Die Altersbezüge von heute müssen auch immer heute erwirtschaftet werden von Thomas Seidel
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Das Idealbild einer Drei-Generationen-Familie (Quelle: www.jungundalt-ev-frankfurt.de) |
Bei der Diskussion über die Renten
reicht der Blick im Allgemeinen bestenfalls bis in das Jahr 1891
zurück, als in Deutschland das gesetzlich verankerte Rentensystem in
Kraft trat. Grundsätzlich ist die Frage der Altersversorgung jedoch
ein aller ursprünglichster Teil des sozialen menschlichen Gefüges
und beschäftigt dieses schon seit vielen Jahrhunderten. Vor allem
aber haben sich die Grundfunktionen der Altersversorgung zu
keinem Zeitpunkt der menschlichen Geschichte geändert. Es ist
wichtig zu verstehen, wie die Altersversorgung im Prinzip schon immer
funktioniert hat und dies auch weiterhin tun wird. Nur so können
junge Menschen zu Beginn des Erwerbslebens jene richtigen
Entscheidungen treffen, deren Wirkungen sich erst nach Jahrzehnten
für sie ergeben werden.
Ein ewiges Thema
Schon bei vielen historisch bekannten
Gesellschaften, deren Leben relativ gut dokumentiert ist, kann man
etwas über deren Prinzipien der Altersversorgung lernen. Als
Beispiel kommt hier etwa das antike Römische Reich in Frage, eine
für seine Zeit zweifelsohne schon sehr komplexe Gesellschaft. Auch
im gut organisierten Römischen Reich hatte man es über alle seine
Zeiten hinweg mit den ewigen Fragen nach der Altersversorgung zu tun.
Allerdings unter einer anderen Begrifflichkeit. Es ging in Rom vor
allem um das ständige Veteranenproblem. Das stand laufend auf
der Agenda von Senat, Konsuln und Kaisern. Es war schon damals ein
zähes und quälendes politisches Dauerthema, welches allerdings für
keinen der damit Beteiligten auch nur irgendeinen Platz für ehren-
oder ruhmvolle Taten übrig ließ. Im Prinzip musste sich die
römische Politik und Verwaltung aber mit den gleichen Problemen
befassen, wie man es auch schon in älteren gut verwalteten
Großreichen gekannt hatte, etwa im antiken Ägypten oder Persien,
oder selbst damals und bis heute im weit entfernten aber nichts desto
Trotz sehr gut verwalteten China.
Für eine recht lange Zeit konnte man
in Rom das Veteranenproblem recht einfach lösen, nämlich durch
Expansion. Das Veteranenproblem entstand daraus, dass Rom für seine
Eroberungsfeldzüge Soldaten anwarb, die nach dem Ausscheiden aus dem
Militärdienst für ihre Leistungen im Krieg entsprechend entschädigt
werden mussten. Das geschah in der Regel dadurch, dass man den
Soldaten Landbesitz in den neu eroberten und unterworfenen Gebieten
zuwies, welchen sie dann mittels Bewirtschaftung als Einkommensquelle
für ihre Altersversorgung nutzen konnten.
Das Beispiel der römischen Veteranen
für das grundsätzliche Verständnis eines Rentensystems macht
folgendes anschaulich: Die Altersversorgung der aus dem Dienst
ausgeschiedenen Legionäre bestand darin, dass sie ein Stück Land
besitzen, das sie bis zu ihrem Ableben bewirtschaften konnten. Erst
durch diese aktuelle Bewirtschaftung, also das Erzielen von Erträgen
aus dem Boden, konnte sie eine Altersversorgung realisieren. Dabei
immer älter und gegebenenfalls siech werdend, waren es auf die Dauer
jüngere Leute, die die Bewirtschaftung tatsächlich zu betreiben
hatten, die alten Menschen aber gleichwohl mit ernährten. Ein
Prinzip nahezu aller menschlicher Gesellschaften, der Respekt vor dem
Alter, die Pietät (lat. „pietas“, hier im Sinne von
Pflichtgefühl) hat keinesfalls ihren Ursprung in göttlicher
Frömmigkeit, sondern in der schlichten wirtschaftlichen
Notwendigkeit, dass junge erwerbstätige Menschen die Alten mit
versorgen müssen.
