„Gäschte“ sind in Württemberg nicht willkommen -Ein Reisebericht von Thomas Seidel-
Keine Romantik am Ententeich (Quelle: Thomas Seidel) |
Es sollte ein kurzes Erholungswochende
sein. Vier Tage in einem Wellness-Hotel ausruhen, schwimmen,
entspannen und wieder ein wenig Kraft schöpfen. Doch die schwäbische
Gast-Unfreundlichkeit hat den guten Vorsatz fast zu einem Desaster
werden lassen. Doch was an menschlichen Defiziten zu beklagen ist,
wird wenigsten durch eine hervorragende Küche zum Teil kompensiert.
Ein sich anschließender Kurzbesuch in schwäbischen „Oxford“
Tübingen, unterstreicht allerdings wieder den ersten schlechten
Eindruck.
Auf der Suche nach einem passenden
Wellness-Hotel fiel die Wahl auf ein Haus im württembergischen
Freudenstadt. Etwas ausserhalb des Ortes gelegen, angeblich im Wald,
angeblich an einem See. Doch der Wald wurde durch die
Schwarzwaldhochstraße durchschnitten, und der Langenwaldsee erwies
sich als ein großer Ententeich.
Nur einzelne Touristen verirren sich auf dem weiten Marktplatz in Freundenstadt (Quelle: Thomas Seidel) |
Zunächst fuhren wir zu bester
Geschäftsöffnungszeit am Samstag mittag in Freudenstadt ein.
Freilich zeigte sich Freudenstadt ganz freundlos. Beherrscht wird die
Mitte des Schwarwaldkurortes von einem, mindestens zwei
fussbaldfeldergroßen, Marktplatz, dessen einziges Bauwerk ein
unangemessen großes Postamt in dessen Mitte ist. Umsäumt wird der
Platz an allen vier Seiten von Häusern, die mit schönen
Arkadengängen miteinander verbunden sind und viele kleinere und
mittlere Geschäfte und diverse Gastronomie beherbergen. Doch von den
gastronomischen Betrieben abgesehen, sind fast alle Geschäfte
geschlossen. Nur ein paar vereinzelte kleine Gruppen von erkennbaren
Touristen verirren sich in der Weite dieses Platzes. Eine
Hochzeitsgesellschaft mit einer etwa vierzigjährigen, ganz in Weiß
gehüllten, Braut eilt zum Rathaus, welches an einer Ecke des Platzes
residiert. Die unwürdige Hast ist nötig, weil es für Autos beim
Rathaus keine Anfahrmöglichkeit gibt und der Eingang zur Tiefgarage
des Marktplatzes unangemessen weit weg vom Rathaus ist. Eine
unwürdige Szene für eine solche Zeremonie. Das aber erklärt nicht
die nahezu vollständige Abwesenheit der Einheimischen. Es müsste
nur so von betriebsamen Menschen wimmeln. Fehlanzeige. Des Rätsels
Lösung: man hockt irgendwo bei Mittagessen, welches es nur zwischen
Zwölf und Zwei gibt. Man wird später gleich noch einmal auf diese
zeitliche Gängelung zurück kommen. Der Ort hat nichts zu bieten,
also weiter zum Hotel.
Der Wald umrahmt den Teich (Quelle: Thomas Seidel) |
Das Landhaus entpuppt sich eher als
eine riesige Gaststätte mit angeschlossenem Hotel als anders herum.
Da wir zur Mittagszeit eintreffen, sind wir für den Empfang
offensichtlich schon deshalb ein Störfaktor. Schnell wird man mit
den nötigsten Informationen abgefertigt. Für eine Begleitung etwa
aufs Zimmer, oder eine Einweisung in die Hotelabläufe ist jetzt
keine Zeit, man wird sich schon selber zurecht finden müssen. Die
Botschaft ist klar: Jetzt in der Mittagszeit stört der „Gascht“
nur.
