Die Finanzbranche fordert deutliche Bewegung bei Politik und Aufsicht -Bericht vom 2. Süddeutsche Zeitung-Finanztag- von Thomas Seidel
Die erstklassig
besetzte Veranstaltung beschäftigte sich intensiv mit der Zukunft der
Finanzbranche. In einem kompakten Ein-Tages-Programm wurde für wichtige Themen
ein Überblick gegeben.
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Carsten Kengeter Chef der Deutschen Börse spricht über die geplante Börsenfusion mit der LSE (Quelle: sz-finanztag2016-MathisWienand) |
Den Auftakt machte der französische EZB-Direktor Benoît
Cœuré. Er betonte, weder die Europäischen Zentralbank noch die Politik dürften
Teil einer Unsicherheit für die Finanzmärkte sein, was ansonsten zu unbeherrschbaren
Risiken führe. Leider bringe die neue Bankenregulierung aber Unsicherheiten in
die Finanzbranche, sowohl quantitativ als auch in der Frage, in welche Richtung
sich die Aufsicht entwickle. Die Herausforderungen durch FinTechs sieht Cœuré
als Schwächung der Bankenbranche an. FinTechs könnten jedoch zu einer
Restrukturierung des Bankensektors beitragen. Besonders bemerkenswert an dem
Auftritt von Cœuré ist, dass innerhalb von wenigen Wochen nach Mario Draghi auf
der SUERF-Konferenz (siehe Beitrag vom 7. Februar 2016) wieder ein EZB-Direktor
über die dort angesiedelte Bankenaufsicht rede, deren Chefin Danièle Nouy
selbst aber abwesend ist!
John Cryan von der Deutschen Bank (Quelle: Thomas Seidel) |
Der künftige Alleinchef der Deutschen Bank John Cryan
arbeitet natürlich die Erfolge der Deutschen Bank heraus. So habe sein Institut
im Jahr 2015 allein 33,5 Milliarden Euro verdient. Die Höhe der Kosten und
Abschreibungen nennt er dabei freilich nicht. Groß sei die Deutsche Bank
weltweit nach wie vor im Devisengeschäft. Dort habe sie im gleichen Zeitraum
3,7 Billionen Dollar abgesichert, das repräsentiere 15 Prozent aller
Fremdwährungstransaktionen. Daneben sei die Transaktionsbank Weltmarktführer im
Euro-Clearing und man sei die Nummer 2 mit seinem Aktienemissionsteam in den
USA. Auch den FinTechs gegenüber zeige sich die Deutsche Bank aufgeschlossen.
So habe man Labore in Berlin, London und dem Silicon Valley eingerichtet.
Spätesten an dieser Stelle müssten hessischen und Frankfurter Offiziellen die
Ohren klingeln. Aber wie denn auch, diese waren auf der Konferenz erst gar
nicht vertreten. Cryan zeigt sich besonders überrascht von dem Potenzial der
Mitarbeiter der eigenen Bank und lobt deren Engagement über die Maßen. Da fragt
man sich, ob dieses zweifellos schon früher vorhandene Potenzial vielleicht
erst jetzt zum Tragen kommt, nachdem die hausinterne Diktatur des
Investmentbanking beendet worden ist.
Richtig gut schimpfen konnte Sergio P. Ermotti, CEO der
schweizerischen UBS. Er ärgert sich erst mal über das fortdauernde Gerede von einer
Finanzkrise. Die Banken seien heute wieder sehr solide. Dann rattert Ermotti eine
Fünf-Punkte-Liste von Problemen für den Finanzsektor aus seiner Sicht herunter.
An erster Stelle sieht Ermotti den Reformunwillen der Politik, die sich durch
Zentralbankgeld Zeit erkaufe, diese aber nicht nutze und so das
Wirtschaftswachstum behindere. An zweiter Stelle kommt das Niedrigzinsumfeld.
Es sei eine steigende Belastung für die Pensionssysteme und bildet die Gefahr
von Assetblasen, vor allem bei der Immobilienfinanzierung, aus. Dritter
Problemfall sei die Bankenregulierung. Die Sinflut von, laut Reuters, 40.000
neuen Regln pro Jahr, das entspräche etwa 100 pro Tag, dauere jetzt schon
sieben Jahre lang.
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Sergio P. Ermotti konnte sich gut echauffieren (Quelle: Thomas Seidel) |
Das verhindere die Erwirtschaftung von angemessenen
Kapitalrenditen, die mit 6,1 Prozent nicht ausreichen würden, die Kapitalkosten
von 9 Prozent zu decken. Das vierte Problemfeld seien die Überkapazitäten im
europäischen Finanzsektor. Die Formel dürfe nicht lauten: „to big to fail“,
sondern eher; „to small to survive“. Es müsse hier zu einer europaweiten
Konsolidierung kommen. Schließlich Fünftens: Bei der notwendigen Rückstellung
für etwaige Strafen für Fehler der Vergangenheit, sieht Ermotti eine gewisse
Willkür der Behörden in der Strafbemessung. Für alle genannten Probleme bringt
Ermotti, ganz konstruktiv, auch gleich drei Lösungen mit. Das Heil komme durch:
Fokussierung der Banken auf das Geschäft, dass man kann. Alle Kosten, auch die
regulatorischen, müssten Banken an die Kunden weitergeben. Durch Optimierung
sollen Banken die Kosten reduzieren und in der Wertschöpfungskette nur das
selber machen, was man wirklich kann, ansonsten aber outsourcen oder kooperieren.
Schließlich brauche es Wachstum und dafür einschneidende politische Reformen.
