Was nicht ausdrücklich gesagt wurde -Bericht von den jüngsten Beschlüssen des EZB-Rates- von Thomas Seidel


Englische Version

Mario Draghi (m) bei seinen Ausführungen in Begleitung des
Vizepräsidenten der EZB Louis de Guindos und der Presseschefin Christina Graeff
(Quelle: Thomas Seidel)


Die erste EZB-Pressekonferenz im neuen Jahr 2019 verspricht zunächst nicht sehr interessant zu werden. In Bezug auf das was gesagt wurde, war sie das auch. Spannend aber ist das, wozu offensichtlich oder absichtlich nichts gesagt wurde.

Man ist sich sicher bei der EZB, die aktuellen Konditionen, mit einem Leitzins von Null Prozent und einem Stopp von Neuerwerbung im Ankaufprogramm, werden bis über den Sommer 2019 so bleiben, um das angestrebte Ziel einer Kerninflation von knapp unter zwei Prozent zu erreichen.
Was nicht gesagt wurde, es soll bis etwa zum Ende der Amtszeit von Mario Draghi als Präsident der EZB dabei bleiben.

Wenn davon die Rede ist, keine Neuankäufe von Staatsanleihen mehr zu tätigen, so wird dennoch der Bestand von, immerhin 25 Prozent aller Staatsanleihen im Euroraum, weiter auf diesem Niveau gehalten. Was nicht gesagt wird ist, fällige Staatsanleihen können durch Neuemissionen bei der EZB ersetzt werden. Die Staaten zahlen unter dem Strich also nichts zurück und bauen damit ihre Verschuldung nicht wirklich ab.

Manchmal besser nichts sagen?
(Quelle: Thomas Seidel)


Die politisch getriebenen Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen, etwa negative wie der Handelsstreit USA-China, der Brexit, die schwächelnde Nachfragen, oder positive wie die Arbeitsmarktentwicklung und die steigende Löhne, hätten aber noch nicht zum Erreichen des gewünschten Inflationsziels geführt. Insgesamt komme man zu dem Schluß, man betreibe die bewährte Geldmarktpolitik weiter, weil die Wirtschaft diesen Stimulus brauche, das erklärte Inflationsziel doch noch zu erreichen. Was nicht gesagt wurde: Muss sich die Wirtschaft ausschließlich an einem einzigen Ziel ausrichten?

Es folgt der allgemeine und stets wiederholte Aufruf an die politisch Verantwortlichen. Man müsse Strukturreformen vornehmen, strukturelle Arbeitslosigkeit bekämpfen, fiskalische Puffer anlegen, die Wirtschaft widerstandsfähiger machen und die Kapitalmarktunion vollenden. Was nicht gesagt wurde: Eine ausser Kontrolle geratene populistische Regierung in Italien lenkt das Land mehr und mehr in den Abgrund. Die bisher ohnehin nur zaghaften Reformen in Frankreich unter Präsident Macron drohen im wütenden Protest reformunwilliger französischer Bürger gänzlich unterzugehen. Die Art und Weise des Brexit und seine Folgen werden immer unabsehbarer.

Gilt wohl auch für den Vizepräsidenten?
(Quelle: Thomas Seidel)
Auf Nachfragen, woher der EZB-Rat seine so scheinbar sicheren volkswirtschaftlichen Schlussfolgerungen ziehe, führte Draghi aus, es sei die langfristige Kontinuität einiger Eckdaten, auf die man vertraue. Man beobachte die Entwicklung weiter. Entscheidend werde dabei die Lage sein, die sich dann im kommenden März abzeichne.Was nicht gesagt wird: Keiner weiß, wie sich die Dinge entwickeln, um den Austrittstermin Großbritanniens Ende März herum. Aber erst dann lohnt es sich, genauer hin zu schauen.

Ob die inzwischen lang anhaltende Null-Zins-Politik der EZB nicht allzu sehr die Ertragsfähigkeit der Banken belaste? Dafür seien eher die hohen Betriebskosten, Altlasten beim Kreditgeschäft und das Overbanking verantwortlich. Kein Wort zu den köchelnden Gerüchten einer staatsgelenkten Vereinigung von Deutscher Bank und Commerzbank in Deutschland.

Ein Witzbold aus dem Kreis der Journalisten fragte ernsthaft danach, ob sich die EZB mit dem Thema einer digitalen Währung beschäftige. Draghi verweist auf die Ergebnisse von Untersuchungen, die allesamt mehr Nachteile als Vorteile einer digitalen Währung aufzeigen. Was er nicht sagt ist, wenn es in der Stadt Frankfurt nicht einmal mit einem digitalen Ticket für den öffentlichen Nahverkehr klappt, wie soll es dann erst bei den Zentralbanken funktionieren?

Manchmal darf es ausführlicher sein!
(Quelle: Thomas Seidel)


Zu was Mario Draghi aber definitiv nichts zu sagen hat, sind Fragen zu seiner Nachfolge als Präsident der Europäischen Zentralbank. Auch nicht zu Spekulationen über die Vizepräsidentin der Europäischen Bankenaufsicht Sabine Lautenschläger. Das sei anderer Leute Aufgabe.

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