Regulierung und Digitalisierung fordern Banken heraus -Bericht von der 20. Handelsblatt Jahrestagung Banken im Umbruch- von Thomas Seidel

Die diesjährige Tagung beschäftigte sich intensiv mit der Frage, ob neue innovative IT-Unternehmen, so genannte FinTechs, für die klassischen Banken eine echte Heraus-forderung oder gar Konkurrenz sein könnten. Doch durch alle Beiträge und Themen klang stets das Wehklagen der Finanzbranche über eine überbordende Regulierungswut der Aufsichtsbehörden.

Banken im Umbruch 20. Handelsblatt Jahrestagung im Frankfurter Marriott Hotel am 2.und 3. September 2015
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Gleich zu Beginn machte Jürgen Fitschen von der Deutschen Bank deutlich, die aktuelle Geld-politik sollte nicht die Banken unterstützen, sondern die Wirtschaft ankurbeln. Die erhöhten Kapitalanforderungen der Aufsicht machten Finanzprodukte teurer. Eine Preiserhöhung, die an die Kunden weiter gegeben werden müsste. 

Jürgen Fitschen Deutsche Bank
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Fitschen beobachte, dass sich Europas Banken zunehmend aus der globalen Handelsfinanzierung zurück zögen, eine Lücke die durch Banken anderer Länder nicht ausgefüllt werde. Die Deutsche Bank stehe FinTechs aufgeschlossen gegenüber, will aber deren Innovationen selbst entwickeln. Auch in der Deutschen Bank müssen Prozesse gestrafft und sowohl Personal als auch das Filialnetz abgebaut werden. Vor dem Hintergrund des neuen aufsichtlichen Regelwerks passe das Geschäftsmodell der Postbank einfach nicht mehr zur Deutschen Bank, deshalb habe man sich zur Trennung entschlossen.

Martin Blessing von der Commerzbank hob die Vorteile einer Bank gegenüber den FinTechs hervor. Banken hätten bereits Millionen Kunden, ausreichend Geldmittel für Entwicklungen und würden sich vor allem im komplexen Regelwerk der Finanzindustrie auskennen. 

Martin Blessing (Mitte) Commerzbank
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Blessing gesteht FinTechs gute Chancen etwa mit Innovationen beim Zahlungsverkehr zu, sieht aber bei bespielsweise bei Kreditplattformen die Gefahr, dass diesen schnell das Eigenkapital ausgehe, wenn sie einmal eine Phase von Kreditausfällen durchlaufen müssten. Aus der Tatsache, dass die schon seit fünfundzwanzig Jahren etablierten Direktbanken lediglich einen Marktanteil von zwanzig Prozent erreichen, schließt Blessing, dass sich die Mehrheit der Bankkunden nach wie vor einen Ansprechpartner in einer Filiale wünsche.

Federico Ghizzoni, CEO der italienischen UniCredit, mahnt, dass die Stimmung in der europäischen Wirtschaft nicht länger von den Aktionen der EZB abhängen darf. 

Federico Ghizzoni UniCredit
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Mit der Geldversorgung durch "Quantitative Easing" habe die Zentralbank genug für die Liquidität der Märkte getan. Jetzt müssten die entsprechenden Weichen von der Politik gestellt werden. Dazu gehöre die Senkung der Arbeitskosten genau so wie der Abbau von Staatsschulden. Ghizzoni sieht für die nächste Zeit keinen Trend etwa zu grenzüberschreitenden Bankenfusionen in Europa.

Für die Politik sprach mit Jens Spahn ein Parlamentarischer Staatssekretär aus dem  deutschen Bundesfinanzministerium. Die zwangsweise landesweiten Schließungen von Banken in Griechenland hätten gezeigt, wie wichtig Banken für die Menschen im Alltag seien. Freilich übersieht Spahn dabei, dass in Griechenland bare Finanzgeschäfte einen überproportional hohen Anteil im Alltagsleben haben. Die Existenz von Banken sei nicht in Frage gestellt, wohl aber könne man sich fragen,  welche Art von Banken man haben wolle. 

Jens Spahn Bundesfinanzministerium
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Über ein Projekt für eine europaweite Einlagensicherung lasse sich erst dann sprechen, wenn die Konsolidierungen der Banken abgeschlossen seien. Spahn sieht eine Eigenkapitalunterlegung von Staats-anleihen in den Portfolios der Banken als notwendig an. Für die Digitalisierung im Finanzwesen seien die Menschen noch nicht bereit. So sei beispielsweise die Umstellung im Zahlungsverkehr auf die IBAN das genaue Gegenteil von Fortschritt und Digitalisierung. Gerade in Deutschland sei noch nicht verstanden worden, wie wichtig der Umgang mit Daten für eine Wirtschaft der Zukunft sei. Der Datenschutz in Deutschland sei übertrieben und die Bürokratie finde keine Lösung für eine Digitalisierung, etwa einer rechtsverbindlichen Legitimation. Das alles behindere die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.

Wenn es einen Teil des deutschen Finanzsektors gibt, der am weitesten von jedwedem technologischem Fortschritt entfernt ist, dann der Sparkassensektor. Das machte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Georg Fahrenschon mehr als deutlich. Wenn Fahrenschon davon spricht, dass Sicherheit und Qualität bei der Technik zu allererst kommt, verschleiert das nur, dass der Sparkassensektor technisch noch immer auf den ältesten Computeranlagen und Softwarelösungen sitzt. Es ist kein wirkliches Konzept erkennbar, mit der der stark heterogene Sparkassenverband über bundesdeutsche Ländergrenzen hinweg in ein konkurrenzfähiges Technologieumfeld eingebracht werden könnte. 