Prinzip der Altervorsorge
Das ist schon seit damals der
entscheidende Punkt für jedes Altersversorgungssystem und er ist es
bis heute geblieben. Eine jüngere erwerbsfähige Generation hat
durch ihre Tätigkeit die Versorgung der älteren Generation mit zu
betreiben. Aus diesem Mechanismus gibt es kein Entrinnen! Wer der
Meinung ist, es könne ein Rentensystem geben, welches ohne diesen
Generationenmechanismus funktioniert, irrt! Zur Veranschaulichung
sollen hier einige moderne Kapitalanlagesysteme zur Altersversorgung
in ihrem funktionalen Kern dargestellt werden:
Kapitalanlagen in festverzinslichen
Wertpapieren (Schuldscheine). Der Ertrag ist der Zins. Doch der kommt
nicht wie ein Wunder von einer Zentralbank. Die in festverzinsliche
Wertpapiere angelegten Ersparnisse müssen direkt oder indirekt in
eine produktive Investition angelegt werden, in der heute
und jetzt eine Ertrag erwirtschaftet wird, um die Zinsen zu
bedienen.
Kapitalanlagen in Unternehmensanteilen
(Aktien). Ersparnisse von Kapitalanlegern werden direkt in ein
produktives Unternehmen investiert. Diese müssen dann
die Erträge erwirtschaften, aus denen eine aktuelle Altersversorgung
geleistet werden kann.
Kapitalanlagen in Gewerbe- und
Wohnimmobilien. Ziel einer Investition in unbewegliche Güter ist es,
später Erträge aus Mieten und Pacht zu erzielen, welche für die
dann aktuellen
Altersversorgungsbezüge heran gezogen werden können.
Kapitalanlagen in die Landwirtschaft.
Schon am Beispiel aus dem antiken Rom ist deutlich geworden, nur die
zukünftige Bewirtschaftung
schafft Erträge für eine Altersversorgung.
Diese einfachen Beispiele zeigen
deutlich: Die Form einer Kapitalanlage ist im Grund nur eine Art
Verpackung. Eine Vereinbarung darüber, zu welchen Konditionen und
aus welchen Quellen künftig die Altersversorgung gespeist wird. Ein
Versprechen auf zukünftige Zahlungsströme. Bei jeder Kapitalanlage
aber werden erst zum Zeitpunkt der Rentenzahlung durch
Bewirtschaftung des Kapitals dann aktuelle Erträge generiert. Das
kann aber immer nur durch die jüngere aktuell erwerbstätige
Bevölkerung geschehen. Wer denn glaubt, die fiktiven Erträge seiner
Ersparnisse seien von diesem Mechanismus völlig los gelöst und
würden unabhängig von den gegenwärtigen Entwicklungen der
Wirtschaft Zahlungsströme produzieren, wird zwangsläufig falsche
Entscheidungen treffen.
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Otto von Bismarck, gemeinhin der Erfinder der modernen Rentenversischerung Kaiser und König hatte im ein Landgut geschenkt, (Quelle: wikipedia, gemeinfrei) |
Das Ganze ist nichts anderes, als in
einem System staatlicher Rente auf Umlagenbasis. Hier gilt, mehr
noch als bei den Kapitalanlagen, das die aktuell erwerbstätige
Bevölkerung die Altersversorgung der jetzigen Rentenbezieher
erwirtschaftet. Allerdings leidet dieses Modell in besonderer Weise
unter dem demographischen Problem. Sehr gut arbeitet ein
Umlagensystem zur Altersversorgung dann, wenn das Volumen der
Rentenversicherungsabgaben von Erwerbstätigen pro Monat deutlich
über dem Volumen des Rentenleistungsbezugs pro Monat liegt.
