Bargeld ist das Geld der Bürger! -Bericht vom 4. Bargeldsymposium der Deutschen Bundesbank- von Thomas Seidel
Das Hilton Hotel Frankfurt (Innenansicht) (Quelle: Thomas Seidel) |
Das diesjährige Bargeldsymposium der
Deutschen Bundesbank im Frankfurter Hilton Hotel geriet zu einem
leidenschaftlichen Verfassungsappell für die Beibehaltung des
Bargelds. Eine ganze Reihe hochkarätiger Sprecher, aus verschiedenen
gesellschaftlichen Bereichen, sorgten für fundamentale Einsichten in
das Thema. Dennoch formieren sich starke Gegner des klassischen
Bargelds, teils aus unlauteren politischen Motiven, teils aus purem
profitorientierten Opportunismus.
Es mutet schon merkwürdig an, dass
ausgerechnet an einem Aschermittwoch, ein Bargeldsymposium der
Deutschen Bundesbank stattfindet. Das wahre Bare wird
umgangssprachlich auch gerne mal Asche oder auch Kohle genannt, wie
Karl LudwigThiele, im Vorstand der Deutschen Bundesbank unter anderem
für das Bargeld zuständig, es so schön ausdrückte. Zugleich war
dieser 14. Februar auch ein Valentinstag. Ist dieser kalendarische
Zufall, der zuletzt 1945, also ausgerechnet an dem Tag als Dresden
unlauter in Schutt und Asche gelegt worden war, erstmals wieder
zustande kam, eine Anspielung auf die Liebe der Deutschen zum
Bargeld? Während an anderen Orten der Republik traditionell der
politische Aschermittwoch gefeiert wird und man kräftig und zuweilen
unanständig an den politischen Gegner austeilt, wird den Teilnehmern
des Bargeldsymposiums deutlich gemacht, woraus Freiheit und
Demokratie in der Wirklichkeit bestehen.
Jens Weidmann Präsident der Deutschen Bundesbank (Quelle: Thomas Seidel) |
Wider die Krypotoken
Die erste Kampfansage machte gleich der
Präsident der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann. Er stemmt sich
gegen die Anwendung des Geldbegriffs auf irgendeine Kryptowährung,
wie etwa dem Bitcoin, und spricht fortan nur noch abwertend aber
zutreffend von Kryptotoken. Ein Terminus, den in der Veranstaltung
jeder Sprecher konsequent benutzt. Weidmann spricht den Kryptotoken,
völlig zurecht, jede typische Eigenschaft und Funktion des Geldes
ab. An erster Stelle stünde dabei das Vertrauen in eine Währung,
hinter dem letztlich eine Zentralbank stehe. Die Volatilität von
Kryptotoken sei zur Zeit sechsmal höher als die von Aktien und gar
dreizehn mal höher als von Gold. Den Grund dafür sieht Weidmann in
der fehlenden Wertbasis. Kryptotoken hätten keinen intrinsischen
Wert, etwa wie bei Gold oder durch die Reputation eines Garanten.
Weidmann sieht in Krypotoken keinen tauglichen Gegenentwurf zum
staatlichen Geld. Daher befürwortet er starke regulatorische
Eingriffe. Es sollte keine Verflechtung zwischen dem Finanzsektor und
Kryptotoken geben. Bargeld sei die einzige Möglichkeit für
Privatpersonen Zentralbankgeld zu halten. Auch äußert Weidmann
Bedenken gegen die Einführung von digitalem Zentralbankgeld. Solches
wäre sogar verzinsbar, allerdings auch mit Negativzinsen. Könnte
aber Jedermann seine Bankeinlagen jederzeit in digitales
Zentralbankgeld umwandeln, wäre das größte Risiko ein Bankrun im
Falle einer drohenden Bankpleite. Das könnte dann zu dem
Zusammenbruch eines ganzen Bankensystems führen. Damit Bargeld auch
weiterhin attraktiv bleibe, müssten sich die Zentralbanken bemühen,
den Zahlungsverkehr immer auf dem neuesten technischen Stand zu
halten. So sollten künftig auch Sofortzahlungen mit Zentralbankgeld
möglich sein.
Karl-Ludwig Thiele Vorstand der Deutschen Bundesbank (Quelle: Thomas Seidel) |
Praktische Bargeldhandhabung
Karl Ludwig Thiele bescheinigt den
Deutschen schon eine gewisse Liebe zum Bargeld. In dessen Benutzung
seien sie aber nicht der Weltmeister. Beträge bis 5 €uro werden
immer noch zu 96 Prozent bar gezahlt. Erst bei Summen ab etwa 50 €uro
gehe man hierzulande mehr zu elektronischen Zahlungsformen über.
