Asiens Wirtschaft schwächelt leicht - bleibt aber global größter Wachstumstreiber von Thomas Seidel

Im House of Finance an der Frankfurter Goethe-Universität gab am Quartalsende 2016 der stellv. Chefökonom der Asia Development Bank (ADB) mit Sitz in Manila/Philippines Dr. Juzhong Zhuang einen Ausblick auf die Entwicklung Asiens für das Jahr 2016/17. Begleitet wurde die Präsentation von einer sich anschließenden Diskussion mit Fachleuten und dem Publikum.

House of Finance Goethe Universität Frankfurt am Main
(Quelle: Thomas Seidel)
Asien definiert sich in der Sicht der ADB nicht als geographischer Begriff. Ausgeklammert sind ganz Russland, der Nahe und Mittlere Osten, also mithin die kernmuslimischen Länder. Hier geht es mehr um das Gebiet, welches im Deutschen allgemein als der „Ferne Osten“ verstanden wird. Es schließt vor allem mit China und den indischen Ländern, den Ländern Indochinas und des malayischen Archipels, sowie Taiwans, Südkorea und Japans aber den bei weiten größten Wirtschaftsraum auf der Welt überhaupt ein. Grob geschätzt vier Milliarden Menschen als potenzielle Konsumenten. Was sind da schon schlappe 500 Millionen Europäer und knapp 400 Millionen Nordamerikaner? Das Wort „potenziell“ ist überhaupt das Schlüsselwort in dem ganzen Vortrag, der rote Faden, welcher sich durch Präsentation und Diskussion ziehen.

Fakten im Vergleich
Insgesamt wird Asiens Wirtschaftswachstum wohl leicht von 5,9 Prozent auf 5,7 Prozent sinken. Dabei gibt es länderbezogen deutliche Unterschiede. So rechnet man für die Philippinen mit einem Wachstum von 5,8 bis 6,1 Prozent; für Vietnam sogar zwischen 6,5 bis 6,7 Prozent; während es in Singapore wohl nur etwa 2,0 bis 2,2 Prozent werden. Das zeigt deutlich, bereits saturierte Länder passen sich in ihrem Wachstum eher dem Westen an, Länder mit wirtschaftlichem Aufholpotenzial zeigen sich deutlich dynamischer. Ein Beispiel ist Indien. Hier rechnet man mit 7,4 Prozent in 2016 und sogar bis 7,8 Prozent in 2017. Das alles ist noch viel mehr, als es der Westen und insbesondere Japan derzeit zu leisten vermögen. Für die USA liegen die Wachstumsprognosen bei 2,4 Prozent, für Europa bei 1,5 und für Japan bei 0,5 Prozent. Zusammengerechnet steht Asien immerhin für sechzig Prozent des globalen Wachstums.

Dr. Juzhong Zhuang Stellv. Chefökonom der
Asia Development Bank Manila
(Quelle: Thomas Seidel)   
Problemfelder
Es gibt aber eine Reihe von Fragilitäten. Die zurückliegenden Krisen hätten die USA und Europa insgesamt weniger getroffen als Asien. So wäre dort das potenzielle Wachstum durch die Finanzkrisen um 40 Prozent gesunken, das mögliche Produktivitätswachstum sogar um 80 Prozent. Die potenziellen Wachstums-möglichkeiten werden auch noch durch eine Reihe anderer Faktoren gehemmt. Dazu zähle etwa die demographische Entwicklung, also die Überalterung der Gesellschaft. Weiterhin die wirtschaftlichen Anpassungsprozesse. Das bislang stark exportorientierte Wachstum soll mehr aus dem lokalen Konsum gespeist werden. Die Arbeitsmärkte müssten flexibler werden, von welcher verkrusteten Aus-gangsbasis auch immer her betrachtet. Handelshemmnisse, vor allem nationale Zölle stünden weiteren Wachstumsmöglichkeiten genauso im Wege, wie eine noch mangelhafte Integration der Finanzmärkte. Sehr entscheidend sei die Qualität der staatlichen Institutionen. Diese sehr höfliche  Umschreibung gilt für eine ausufernde Bürokratie und das orientale Grundübel schlechthin, die Korruption. Nicht zuletzt fehle es an ausreichenden Investitionen in Infrastrukturen. Das größte Potenzial stecke aber vor allem in der Innovationskraft der Menschen. Die Basis sei Bildung und Technologie. Dem Europäer ganz vertraut ist die ständige Anmahnung von Strukturreformen, also der politischen Arbeit. Doch man sieht, hier in Europa wie dort in Asien tut sich dabei meistens nichts.

Panel v.l.n.r. Stefan Bielmeier DZ-Bank, Dr. Alexander Ludwig,
Dr. Juzhong Zhuang, Dr. Reinhard Schmidt Gastgeber
(Quelle: Thomas Seidel)
Sonderheiten
Wenig substantiell waren die Beiträge der beiden Diskussions-teilnehmer Stefan Bielmeier, Chefökonom der DZ-Bank und Dr. Alexander Ludwig, jetzt Professor an der Goethe-Universität für Öffentliche Finanzen und Schuldenmanagement. Es ist nicht ganz klar geworden, woher beide spezielle Kenntnisse über den asiatischen Raum haben sollten. Entsprechend sahen sie die Ausführungen von Dr. Juzhong Zhuang als viel zu optimistisch an. Man sehe Gefahren etwa von Seiten der EZB-Geldpolitik oder des anstehenden Wechsels in der US-Administration. Wo genau da die Zusammenhänge sein sollen, wurde aber nicht deutlich. Das merkte man auch daran, dass Dr. Juzhong Zhuang einmal mit der mangelhaften Effektivität jeglichen staatlichen Steuersystems in den asiatischen Ländern argumentierte. Vor allem eine durchgreifende Besteuerung von Einkommen komme schlicht nicht zustande. Darüber hinaus kenne in Asien außer in Südkorea, Japan, Taiwan und den Philippinen kein anderes Land so etwas wie eine Erbschaftssteuer. Das sprachlose Erstaunen über solche harten aber bekannten Fakten war den Experten gut anzusehen.

Asien bleibt der wichtigste Wachstumsmotor weltweit. Aufgrund der gewaltigen Menschenzahl macht eine langsam entstehende kaufkräftige Mittelschicht aber schnell mehrere hundert Millionen Menschen aus, die sich gerne dem Konsum westlicher Produkte zuwenden. Darin bestehen nach wie vor die Chancen westlicher Industrieländer, neben Maschinen- und Anlagenbau weiterhin gute Geschäfte mit dieser Weltregion zu machen. Sollten sich in Asien aber wirklich einmal Potenzial und Kompetenz miteinander paaren, würden die wirtschaftlichen Möglichkeiten von Europa und Nordamerika dagegen schlicht verblassen.

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