gebe es verschiedene Finanzrestriktionen, so dass selbst profitable Projekte nicht finanziert würden.


Prof. Dr. Uwe Walz Direktor am Center for Financial Studies an der Frankfurter Goethe-Universität
(Quelle: Thomas Seidel)














Ohne Zweifel die Finanzbranche muss sich den sich ändernden Gewohnheiten ihrer Kunden anpassen. Die Zeiten wo Banken als quasi privatrechtlich organisierte Finanzbehörden, mit Öffnungszeiten und Verhaltensarten, die stark an den Habitus des Öffentlichen Dienstes erinnern, gehen endgültig zu Ende. Sowohl die Wahrnehmung der Kunden, wie auch deren Umgang mit dem Thema Finanzen wandelt sich mit den jüngeren Generationen immer mehr. Das geistige Niveau des Verbrauchers freilich driftet immer mehr weg von abstrakten Begriffen zur einfachen visuellen Darstellungen. Die Herausforderung im Umgang mit den Kunden steckt also nicht in einer Erwartung an höherwertige Inhalte, sondern, ganz im Gegenteil,  in einer fortschreitenden Virtualisierung und Infantilisierung im Umgang mit den eigenen Finanzen. Eine Entwicklung die so durchaus mit dem allgemein sinkenden Bildungsniveau der Gesellschaft einher geht.

Anders als etwa die Reisevermittler, das Unterhaltungsgewerbe oder der Versandhandel, die allesamt durch Digitalisierung und Internet kräftig verändert werden und wurden, handelt es sich beim Finanzsektor jedoch um einen streng regulierten Wirtschaftszweig mit enormen Geldmitteln. Es wird interessant sein zu sehen, was bei den Banken passiert, wenn deren Geschäftsführer die künftigen Herausforderungen erst einmal richtig verstanden haben und damit beginnen, deren  enormes Potential mit ihren eigenen Mitteln auszuschöpfen. Darüber kann dann auf künftigen Finanztechnologie-Konferenzen vortrefflich berichtet werden.

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