Aber für eine Belehrung ist
dann doch ausgiebig Zeit: Frühstück von 07:30 bis 10:00, sonntags
ausnahmsweise eine halbe Stunde später und länger, Mittagessen von
12:00 bis 14:00 und Abendessen von 18:00 bis 20:00. Man könne dann
solange sitzen bleiben wie man will, aber die letzte Order an die
Küche muss um 20:00 Uhr eingegangen sein!
Man richtet sich ein. Das Zimmer
erweist sich als groß genug und modern, aber extrem geschmacklos
eingerichtet. Die Möblierung wirkt wie von POCO, nochmal mit 40
Prozent Sonderrabat für Großabnehmer. Das Bad dagegen ist
unangemessen klein, technisch mit dem Nötigsten auf dem Stand der
Zeit ausgestattet, aber auch nur das. Auffallend ist das Fehlen
jeglicher Form von Kleiderhacken, etwa zum Aufhängen der Bademäntel.
„Vermögen isch, dasch was man spart“ sagt der Schwabe. Allerdings, geheizt wird im Hotel als gäbe es kein ökologisches Morgen. Wie kommt das? Sind da falsche energiepolitische Anreize am Werk? Was läuft schief im Musterländle Herr Kretschmann? Zufriedenstellend aber erweist sich wenigsten der Wellness und
Schwimmbereich. Der liegt auf Höhe des, direkt an das Hotel
angrenzenden Ententeichs. In dem kann man zwar nicht baden, aber der
Anblick des leicht in Sonnenstrahlen glitzernden Sees hat schon etwas
Beruhigendes. Ansonsten ist alles umgeben von den schlanken Bäumen
des Hochschwarzwaldes, bis eben auf den Einschnitt der
Schwarzwaldhochstraße.
Essen, Kaffee und Kuchen sind gut, können aber die schwäbische Unart nicht wettmachen (Quelle: Thomas Seidel) |
Zum ersten Abendessen wird man gleich
wieder mit der ganzen schwäbischen Gastfreundschaft konfrontiert.
Man betritt einen der Gasträume und wird zunächst einmal am
Weitergehen gehindert. „Kommet sie zum Esse hier her? Da braucht es
erscht mal eine Zimmernummer!“ Weiter kommt man nicht, bis
irgendeine Vorgesetzte diese Legitimation bestätigt und man einen
Platz zugewiesen bekommt, an den man sich für alle anderen Tage auch
gefälligst immer hin zu setzen habe. Der Tisch liegt dem ständig
offenen Kücheneingang direkt gegenüber und so erstickt jede
Unterhaltung am klapprigen Lärm, der aus der Küche quillt. Die
Bitte um Platzverlegung wird zwar am nächsten Tag erfüllt, nicht
aber ohne sehr tadelnde Blicke, wie man ein so unverschämtes
Ansinnen nur vortragen könne. „Der Gascht hat zu erdulde, was man
ihm zumutet“.
Allein was aus der Küche kommt, macht
vielen Ärger wett. Jeder Gang, von der Suppe bis zu „Desssert“
ist ausgesprochen köstlich und geschmacklich einfallsreich. Nur die
Weinkarte lässt zu wünschen übrig. Die Auswahl ist zunächst sehr
lokal, dann ein wenig europäisch, sonst nichts.
Am Sonntag ist Muttertag. Das macht dem
Personal schon beim Frühstück große Sorgen. Eine Bedienung beklagt
sich laut bei den „Gäschten“ am Nachbartisch: „Die (gemeint
sind die Hausgäste) komme heut' alle später und dann wird’s eng
zum Mittagessche“. Da die Hauptmahlzeit des Schwaben immer noch das
Mittagessen ist, sind natürlich all die Mütter dafür, und danach
zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Dennoch wird von den engen
zweistündigen Essenszeiten kein Millimeter abgewichen. Da die Bude
mit aushäusigen „Gäschten“ voll ist, herrscht in der Küche und
beim Servicepersonal Großkampftag. Die damit verbundene
Geräuschkulisse dringt bis in den Wellnessbereich vor. Gegen Abend
freilich ist die Invasion wieder vorbei.