Alle Aussagen des UBS-Chefs sind wahr, mutig ist schon, dass
er sie überhaupt wagt auszusprechen. Aus Deutschland hört man weder den Ton,
noch diese Inhalte. Allzu geschmeidig gibt sich da eher der deutsche
Privatbankenvertreter Michael Kemmer. Dessen Sparkassenkollege Fahrenschon
argumentiert zwar wesentlich deutlicher und härter, führt aber einen
rückwärtsgewandten Kampf, bei dem am liebsten alles beim Alten bleiben solle.
Ein wichtiges Wort ist allerdings nicht gefallen: Die Banken müssten
Standardisieren, Standardisieren und nochmals Standardisieren. Seit der
Einführung von SWIFT in den 1970er Jahren ist es den Banken weder national,
geschweige denn international, gelungen auch nur einen einzigen Prozess
gemeinsam zu Standardisieren. Hier läge ein unglaublich hohes
Kosteneinsparungspotenzial. Doch das würde den Abschied von der Politik der
individuellen maßgeschneiderten IT-System bedeuten, eine traditionelle
Vorgehensweise die durch FinTech eher noch verstärkt werden wird.
Unter all den Teilnehmern kam mit Clemens Fuest auch die
akademische Welt zu Wort. Fuest mahnt, es sei an der Zeit in der
Wohlfahrtsökonomik Lehre und Realität in Einklang zu bringen. Hinsichtlich der
Zinsentwicklung erklärt Fuest die eingeschränkte Rolle der Zentralbanken. Der
Zins werde zwar von den Zentralbanken beeinflusst, sei aber in erster Linie ein
Marktpreis für die Kreditnachfrage und die läge eben zur Zeit darnieder.
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Clemens Fuest bald Chef des ifo-Instituts (Quelle: Thomas Seidel) |
Seine
Kritik an der EZB sei, dass Marion Draghi letztlich Fiskalpolitik betreibe,
wofür er aber kein Mandat habe. Darauf hat Draghi allerdings immer hingewiesen.
Er erkauft der Politik Zeit zu handeln, mehr nicht. Von einer Deflation könne
keine Rede sein. Außer beim Erdöl würden bereits alle Preise steigen und von
einer Deflation könne nur dann die Rede sein, wenn die Wirtschaftsteilnehmer
nicht kaufen würden, weil sie die Erwartung hätten, morgen ihre Waren billiger
erhalten zu können.
Die Gelegenheit der Veranstaltung nutzte der Chef der
Deutschen Börse Carsten Kengeter, der zur Zeit mitten in einem möglichen
Fusionsprozess steht, darüber öffentlich etwas zu sagen. Falls es zu einer
Fusion der beiden Börsenunternehmen käme, blieben die beiden Hauptsitze in
Frankfurt am Main und in London erhalten. Sitz der gemeinsamen Holding würde
aber wohl London sein, so Kengeter. Der dann wahrscheinlich auch künftige Chef
einer weltweit zweitgrößten Börse betonte, eine Fusion würde die Liquidität für
Wertpapiergeschäfte in Europa erheblich erhöhen. Sicherheitsstellungen, die
sogenannten Margins, könnten über Kreuz genutzt werden, was zu einer
Kostenersparnis der Marktteilnehmer führen würde. Kengeter begrüßt die geplante
Kapitalmarktunion, da diese zu einem freieren Kapitalmarkt führen würde.
Überhaupt sieht Kengeter den Sinn der Europäischen Union darin, seinen 500
Millionen Bürgern mehr Freiheit und Sicherheit zu generieren, als dies ein
einzelner Staat tun könne. Allerdings stünde die politische Realität in einem
Spannungsfeld zwischen preußischem Protestantismus und mediterranem
Katholizismus. Solche Anspielungen auf religiöse Trennungslinien in der
europäischen Politik scheinen zur Zeit in Mode zu kommen. Hat sich doch erst
kürzlich auf einer anderen Veranstaltung der ehemalige griechische
Finanzminister Yanis Varoufakis ganz ähnlich über die innereuropäischen
Verhältnisse geäußert.
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Georg Fahrenschon nimmt mit seiner Kritik kein Blatt vor den Mund (Quelle: Thomas Seidel) |
Laut und deutlich beschwerte sich der bereits erwähnte
Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Georg Fahrenschon über
den seiner Meinung nach „Overkill“ durch die Bankenaufsicht. Er kritisiert, für
die Bankenaufsicht sei schon die Planung eines IT-Outsourcing ein Risiko an
sich. Siebzig Prozent seiner Zeit verbringe ein Sparkassenvorstand heute mit
Fragen der Regulatorik, anstatt der Kundenbetreuung und Einwerbung neuen
Geschäfts nachzugehen. Dagegen entschuldigt der Bundesbankvorstand Andreas
Dombret, dort unter anderem für Aufsichtsfragen zuständig, die Probleme mit der
Aufsicht durch die neue Internationalität der Aufsicht mit der man wohl noch zu
kämpfen habe. Er nimmt auch zu dem Thema einer europäischen Einlagensicherung
Stellung und weist darauf hin, dass beispielsweise allein die Unterschiede in
der Sicherheitenverwertung der nationalen Insolvenzrechte schon ein
Stolperstein auf dem Weg zu einer gemeinsamen Einlagensicherung seien.
Insgesamt war die Veranstaltung sehr intensiv und
substanzreich, sowohl von den Themen, wie auch von den Einlassungen der
Teilnehmer her gesehen. Die europäische Finanzlandschaft bleibt weiter
besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Ob seitens der Regulatoren, der
Politik, dem Zinsumfeld oder auch den findigen und agilen FinTech-Unternehmen.
Die Branche muss schnell in ruhigeres Fahrwasser kommen, um auf die Zukunft
ausgerichtete Strategien entwickeln zu können.
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