Bargeld sei eben einfach und schnell zu handhaben. Es ermögliche
jeder gesellschaftlichen Gruppe Zugang zu Geschäften und entziehe
sich der digitalen Kontrolle. Bargeld sei geprägte Freiheit und es
diene der informellen Selbstbestimmung. Thiele weist Kritik an
Münzen, auch bei kleinen Stückelungen, ab. Der Bund habe durch die
Münzausgabe zuletzt 250 Mio. €uro eingenommen und ein Großteil
der Bürger wolle auch Kleinstmünzen beibehalten. Bekanntlich gilt
das Experiment zu deren Abschaffung in Kleve als gescheitert. Nicht
zuletzt deshalb, weil sich die Verbraucher ständig über den Tisch
gezogen fühlten.
Fritz Zurbrügg Vizepräsident der Schweizer Nationalbank (Quelle: Thomas Seidel) |
Kritik an digitalem Zentralbankgeld
Auch der Vizepräsident der Schweizer
Nationalbank (SNB) Fritz Zurbrügg eignet sich den Terminus
Krypotoken sofort an. Er bestätigt eine nach wie vor große
Bargeldnachfrage in der Schweiz. Da die Bargeldbeliebtheit in
Österreich sogar noch größer sei, könnte man hier von einem
deutsch-kulturellen Phänomen sprechen? Eher nicht. Je südlicher und
östlicher in Europa, desto größer die Liebe zum Bargeld. Trotz des
breiteren Zugangs der Bevölkerung zu Bankkonten und elektronischem
Zahlungsverkehr, halte sich der Bargeldgebrauch seit vielen Jahren
auf einem stabilen Niveau zwischen 5 und 10 Prozent, bezogen auf das
Bruttoinlandsprodukt. Das gelte, so Untersuchungen der SNB, für die
meisten Länder mit freiheitlich wirtschaftlicher Ausprägung. Eine
Ausnahme bilde allerdings Japan, wo der Bargeldanteil mit 15 bis 20
Prozent deutlich höher liege. Man wisse, das der Gebrauch von
Bargeld eine effektivere Budgetkontrolle ermögliche, besonders für
Privatpersonen. Bargeld sei sicht- und anfassbar und biete damit eine
größere sinnliche Erfahrung als Buchgeld. Bargeld sei zuverlässig.
Man könne damit jederzeit bezahlen und sei unabhängig von jeder
technischen Infrastruktur. Bargeld schütze vor Datenmissbrauch und
besitze damit eine Eigenschaft als Datenschutzinstrument. Natürlich
hänge die Existenz des Bargeldes von der Vertrauenswürdigkeit des
Emittenten ab. Daher müsste die Qualität der Banknoten immer auf
einem hohen technischen Niveau sein. Nicht zuletzt wegen der
Fälschungssicherheit. Zurbrügg sieht in digitalem Zentralbankgeld
keinen weiter gehenden Nutzen. Statt dessen könne es bei der
Anwendung zu unerwünschten Effekten kommen. So könnten etwa die
Funktionen der Liquiditäts- und Fristentransformation besonders in
Krisenzeiten in Schwierigkeiten kommen, wenn Menschen ihre
Bankeinlagen in digitales Zentralbankgeld verlagern würden. Digitale
Zahlungsmittel seien allenfalls unvollständige Substitute von
Bargeld.
Yves Mersch Direktor der Europäische Zentralbank (Quelle: Thomas Seidel) |
Ein Plädoyer für die Freiheit mittels
Bargeld
Nicht allein die Deutsche Bundesbank
ist hierzulande für Bargeld zuständig. Im €urosystem gibt es mit
der Europäischen Zentralbank (EZB) bekanntlich eine höhere Instanz.