Aber auch sonst wird dem „Gascht“
ständig signalisiert, dass er eigentlich nur die internen
Betriebsabläufe stört und sich gefälligst zu beeilen hat. So steht
das Zimmermädchen einmal bereits in der Tür, bevor man sich noch
richtig angezogen hat. Selbst beim Frühstück wird einem der noch
halbvolle Teller schon mal weg gezogen. Zwar entschuldigt man sich
mit der Bemerkung, man hätte den Eindruck gehabt der „Gascht“
sei schon fertig, aber die Geste an sich bleibt unmissverständlich.
So ist allein eine angenehme Erholung im Wellness-Bereich und ein
sehr gutes Essen als positiv im Gedächtnis geblieben. Selbst bei
gutem Willen, die tumbe schwäbische Art mit fremden „Gäschten“
umzugehen, stößt an allen Ecken und Enden unangenehm auf. Das Geld
der „Gäschte“ wird aber immer gerne genommen. Bei unserer
Rechnung vertut man sich zunächst glatt um 690,00 Euro zu Gunsten
des Hotels. So behandelt, kann man weder für die Unterkunft als
solche, noch für das ganze Land eine Empfehlung abgeben.
Das Rathaus in Tübingen kann nur zufällig entdeckt werden (Quelle: Thomas Seidel) |
Auf der Rückreise machen wir einen
Stopp im nur 61 km entfernten Tübingen. Das „Oxford“ des
Schwabenlandes ist eine der ältesten Universitäten auf deutschen
Boden. Das Örtchen kommt denn auch im Kern durchaus noch sehr
mittelalterlich daher. Eigentlich ist es ganz schmuck,
eigentlich könnte es ganz romantisch sei, eigentlich
gäbe es vielleicht auch das ein oder andere Interessante zu sehen.
Jedoch, man weiß es nicht. Es gibt keine Hinweise auf vielleicht
touristisch Interessantes. Keine gescheite Beschilderung, die einem
sagt, hier geht es zum Schloss, hier zum schmucken Rathaus oder was
auch immer. Statt dessen strahlt der ganze Ort diese Gewissheit aus:
Fremder „Gascht“ Du bist hier nicht willkommen. Lass
„wenigschtens“ Dein Geld hier und sieh ansonsten zu, dass Du
wieder gääst. Und von wegen schwäbische „Kehrwoche“! Beim
Bummel durch den Ort lagen überall wirklich haufenweise die
prallvoll gestopften Müllsäcke herum! Die sind selbst um 12:00 Uhr
noch nicht abgeholt? Angesichts der jetzt fälligen Mittagspause bis
14:00 Uhr beschleichen einen die Zweifel, ob das überhaupt noch am
gleichen Tag geschieht. Ein schwäbischer Mythos ist dahin!
Zusammen mit den vor wenigen Jahren in
Überlingen am Bodensee gemachten Erfahrungen in Sachen
„Gaschtfreundschaft“ und der großen Enttäuschung beim Besuch
der Insel Mainau, muss man inzwischen das ganze Land, aber vor allem
Württemberg als touristisches Zielland in Frage stellen. Bei aller
landschaftlichen Schönheit, bei aller guten Küche, dies macht
einfach nicht die grobe, bäuerlich tumbe Umgangsart vor allem der
Schwaben wett, wenn es um die Behandlung der fremden „Gäschte“
geht. Das sie auch ganz anders können, merkt man sehr deutlich wenn
sie unter sich und ihresgleichen sind. Um so schlimmer ist die
teilweise unverschämt abweisende Art, wenn es sich eben nicht um
einen Landsmann oder eine Landsfrau handelt.
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