Wirtschaften muss Win-Win sein -Die neue Strategie der Deutschen Börse- von Thomas Seidel

Handelssaal der Deutschen Wertpapierbörse in Frankfurt am Main
(Quelle: wikipedia, gemeinfrei, Urheber: DesertEagle)


Vor sechs Monaten musste der alte Chef der Deutschen Börse, Karsten Kengeter, unfreiwillig seinen Job aufgeben. Zu sehr hatte er sich in einen politisch ungeschickten Kampf um den Erwerb der Londoner Börse verstrickt. Nun präsentierte sein Nachfolger Theodor Weimer, auf Einladung des Center for Financial Studies an der Frankfurter Goethe-Universität, launig und optimistisch die Zukunft von Europas größter Börse.

In seinem Vortrag unter dem Titel „Die Deutsche Börse zwischen Kunden, Investoren und Regulatroik“ stellte der, von der bayrischen HypoVereinsbank (heute nur noch ein Anhängsel der italienischen Unicredit Bank) kommende, neue Vorstandsvorsitzende gleich klar, Börsen seien nicht dazu da, Menschen glücklich zu machen. Börsen seien heute vielmehr zugleich Kapitalmarkt und Infrastrukturanbieter. Weimer sieht weltweit klare Hierarchien bei den großen Börsen. An der Spitze stünden IntercontinentalExchange aus Atlanta, zu der die New York Stock Exchange zählt und die Chicago Mercantile Exchange mit einer Marktkapitalisierung von 35 bis 40 Mrd Dollar. Dann folge die Deutsche Börse mit rund 22,8 Mrd €uro. Sie sei damit vier bis fünf Mal so groß wie die nächste europäische Börse die Euronext. Einem ermüdend neuem Versuch, im dann inzwischen fünften Ansatz, durch Fusion zu wachsen, erteilt Weimer eine deutliche Absage. Börsen seien Teil der nationalen Identität. Ob das auch für den Anachronismus der lokalen deutschen Börsen in Hamburg, Düsseldorf, München und Stuttgart gilt, lässt Weimer allerdings offen.

Theodor Weimer Chef der Deutschen Börse AG
(Quelle: Thomas Seidel)
Weimer sieht die Börsen als einen Vermittler zwischen den Regulatoren und den Marktteilnehmern. Während der Finanzkrise hätten sich die Börsen als extrem stabil erwiesen. Ein Grund, warum die Regulatoren das ausserbörsliche OTC-Geschäft (Over-the-counter) nur allzu gerne in die angeblich transparentere und reguliertere Börsenmechanik hinein zwingen wollen.

Die Deutsche Börse selbst sei hoch profitabel und strebt an, jährlich mit 10 Prozent zu wachsen. Man habe sich für die Strategie entschieden, sich evolutionär und technologisch weiter zu entwickeln. So biete die Deutsche Börse als Dienstleister den Banken bereits an, das Meldewesen für die Regulatoren zu erledigen. In diesem Bereich habe man bereits 2.500 Banken als Kunden gewonnen. Man habe die Technologie, modernste Prozesse mit großen Datenvolumen anbieten zu können. So sei die Deutsche Börse in der Europäischen Union mit 70 Prozent Marktführer bei derivaten Produkten und wickle 50 Mio Transaktionen pro Tag ab. Die Indizes der Deutschen Börse wie der DAX, MDAX oder TecDAX seien bekannt und nachgefragt. Es handle sich um milliardenschwere Brands.

Die Deutsche Börse sei weltweit die einzige, die Nachhandel betreibe. Die Tochter Clearstream in Luxemburg verwaltet und verwahre für 14.000 Mrd €uro Wertpapiere. Wer die Verwahrung habe, kassiere auch die Custody-Fee. So mache Clearstream 800 Mio €uro Umsatz und bringe 400 Mio €uro Profit im Jahr. Clearstream sei rechtlich eine Bank mit einem Doppel-A-Rating, welches man nicht aufs Spiel setzen wolle. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Deutschen Börse liege bei 20. Wer heute die Technologie besitze, habe auch den Markt. Allerdings sei man als Börse zum Wachstum verdammt.

Die IHK in Frankfurt am Main mit Wertpapierbörse
(Quelle: Thomas Seidel)
Entwicklungsmöglichkeiten auch ohne spektakuläre Fusionen sieht Weimer für die Deutsche Börse einige. Der Devisenmarkt sei mit 50.000 Mrd Dollar riesengroß. Weiter will man auch in Commodities (Nicht-Finanzgüter wie etwa Rohstoffe) wachsen. So sei man auf dem Energiemarkt in Europa bereits Führer mit einem Marktanteil von 60 Prozent, weltweit seien es 40 Prozent. Auch soll das Dienstleistungsangebot erweitert werden. Man will auf eine Handelszeit von 23 Stunden kommen und man müsse bei der T2-Abwicklung besser werden.

Mittelfristig sieht Weimer in der Blockchain kein Problem. Die Prozesse der Blockchain seien viel zu energiefressend. Wolle man alle derzeitigen Transaktionen der Deutschen Börse in der Blockchain abwickeln, reiche die weltweite Stromproduktion dafür nicht aus. Der Brexit schließlich könnte im Clearingbereich zu einem Problem werden. London beherrsche das zu 98 Prozent. In diesem Bereich müsse man in der Lage sein, die notwendige Liquidität bereit zu stellen. Ansonsten seien die Kosten des Brexit an den Märkten bereits eingepreist zu sein.

Ob bullish oder bearish, die Börse gewinnt immer
(Quelle: Thomas Seidel)
Weimer zeichnet insgesamt ein positives Bild für die Zukunft der Deutschen Börse. Statt Fusionsspektakel ist nun organisches Wachstum die Devise im Haus. Wie sich die Dinge jedoch genau entwickeln, wird man erst absehen können, wenn endlich Klarheit beim Ausstieg von Großbritannien aus der EU herrscht. Gleichwohl hat die Deutsche Börse für die Zukunft wohl einige Pfeile im Köcher.

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