Einfacher ausgedrückt: es wird mehr in die Rentenkasse eingezahlt
als ausgezahlt. Das hat solange gut funktioniert, solange es eine
stete Zunahme der erwerbsfähigen Bevölkerung gab und eine
langfristig relativ stabile Anzahl von Rentenbeziehern.
Seit den 1960er gibt es aber in vielen
Ländern der westlichen Welt eine Umkehr der demographischen
Entwicklung. Die Anzahl der Erwerbstätigen nimmt ab, die der
Leistungsbezieher zu. Dabei ist eine pro Kopf-Messung nicht
aussagefähig, sondern allein die Messung nach Leistungsmonaten.
Dadurch wird vor allem die steigende Lebenserwartung mit
berücksichtig. Denn es gibt nicht nur eine zunehmende absolute
Anzahl von Rentenbeziehern, sondern vor allem auch eine ansteigende
Dauer des Rentenbezugs. In jedem Fall gilt aber, die heute zu
zahlenden Renten müssen auch heute erarbeitet werden. Wie auch immer
verpackt, Zahlungen zu Altersversorgung sind im Kern immer
Umlagezahlungen von der erwerbstätigen Bevölkerung an die nicht
erwerbstätige Bevölkerung.
An dieser Stelle muss man auch gleich
mit einem anderen Mythos aufräumen. Die Mär von einem
überproportionalen Vermögensanstieg zum Rentenalter hin, wenn man
nur eine richtige Kapitalanlagestrategie verfolge. Natürlich, in
seltenen Einzelfällen können Menschen das Glück und zum Teil auch
das Geschick haben, im Alter über einen deutlichen Mehrwert an
Vermögen zu verfügen. Nicht nur nominal sondern auch real in Bezug
auf das angesparte Kapital. Das hat aber die Wahrscheinlichkeit eines
Wettspiels. In der Breite gilt: Die Kaufkraft zum Zeitpunkt als Geld
zur Altersversorgung gespart wurde, entspricht am Ende in etwa der
Kaufkraft beim Bezug der Altersversorgung. Nicht mehr und nicht
weniger.
Wie eine Altersvorsorge angehen?
Viel wird in der Praxis darüber
gestritten, welche Kapitalanlageformen denn nun die sichersten oder
die ertragreichsten seien. Die Bedeutung dieser Fragestellung ist
nachrangig! Die allererste Frage muss nämlich lauten, welche
Anlageform passt zum Sparer, also zu dem der Vorsorge betreibt?
Genauer: Welche Anlageform passt zu den Lebensumständen eines
Sparers zu einer gewissen Zeit in seiner Einkommenshistorie?
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(Quelle: BiB 2017 / demographie - portal.de) |
Es ist heute schwerer denn je, darauf
die richtige Antwort zu finden. Die Einkommensverhältnisse sind
nicht mehr langfristig stabil. Planungen auf Jahrzehnte hinaus in die
Zukunft so gut wie nicht mehr möglich. Dazu ändern sich in
bemerkenswert rascher Abfolge die Rahmenbedingungen unter denen
Altersvorsorge heute betrieben werden muss. Das Thema ist in den
letzten 40 Jahren regelrecht politisiert worden. Ständig wird an
Stellschrauben wie der Besteuerung, der staatlichen Förderung, der
Anlagebedingungen, der Sozialabgaben und etlichem mehr von den
politischen Parteien von Bundestagswahl zu Bundestagswahl je nach
ideologischem Gusto gedreht. Im Grunde genommen müssten die
staatlichen Regeln zur Altersversorgung Verfassungsrecht sein, über
das die Tagespolitik gar nichts zu entscheiden hat. Jedenfalls ist
für den Einzelnen eine langfristige Planung über Jahrzehnte hinweg
so gut wie unmöglich geworden.
