Mitteleuropa ist der globale Patentmotor -Statistik richtig interpretiert- von Thomas Seidel


Thomas Alva Edison der bis heute bekannteste Erfinder der USA
(Quelle: wikipedia, gemeinfrei,
Urheber: Louis Bachrach, Bachrach Studios, restored by Michel Vuijlsteke)




In einem launigen Artikel berichtete vor einigen Wochen die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) über eine Statistik zum Stand der Anzahl von Patentanmeldungen verschiedener Länder des Jahres 2018. In diesen Tagen werden die Aussagen ergänzt, durch eine Auflistung von Ländern mit den innovativsten Unternehmen weltweit.

Zunächst scheinen die Ergebnisse was Patentanmeldungen*1 angeht erwartbar und plausibel. In absoluten Zahlen stehen an erster Stelle die USA mit 43.612, gefolgt von Deutschland mit 26.734, und Japan mit 22.615 Patenten. Deutlich weniger Patente weisen dann Frankreich mit 10.317 sogar mit einem Rückgang von 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf. Es folgt China mit 9.401, die Schweiz mit 7.927, Südkorea mit 7296 und die Niederlande mit 7140 Patenten. Schon regelrecht abgeschlagen erst auf Platz 9 Großbritannien mit 5.736 Patenten, gefolgt von Italien mit 4.399 Patenten. Interessant ist noch der Wert von Österreich auf Rang 14 mit 2.292 Patenten.

Wer sich allerdings die Mühe macht, dieses Ranking in einen Bezug zur Bevölkerungszahl*2 der einzelnen Länder zu setzen, entdeckt ganz andere erstaunliche Zusammenhänge in dieser Statistik, aus der sich viele interessante Schlussfolgerungen ziehen lassen.



Land Rang absolut Absolut Pro 10.000 Einwohner Einwohner in Mio Rang pro 10.000 Einwohner
USA 1 43612 1,333700306 327 Mio 8
Deutschland 2 26734 3,220963855 83 Mio 3
Japan 3 22615 1,794841270 126 Mio 5
Frankreich 4 10317 1,539850746 67 Mio 6
China 5 9401 0,067390681 1395 Mio 14
Schweiz 6 7927 9,007954545 8,5 Mio 1
Südkorea 7 7296 1,403076923 52 Mio 7
Niederlande 8 7140 4,200000000 17 Mio 2
Großbritannien 9 5736 0,869090909 66 Mio 9
Italien 10 4399 0,733166667 60 Mio 10
:




Austria 14 2292 2,604545455 8,8 Mio 4

Diese Statistik wurde mit den Bezügen zur Bevölkerungszahl überarbeitet durch Thomas Seidel


Auf einmal steht die Schweiz weit oben im Ranking, etwa hälftig gefolgt von den Niederlanden, dann Deutschland und Österreich. Erst danach kommt Japan, wiederum etwa hälftig zu Deutschland, gefolgt von Frankreich, dem sehr nahe Südkorea folgt und erst dann die USA mit einem Wert weit unter der Hälfte des deutschen. Noch einmal deutlich schlechter rangieren Großbritannien und Italien und unsagbar weit abgeschlagen China.

Welche Schlussfolgerungen kann man aus diesem tieferen analytischen Bild ziehen?
Zunächst zeigt sich, in der Mitte Europas befindet sich nach wie vor das weltweit eruptivste Innovationszentrum. Diese Kraft steht in völligem Einklang mit der Exportstärke genau jener Länder weltweit. Offensichtlich gelingt es den Volkswirtschaften, effektiv und in der Breite global stark nachgefragte Produkte auf aktuellem technologischem Stand herzustellen und diese, trotz nicht gerade konkurrenzfähiger Herstellungskosten, erfolgreich zu vermarkten.