Georg Fahrenschon
Deutscher Sparkassen. und Giroverband
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Aussagen wie, von nie zuvor da gewesener Nähe und Durchdringung, den Kunden überall hin zu begleiten und den Menschen das Leben leichter machen zu wollen, bleiben vorerst Lippenbekenntnisse. Sparkassenkunden werden sich auch weiterhin einem veralteten Betreuungskonzept mit engen Öffnungszeiten und ausgedehnten Mittagspausen bei den Filialen beugen müssen. Der Vergleich von Sparkassen- webseiten mit dem Internetauftritt anderer Banken spricht auf jeden Fall eine deutlich andere Sprache als der Auftritt von Herrn Fahrenschon. Lautstark forderte der Chef des Sparkassenverbandes darüber hinaus einen Stopp für weitere Regulierungsmaßnahmen der Aufsichtsbehörden. Von einem "Sabbatical" ist die Rede, ohne verstanden zu haben, dass ein Sabbatical einen totalen Ausstieg auf Zeit bedeutet. Wollen die Sparkassen überhaupt nicht mehr reguliert werden? Dabei ist dieser Finanzsektor bereits heute in jeder Hinsicht aufsichtsrechtlich privilegiert! Die Diskrepanz zwischen der Darstellung des Sparkassensektors und der Wirklichkeit ist frappierend.

In einer Diskussionsrunde, an der unter anderem Dr. Nils Beier von Accenture Strategy, Roland Boekhout von der ING DiBa und Arnulf Keese von PayPal teilnahmen, wurde das neue Kundenverhalten angesprochen. Vertrauen würde sich heute ganz anders, etwa durch Soziale Netzwerke, sowie Vergleichs- und Bewertungsportale im Internet aufbauen. 

Dr. Nils Beier Accenture Strategy
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So steigen Menschen bei Fremden ins Auto, wie etwa beim Taxidienst Uber, oder  lassen andere Leute temporär ihre Wohnungen nutzen, so bei RBnB. So werde sich künftig auch eine Beziehung zu Banken aufbauen. Kunden erwarten einerseits ihre Banken jederzeit in Real-time-Funktionen überall nutzen zu können, empfänden aber digitale Werbung, die ihre Verhaltensdaten nutzen zumindest in Deutschland, als Bedrohung.

FinTech-Unternehmen konzentrieren sich auf die Bedürfnisse von Kunden und haben ganz unterschiedliche Angebote. In den Zeiten offizieller Nullzins-Geldpolitik zum Beispiel, die es Kleinanlegern nicht nur schwer macht überhaupt noch eine positive Verzinsung kurzfristiger Geldanlagen zu erreichen, hat sich die Berliner Firma SAVEDO darauf spezialisiert, attraktive Festgeldangebote von verschiedenen Banken aus ganz Europa zusammen zu tragen und ihren Kunden eine unkomplizierte Anlagemöglichkeit zu bieten.

Verleihung des Digital Banking Award 2015
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Ein anderes Unternehmen wendet sich an das Fünftel der Bevölkerung, welches gezwungen ist, täglichen Zahlungsverkehr in bar abzuwickeln. Das Unternehmen bietet an, dass mittels einfacher Nutzung des all gegenwärtigen Barcodes Menschen kostengünstig Kassen des Einzelhandels für ihre Banktransaktionen nutzen können. Diese Geschäftsidee war dann auch Gewinner bei der Verleihung des Digital Banking Awards 2015.

Am zweiten Konferenztag traten mit Axel Weber von der schweizerischen UBS und Frédéric Oudéa von der französischen Société Generale wieder die Mahner auf. 

Axel Weber UBS
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Weber verweist auf die Rückbesinnung zu den Kernkompetenzen einer Bank. Strategien dürften ihrer Natur nach nicht ständig geändert werden. Stimmten die Erträge nicht, müsste zuerst die Kostenseite reduziert werden. Amerika bereite eine Zinswende vor. Die Lage in Europa sei ernst. Rezepte der Schuldenausweitung seien falsch und Ankaufsprogramme für Staatsanleihen kontraproduktiv. Die EZB könne nicht länger der Zeitlieferant für eine an sich unbewegliche Politik sein. Die niedrigen Zinsen werden dazu führen, dass alle Menschen längere Lebensarbeitszeiten in Kauf nehmen müssten, da ihre Pensionen nicht mehr für den Altersunterhalt ausreichen. Die Reformen der Arbeitsmärkte sei eine dringliche Aufgabe. Die Banken müssten sich den Herausforderungen von Regulierung und Digitalisierung stellen.



Eine Diskussionsrunde auf der 20. Handelsblatt-Tagung
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Zur Zeit fühlt sich die Bankwirtschaft in Europa wohl mehr durch die Unwägbarkeiten der Regulierung und den Auswirkungen auf die Eigenkapitalanforderungen herausgefordert, als durch die fortschreitende Entwicklung bei der Digitalisierung. Gleichwohl haben die Banken erkannt, dass eine Fokussierung auf die Bedürfnisse ihrer Kunden der Schlüssel zu einem dauerhaft erfolgreichen Geschäft ist.

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