Die vertrat hier der Luxemburger Yves Mersch, bei der EZB unter
anderem für das Bargeld zuständig. Fünf europäische Länder, die
Mersch politisch als „Law & Order- Lager“ (Recht- und
Ordnungslager) einordnet, seien in der Vergangenheit an die EZB heran
getreten und hätten gegen das Bargeld argumentiert. Dem hält Mersch
entgegen: Ein geschütztes gesetzliches Zahlungsmittel sei Geld nur
dann, wenn dafür ein Annahmezwang bestehe, es schuldbefreiende
Wirkung habe, zum Nennwert angenommen werden müsse und dafür keine
weiteren Gebühren erhoben werden dürfen. Einzelne Mitgliedstaaten
könnten zwar die Verwendung von €uro einschränken, nicht aber die
Währung als solche. Banknoten existieren aus verfassungsrechtlichen
Gründen. Sie gewährten überhaupt erst die reale Umsetzung von
Grundrechten. Nur mit Bargeld könnte der Bürger seine Grundrechte
ausüben, und zwar in einer Weise, die nicht für den Staat sofort
nachvollziehbar sei. Bargeld schütze vor einem Überwachungsstaat
und damit letztlich vor einer Diktatur. Bargeld ermögliche
Gleichheit und die Teilhabe auch und besonders Sozialschwacher und
von Kindern am gesellschaftlichen Leben. Es gäbe keine Hürden für
dessen Benutzung und mache unabhängig von elektronischen
Infrastrukturen. Das gelte besonders in kritischen Phasen.
Beschränkende Maßnahmen dürfen nur nachvollziehbaren Zwecken
dienen, wie etwa der Terrorbekämpfung oder bei der Geldwäsche. Es
gäbe keine vollwertige Alternative zum Bargeld. Selbst wenn sich
dessen physische Form ändere, bleibe es dennoch Bargeld.
Udo Di Fabio Verfassungrechtler (Quelle: Thomas Seidel |
Bargeld bedeutet konkrete Freiheit
Nach soviel Bargeldenthusiasmus der
beruflich damit beschäftigen Zentralbanker, kommt mit Udo Di Fabio
ein ehemaliger deutscher Verfassungsrichter zu Wort. Er geht sogar
noch weiter. Bargeld und die Freiheit bildeten rechtlich eine
unauflösliche Verbindung. Bargeld habe einen inhärenten Wert,
welcher auf dem Papier durch eine Garantiemacht ersetzt werden könne.
Der Gesetzgeber habe eine Aufgabe zum Schutz des Bargelds. Es müsse
eine stabile Währung geben, zumindest in einer privatrechtlich
strukturierten Welt. Ein aktuelles Negativbeispiel sei hier
Venezuela. Die durch das Bargeld gewährleistete Anonymität, sei ein
Teil dessen, was wir unter Privatsphäre verstünden. Die
Aufbewahrungsfunktion des Bargelds in ihrer Bedeutung für die
Freiheit des Einzelnen würde allgemein unterschätzt. Hier wird
nicht nur die Oma mit ihrem Bargeld unter dem Kopfkissen
rehabilitiert. Besonders Verfolgte können zu jeder Zeit berichten,
wie ihnen Bargeld wieder zur Freiheit verhalf. Freiheit und
Sicherheit müssen in einer Balance stehen. Der total sichere Staat
wäre auch zugleich der totalitäre Staat. In unserer westlichen Welt
leite sich der Staat vom Willen der Bürger ab. Hier sei der Staat
nur Treuhänder der wirtschaftlichen Subjekte. In China
beispielsweise sei dies genau anders herum. Dort legitimiere sich der
Staat aus sich selbst heraus und die Bürger spielten nur eine
nachgeordnete Rolle. Eine Bargeldabschaffung darf nach Di Fabio nicht
eigentumsentziehend sein. Deshalb könnten Negativzinsen als ein
Grundrechtseingriff qualifiziert werden. Der Staat sei verpflichtet,
seine grundrechtlichen Werte zu erhalten und dazu gehört nun mal
auch das Recht am Eigentum. Im digitalen Bereich entstünde etwas
jenseits des Staates, was gerne für anarchische Zwecke genutzt
würde. Doch die Befürworter der Bargeldabschaffung verfolgten nur
bestimmte Interessen von Digitalunternehmen, also nicht
notwendigerweise die Interessen der Bürger.
Diskussionsrunde der Vortragenden (Quelle: Thomas Seidel) |
In einer Diskussionsrunde fällt der
Satz: Das Bargeld sei nicht das Geld der Zentralbanken, es sei das
Geld der Bürger, mit dem die Zentralbanken sorgfältig umzugehen
hätten!
Martin Hellwig Universität Bonn (Quelle: Thomas Seidel) |
Nur Bargeld entschuldet
Eine akademische Betrachtung des
Bargeldes nimmt Marin Hellwig von der Universität in Bonn vor.
