Statt annekdotischer Evidenz nur harte Fakten -Ergebnis der Bankenumfrage 2017- von Thomas Seidel



Auf dem Podium v.l.n.r: Michael Best Deutsche Bundesbank,
Dr. Andreas Dombret Deutsche Bundesbank, Raimund Röseler Bankenaufsicht
(Quelle: Thomas Seidel)
Unter einem sperrigen Titel „Widerstandsfähigkeit deutscher Kreditinstitute im Niedrigzinsumfeld“ stellten die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank (BuBa) gemeinsam die Belastbarkeit solcher nationalen deutscher Kreditinstitute vor, die nicht der Aufsicht des Single Supervisory Mechanism (SSM) bei der Europäischen Zentralbank unterliegen. Die Lage erscheint im Moment nicht besorgniserregend in Deutschland. Gleichzeitig wird deutlich, das europäische Bankenaufsichtssystem verliert den Überblick.

Grundlage für die Berichterstattung ist eine Umfrage unter 1.555 kleinen und mittelgroßen Banken und Sparkassen, diesmal die dritte ihrer Art. Aus den Erfahrungen der beiden vorangegangenen Umfragen haben die nationalen Aufsichtsbehörden ihre Rückschlüsse gezogen und den aktuellen Fragenkatalog thematisch und inhaltlich erheblich erweitert. So sind beispielsweise erstmals Fragen zur Situation bei Wohnimmobilien mit eingeflossen und der Zeithorizont der Erwartungshaltung bei den Kreditinstituten ist von drei auf fünf Jahre verlängert worden. Daher betrachtet man die jüngste Umfrage als sehr granular. Was die Stresstestszenarien angeht, hat man zusätzlich eine Drehung des Zinsniveaus, also etwa nach einer allgemeinen Zinssatzsteigerung eine plötzliche Senkung, und einen einheitlichen Wertverlust bei den Wertpapierdepots angenommen.

Naturgemäß ist eine derart komplexe Umfrage mit erheblichem Aufwand für beide Seiten verbunden. Die Kreditinstitute müssen zur Beantwortung der Fragen nicht nur ein erhebliches und nachprüfbares Zahlenwerk erstellen, sie müssen für die Drei- bis Fünfjahresprognose auch plausible Voraussagen machen können, jeweils im Rahmen der von ihnen betriebenen Geschäftsmodelle. Auf der anderen Seite haben die Aufsichtsbehörden großen Aufwand in die Analyse, Aufarbeitung und Zusammenfassung der Informationen stecken müssen. Deshalb war man von Anfang an um eine Vereinheitlichung bemüht, damit man die Ergebnisse auch besser vergleichen kann.

Die Veranstaltung fand im kunstvollen Gebäude der Landeszentralbank
Hessen in Frankfurt am Main statt
(Quelle: Thomas Seidel)
Bei soviel Aufwand erscheint die erste allgemeine Erkenntnis scheinbar banal. Die Banken und Sparkassen kämpfen vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfelds stark mit einem Rückgang der klassischen Ertragslage, eben aus dem Zinsgeschäft. Aber den nationalen Kreditinstituten wird im Großen und Ganzen eine gute Eigenkapitalausstattung von der Aufsicht attestiert. Überraschend positiv nach den verschiedenen Stresstestszenarien ist, dass im Schnitt zwar mit einem Rückgang der Kernkapitalquote von drei Prozent zu rechnen sei, insgesamt aber eine überdurchschnittlich hohe Kernkapitalquote übrig bleibe. Die Risiken im Kreditgeschäft werden daher zur Zeit als verkraftbar angesehen.

Inzwischen haben die Banken damit begonnen, Maßnahmen gegen den Ertragsschwund im Zinsgeschäft einzuleiten, etwa durch Provisions- und Gebührenerhöhungen, jedenfalls soweit sich dies im jeweiligen Marktumfeld durchsetzen lässt. Das aber reiche, nach Meinung der Aufsicht, noch nicht aus. Dennoch ist in einer komplexen Darstellung der Umfrageauswertung zu erkennen, dass Verluste im Zinsergebnis durch solche Maßnahmen teilweise ausgeglichen werden.

Sinkende Erträge werden teilweise an anderer Stelle kompensiert
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Doch eine Wende in der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank bringt den Banken nicht sofort den herbeigesehnten Ertragssegen. Ein Zinsanstieg würde zunächst zu einem höheren Wertberichtigungsbedarf bei Zinsänderungsrisiken führen. Das träfe natürlich speziell für die Bausparkassen zu, die, bedingt durch ihr besonderes Geschäftsmodel, bei einem Zinsanstieg länger zu leiden hätten. Dort im Wohnimmobilienbereich hat die Umfrage auch zu der Beobachtung geführt, dass es keine signifikanten Aufweichungen bei den Kriterien zur Kreditvergabe gibt. Daraus zieht man den Schluss, es gäbe momentan in Deutschland keine Immobilienblase. Dennoch bleibt ein Verlassen der Niedrigzinsphase gerade für Deutschland wünschenswert.

Eine weitere Maßnahme zur Kosteneinsparung und Ertragsverbesserungen wären Fusionen der Banken untereinander. Auch dazu wurde eine Frage im fünfjährigen Zeithorizont gestellt. Das Ergebnis überrascht zunächst. Besonders in Deutschland neigen Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu traditionellen Animositäten, wenn es denn nur um die Frage einer bundeslandübergreifenden Fusion geht. Hier spielen besonders politische Aspekte eine große Rolle. Fusionen der Säulen Privatbanken mit Sparkassen und/oder Genossenschaftsbanken untereinander werden von den Beteiligten und deren Verbänden weithin immer noch geradezu als Teufelswerk betrachtet. Bei soviel Verbandskungelei und Kleinstaaterei werden Gedanken zu grenzüberschreitenden Fusionen innerhalb des Euroraums gleich gar bestenfalls zu sehr utopischen Science-Fiction-Stories. Dennoch reicht bei 45 Prozent der Banken die Phantasie, sich Fusionen vorzustellen, die meisten natürlich als übernehmendes Institut. 11 Prozent geben gar an, sich in einem Fusionsprozess zu befinden, oder eine Absicht dazu zu haben.

Das deutsche Bankgewerbe schließt Fusionen nicht aus
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Überhaupt keine Utopie ist allerdings ein sich abzeichnender Kontrollverlust auf europäischer Ebene. Was die Aufsichtsbehörden hier in Deutschland praktizieren, muss so keinesfalls auch in anderen Ländern des Euroraums geschehen. Schon jetzt werkelt wieder jedes nationale Aufsichtsregime methodisch vor sich hin, trotz der Bemühungen der noch in London ansässigen Europäischen Bankenaufsicht EBA, einheitliche Standards zu entwickeln. Unbestreitbar tauschen sich die Teilnehmer des gesamten europäischen Aufsichtsregimes ständig untereinander aus. Dennoch gibt es schon jetzt keine einzige amtliche Stelle, die auch nur im Entferntesten etwas über die Gesamtrisikosituation des Bankensektors im Euroraum sagen könnte. Doch ist man damit in Europa nicht allein. Selbst in den Vereinigten Staaten wursteln so viele verschiedene, historisch gewachsene, Behörden an der Bankenaufsicht herum, dass dort zum Kummer der nationalen Zentralbank Fed auch keiner weiß, wie es um den Bankensektor in den USA als Ganzes steht.

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