Qualifikation ist mehr denn je Schlüssel zum Überleben -Ein Gespräch mit Robert S. Kaplan- Bericht von Thomas Seidel

Volker Wieland (l.) im Gespräch mit Robert S. Kaplan (r.)
(Quelle: Thomas Seidel)

Ein Jahr nach dem Start der neuen Administration in den USA, besuchte mit Robert S. Kaplan wieder ein Regionalpräsident des Federal Reserve Systems (FED) aus Dallas Frankfurt. Hier ist Kaplan kein Unbekannter. Das IMFS Institut lud zu einem Gespräch über makroökonomische Trends und ihre Auswirkungen auf die Geldpolitik der USA ein. Kaplan sprach aber mehr über die künftigen Herausforderungen für eine moderne Volkswirtschaft.

Der Saal im Obergeschoss des Alten Kasinos der Goethe-Universität ist voll bis auf den letzten Platz. Das sind schätzungsweise an die zweihundert Zuhörer. Doch die Lecture findet notgedrungen als Hörspiel statt. Die Organisatoren der Veranstaltung haben schlicht den Aufbau einer Bühne vergessen. Schon zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen outen sie sich damit als echte „Veranstaltungsprofis“. So können nur die Teilnehmer in der ersten beiden Reihen den Gast in persona erleben. Das steigert immerhin die Vorstellung von Exklusivität.

Robert S. Kaplan tut das keinen Abbruch. Er plaudert in Kaffeehauslaune aus dem Nähkästchen der FED. Dabei bleibt er aber immer sehr konzentriert was man von seinem Gesprächspartner Volker Wieland nicht behaupten kann. Der schien nicht gut vorbereitet und ließ das Gespräch eher vor sich hin plätschern.

Kaplans Thema ist der Wandel. Doch kein Wort kommt ihm über die Zustände in der Bundesadministration der USA über die Lippen. Kein Wort auch zur Zwangsersetzung der FED-Präsidentin Janet Yellen. Statt dessen fokussiert Kaplan sich auf die wirtschafltichen und gesellschaftlichen Umbrüche die bereits stattfinden.

Das IMFS residiert im House of Finance
(Quelle: Thomas Seidel)
Das Zeichen des Wandels sei die Technologie. Kaum eine Branche, in der heute keine technologischen Umwälzungen stattfinden. Diese Veränderungen, im Englischen gerne als „disruption“ bezeichnet, sind nichts anderes als die von Josef Schumpeter bekannte „schöpferische Zerstörung“. Doch die starke Vortriebskraft mit der diese Umwälzungen stattfinden, hätten ihre Ursache darin, dass jeder Zugang zu Technologie hat und sie vor allem billig sei. Vieles ändere sich fundamental. So seien die Konsumenten heute in der Lage, Druck auf Preise auszuüben, einfach durch die Benutzung des Internet.

Inzwischen seien die weichen Faktoren in der Wirtschaft oft wichtiger als harte wie das Kapital oder eine Organisation. Zuerst entstehe eine Leidenschaft dafür, etwas zu entwickeln und zu produzieren. Erst dann trete das Kapital hinzu. Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit einer Gesellschaft setzte künftig mehr denn je ein hohes Bildungsniveau voraus. In den USA gäbe beispielsweise 46 Millionen Menschen mit einem Bildungsabschluss „High School“ oder sogar weniger. Diese Menschen müssten vorrangig qualifiziert werden. Ansonsten drohen sie Opfer der Umwälzungen zu werden und wegen Minderqualifikation ihre Arbeitsplätze zu verlieren, Stichwort: Digitalisierung. Deutschland sei hier den USA bei der beruflichen Ausbildung traditionell weit voraus.

Der demographische Wandel führe zu weniger Wachstum bei den Arbeitsplätzen. Schon die Hälfte des Zuwachses von Arbeitskräften der letzten Jahre komme bereits aus der Immigration. Deshalb müsste die Immigration dringend geregelt werden. Gleichwohl leide die Produktivität schon jetzt an der Minderqualifikation vor allem der mittleren Jobs. Doch das Budgetdefizit der USA behindere notwendige Investitionen. Die erwarte man durch die Körperschafts-Steuerreform. Dadurch soll die Privatwirtschaft einen Schub in Richtung auf eine nachhaltige Entwicklung bekommen.

Das Federal Reserve Building in Washington D.C.
(Quelle:AFP Saul Loeb)
Die Globalisierung sei keine Bedrohung! Sie müsse vielmehr als eine Chance aufgefasst werden. Anders als in den USA gäbe es in China eine hohe Sparrate bei der Bevölkerung. Das erlaube dem Staat, sich intern bei den eigenen Bürgern zu verschulden. Das sei ähnlich wie in Japan. Die Folge sei, diese beiden asiatischen Länder hätten keine oder nur wenige Auslandsschulden.

Zentralbanker könnten heute nicht mehr isoliert nur im Rahmen der eigenen Volkswirtschaft und des eigenen Währungsgebiets denken. Sie müssten wissen, was in anderen Ländern vor sich gehe und welche Auswirkungen die Entscheidungen in anderen Ländern auf die eigene Wirtschaft haben. Inzwischen würden die traditionellen Mechanismen der Preis- und Lohnfindung anders funktionieren. Das habe auch Auswirkungen auf die Inflation. Wie, müsse aber erst genau untersucht werden.


Insgesamt gibt sich Kaplan aber optimistisch für die Zukunft. Er verschweigt aber nicht die Schwachstellen des amerikanischen Systems. Ihm geht es um die Wettbewerbsfähigkeit der USA. Er sieht die Herausforderung der Zukunft vor allem in Qualifikation der arbeitenden Bevölkerung. Ziel ist es in einer mulitpolaren Welt zu bestehen. Auch und gerade weil er es nicht ausspricht, gehören Rückwärtsgewandtheit und Isolation aber nicht zu den Mittel der Wahl.

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