Bargeld sei schlicht die Grundlage des Geldsystems. Letztlich müsse
ein Schuldner Bargeld zahlen. Hellwig fragt, was denn der Inhalt
einer Forderung sei, wenn es kein Bargeld gäbe? Unser
Wirtschaftssystem baue nun mal auf dem Schuldrecht auf. Was könne da
das Bargeld ersetzen? Zahlungen in bar seien schuldbefreiend und
damit endgültig. Dazu müsse es aber akzeptiert werden. Jede normale
Geschäftstransaktion habe zwei Beteiligte, den Lieferer und den
Zahler. Wenn es aber digitales Geld gäbe, wäre man bei der ganzen
Transaktion von einem Dritten abhängig, nämlich dem Betreiber des
Zahlungssystems. Sei das so gewünscht? Die Wichtigkeit von Bargeld
arbeitet Hellwig noch an einem anderen Beispiel heraus. Emigranten
etwa, könnten kein digitales Geld ungehindert mitnehmen. Forderungen
gegen den Staat könne man privatrechtlich nicht durchsetzen.
Giralgeld sei rechtlich eine Schuld, Bargeld aber ist keine Schuld.
Ein wesentlicher Grund des Vertrauens in die Zentralbanken sei heute
ihre Unabhängigkeit. Daher sieht Hellwig Diskussionen über eine
Demokratisierung von Zentralbanken als problematisch an.
Hans-Walter Peters Bundesverband deutscher Banken (Quelle: Thomas Seidel) |
Obacht vor den digitalen Mächten
Abschließend soll mit Hans-Walter
Peters, in seiner Rolle als Präsident des Bundesverbandes Deutscher
Banken, nochmal ein Banker zu Wort kommen. Er leitet seinen Vortrag
mit einem kurzen Bericht von einem Besuch im Silikon-Valley in
Kalifornien ein, wo er sich mit Vertretern führender amerikanischer
Digitalunternehmen getroffen hatte. Dort lebe man in einer anderen
Welt. Die digitale Welt kenne keinen Staat, nur eine total vernetzte
Gesellschaft.
Infolgedessen wird in einer digitalen
Welt das Bargeld der Verlierer sein. Geld sei und bleibe aber in
erster Linie eine Sache des Vertrauens. Dieses Vertrauen bezog sich
beim Bargeld bisher allein auf die Frage, ob man damit überall und
zu jeder Zeit bezahlen könne. Bei digitalen Bezahlsystemen komme für
das Vertrauen noch die Frage hinzu, wie ein Bezahlvorgang keine
digitalen Spuren hinterlasse. Bei aller Freude über das
Freiheitsgeschenk des Bargeldes würde die Bargeldversorgung
allerdings zunehmend teuer, vor allem im Vergleich mit den digitalen
Systemen. Zwar sei die Liebe der Deutschen zum Bargeld schon
legendär. Doch wenn sich die Kosten der Bargeldversorgung zunehmend
auf die Kunden verlagere, würde sich die Zuneigung wahrscheinlich
ändern.
In den Pausen wird weiter debattiert (Quelle: Thomas Seidel) |
Zusammenfassung
Viele Institutionen habe heutzutage ein
konkretes Interesse an der möglichst lückenlosen Überwachung von
Bürgern. Staaten stellen dabei unter anderem Sicherheits- und
Schutzinteressen in den Vordergrund, etwa wegen Terrorgefahren. Das
der Staat jede Geldtransaktion nicht zuletzt wegen der steuerlichen
Abgabepflichten überwachen möchte, wird gar nicht erst erwähnt.
Das gilt umso mehr, für die schon quasi hoheitlich agierenden
Aufpasser der Sozialsysteme, die Krankenkassen. Digitale Unternehmen
haben vordergründig vor allem kommerzielle Interessen, die Lebens-
und Zahlgewohnheiten der Bürger in ihrer Funktion als Kunden
auszuspähen. Im Hintergrund spielen aber sicherlich auch
Allmachtsphantasien einer globalen entstaatlichten Gesellschaft eine
Rolle. Man strebt sozusagen eine Investorkratie an. Dort wäre dann
unter Umständen jeder überwachte Bürger auch gleichzeitig,
zumindest indirekt, überwachender Investor.
Vor diesem Hintergrund war es gut und
wichtig auf dieser Veranstaltung von verschiedenen Sprechern zu
hören, wie konkret und praktisch das Bargeld als basisdemokratisches
Instrument jeden Tag millionenfach angewendet wird. Ja es scheint
sogar die tatsächliche Flamme der Freiheit zu sein. Doch wie jede
Form der Freiheit, so muss man auch diese sich täglich neu
erkämpfen. Man kann nur hoffen, dass mehr Menschen, als allein die
Zentralbanker, sich der Abschaffung von Bargeld wirkmächtig entgegen
stemmen.
Auch zum Mittagessen bietet das Hilton Hotel ein angenehmes Ambiente (Quelle: Thomas Seidel) |
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