Doch der erste richtige Schritt ist,
sich selbst mit dem Thema immer wieder auseinander zu setzen. Das ist
sicher lästig. Wer allerdings die Beschäftigung mit den eigenen
Finanzen von sich weist, macht sich selbst zum Opfer sogenannter
Experten, Berater und Produktverkäufer. Kein Wunder, dass heute
viele Menschen, die vielleicht vor dreißig Jahren vermeintlich
sichere und ertragsstarke Kapitalanlageverträge eingegangen sind,
heute mit Erschrecken feststellen müssen, dass von den damals
erstellten Prognosen zur Vermögensbildung recht wenig übrig
geblieben ist.
Für die Zukunft gilt: Auf jede
grundsätzliche Änderung in der persönlichen Einkommenslage
(Beförderung, Kündigung, Arbeitswechsel, Auslandsaufenthalte,
Arbeitslosigkeit, Verselbständigung, etc.) muss die Auswirkung auf
die vorhandenen Pläne zur Altersversorgung mit berücksichtigt
werden. Was gar nicht geht ist, Jahrzehnte lang laufende Verträge
unkritisch weiter anzusparen, ohne deren Zweck und Ziel immer wieder
zu überprüfen.
Diese Zwischenanalyse der persönlichen
Altersversorgung ist auch immer dann fällig, wenn es zu erheblichen
Änderungen beim Steuerrecht und beim Rentenrecht kommt. Schließlich
ist sie auch immer dann notwendig, wenn sich die allgemeine
wirtschaftliche Lage wesentlich ändert. Das soll kein Aufruf zu
hektischen Aktionen wie Vertragsänderungen und Ähnlichem sein.
Solche Maßnahmen stehen, wenn überhaupt, erst ganz am Ende von
Analyse und Entscheidungsprozess. Doch von einer immer wieder
kehrenden Beschäftigung mit diesem Thema, kann man sich nicht
entziehen. Heute und künftig mehr denn je als schon bisher.
Wer heute über magere Renten klagt,
über niedrige Zinsen bei der Geldanlage, über gesetzliche
Ungerechtigkeiten bei der Besteuerung und den Sozialabgaben, der
zeigt nur, dass man sich fahrlässig auf Dritte verlassen hat und
sich nie wirklich selbst um seine Angelegenheiten kümmern wollte.
Eine typische, weit verbreitete Einstellung der Menschen hierzulande,
zu ihren persönlichen Finanzverhältnissen. Es ist schlicht nicht
gerechtfertigt, warum die heutige Erwerbsbevölkerung für einen
solcherart schlampigen Umgang der Menschen mit ihrem eigenen Geld
auch noch bezahlen muss. Man kann natürlich nicht abstreiten, dass
die Politik über Jahrzehnte hinaus in diesem Thema nicht nur
politisch total versagt hat, sondern dies auch heute und künftig
noch weiterhin ungestraft tun kann. Die jüngsten Vorschläge des
Arbeitsministers Heil sind hierfür ein beredetes Beispiel. faz.net/aktuell/wirtschaft/das-ist-das-neue-32-milliarden-euro-grosse-rentenpaket
Doch weil jede aktuelle Rentenzahlung
immer von den aktuellen Erwerbstätigen auch heute bezahlt werden
muss, ist die beste Altersvorsorgepolitik für die Zukunft, eine
ausgeglichene Demographie und ein gesundes Wirtschaftswachstum
herzustellen. Das ist es, was die Bevölkerung als Souverän des
Staates der Politik als Hausaufgabe mit auf den Weg geben muss. Jedes
politische Programm, dass diese Kernpunkte des Wohlstandes nicht zum
zentralen Thema macht, ist nutzlos. Wie jüngste Umfragen beweisen,
hat die Bevölkerung dies als ihr wichtigstes Anliegen längst
verstanden. www.faz.net/aktuell/politik/inland/sonntagsfrage-spd-liegt-wieder-vor-der-afd Die gegenwärtige Politik versteht das aber, über alle
Parteien hinweg, offensichtlich gar nicht!
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