Noch überrollt der Ferne Osten nicht alles
 (Quelle, wikipedia, gemeinfrei,Urheber: Chico)


Japan, Frankreich und Südkorea agieren, zusammen mit den USA, in einer Art innovativem Mittelfeld. Auch das spiegelt sich klar in deren Exportniveau auf den Weltmärkten wider. Waren dieser Länder haben entweder nicht die technologische Aktualität oder die notwenige Produktqualität, um sich überall durchsetzen zu können. Das ändert nichts an derer scheinbaren Omnipräsenz vor allem auf Konsumentenmärkten. Fraglos gelingt es den Unternehmen aus den Ländern des innovativen Mittelfelds, ihre Produkte wirksamer zu vermarkten, als das Unternehmen der mitteleuropäischen Kultur jemals könnten. Gleichwohl sollte nicht vergessen werden, dass viele Konsumprodukte solcher Länder aber nur auf Maschinen aus Mitteleuropa überhaupt hergestellt werden können.

Universität Cambridge Kings College Chapel West
(Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: http-//www.andrewdunnphoto.com/)


Ein geradezu trauriges Bild gibt dagegen wiederum Großbritannien ab. Die aktuelle Patentstatistik belegt einmal mehr die These vom andauernden „Braindrain“, unter dem das Vereinigte Königreich schon seit Margaret Thatchers Zeiten leidet und dem bisher dort nichts Wirksames entgegen gesetzt werden konnte. Der anstehende Brexit, von dem man seit dem Wochen nichts mehr gehört hat, wird diese Entwicklung noch beschleunigen. Aus ist es mit dem Traum von einem wieder erstarkten glorreichen britischen Imperium. Die mannigfaltigen Ursachen dazu wurden in diesem Blog schon in vielen Beiträgen erörtert.

Shangahi Pudong in 2012
(Quelle: wikipedia, CCL, Urheber: J. Patrick Fischer)


Aber auch der Rang der Volksrepublik China macht die aktuellen Defizite dieser aufstrebenden Weltmacht deutlich. Noch immer und auch für lange Zeit wird China vor allem die Werkbank der globalen Wirtschaft sein, statt mit eigenen Innovationen deutlich punkten zu können. Man befindet sich im anhaltenden Kopierstadium, praktiziert diese Art der Fähigkeitsaneignung dennoch systematisch. Aber obacht! Anders als so manche ignoranten Politiker in den westlichen Ländern ist sich die kommunistische Führung in Peking der Defizite ihres Landes vollkommen bewusst. Wirklich atemberaubend an der Entwicklung in China ist vor allem die Geschwindigkeit, mit der man sich dort dem aktuellen Niveau in allen Dingen anzunähernd versucht. China, an dieser Erkenntnis führt kein Weg vorbei, wird den ihm in der Welt zustehenden Platz, schon allein aufgrund seiner schieren Bevölkerungszahl, einnehmen. Dieser Platz kann und wird einstmals der Erste sein. Aber China wird bis dahin keine Jahrhunderte einer Entwicklung brauchen, sondern seine Defizite in wenigen Generationen oder gar nur Jahrzehnten abbauen. Darüber sollte sich der Rest der Welt stets voll im Klaren sein.

Schließlich macht diese Statistik noch etwas anderes klar und deutlich. Es ist die Überlegenheit des tradierten Schul- und Ausbildungssystem, wie es in der Mitte Europas betrieben wird. Kein Oxford oder Cambridge, keine École polytechnique oder Bologna, kein Harvard, Yale, Princeton oder Standford haben es trotz ihres weltweiten Ansehens geschafft, eine Bevölkerung nicht nur in der elitären Spitze sondern auch in werktätigen Breite dermaßen zu qualifizieren, wie es seit über zweihundert Jahren in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden der Fall ist. Ganz offensichtlich ist es diese Breite, die dann auch zu einer Spitzenposition bei der Innovationsfähigkeit führt.

Vor dem Hintergrund des stark zunehmenden globalen Wettbewerbs, müssen aber Politiker vor allem im stark förderalen Deutschland unbedingt begreifen, dass Bildung und Qualifikation der wertvollste und wichtigste Schatz sind, der unbedingt und mit allen Mitteln gepflegt und erhalten werden muss.



*2 Quelle: wikipedia Stand Anfang Mai 2019

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