Der Rücktritt des Bundesbankpräsidenten ist für Deutschland eine tiefere Zäsur als das Amtsende der Angela Merkel -von Thomas Seidel-

JensWeidmann und Angela Merkel
Quelle: Google, Urheber: Der Spiegel



In einer Staatengemeinschaft wie der Europäischen Union geht es grundsätzlich um einen Interessenausgleich zwischen den beteiligten Nationen. Wenn man einmal historische Ressentiments, tradierte Weltanschauungen, sprachliche Missverständnisse und verschiedene Volkscharakter weg schält, bleibt im Kern nur die Absprache über die Verteilung von den gemeinsamen Geldmitteln übrig. Das ist es, was die Europäische Union wirklich ausmacht. Im Mittelpunkt dabei steht die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt, auch für die Länder der Europäischen Union, die der Gemeinschaftswährung €uro nicht beigetreten sind. Für Deutschland aber, läuft die Sache mit der EZB bislang denkbar schief!

Für die nach 2000 Geborenen muss man es kurz erklären. Vor allem in den 1980er-Jahren war alleine Westdeutschland mit der Deutschen Mark (DM) die erdrückend führende Wirtschaftsmacht in Westeuropa.  Eine ganze Reihe von europäischen Währungen waren in dem System des ECU miteinander verbunden, sogar das Britische Pfund gehörte dazu. Den Ton in diesem System gab der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank an. Gleich welche Entscheidung jeden zweiten Donnerstag dieses ausschließlich von Deutschen besetzte Gremium in Frankfurt am Main über Zentralbankzinsen, Geldmengen und Mindestreserven fällte, alle anderen Zentralbanken im ECU-System mussten sich entsprechend anpassen. Das war keine Sache vertraglicher Verpflichtungen, sondern wirtschaftlicher Vernunft. Das stank vor allem den Franzosen. Als dann am 9. November 1989 die Mauer fiel und  die Bundesrepublik Deutschland sich anschickte die Deutsche Demokratische Republik einzuverleiben, presste der damalige französische Staatspräsident Francois Mitterrand, für seine Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung, dem deutschen Bundeskanzler ohne Durchblick Helmut Kohl die Preisgabe der Deutschen Mark  ab.

Kohls damaliger Finanzminister Theo Waigel (CSU) glaubte tatsächlich, wenn man den Sitz einer Europäische Zentralbank räumlich nach Deutschland holen könnte, würden sich die Gremien dieser Institution schon so verhalten, wie man es bisher von der Deutschen Bundesbank gewohnt war. Immer bereit die Inflation zu bekämpfen und dafür mit harten Maßnahmen die Geldmenge kontrollieren. Im Gegenzug war er bereit, den Franzosen nach einer Übergangszeit des Niederländers Wim Duisenberg eine erste Präsidentschaft der EZB zu überlassen. Danach sollte es ein deutscher EZB-Präsident tun. Wenigsten der Chefvolkswirt sollte dann von der Deutschen Bundesbank kommen. So bestellte man Otmar Issing als ersten EZB-Chefvolkswirt in das Führungsgremium der EZB. Der tat auch acht Jahre lang sein Bestes, die EZB auf Kurs zu halten.

Dann aber verließen die Deutsche das Glück. Als Nachfolger von dem zweiten EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet wollte die deutsche Bundesregierung gerne den damaligen Deutschen Bundesbank Präsidenten Axel Weber etablieren. Der setzte sich jedoch lieber in die private Wirtschaft ab. So kam es, dass überraschend der Italiener Mario Draghi das Amt des EZB-Präsidenten besetzte. Nachfolger von Otmar Issing wurde Jürgen Stark von der Deutschen Bundesbank. Nach etwas mehr als fünf Amtsjahren gab der, ohnehin nur schwer dem Englischen mächtige, Stark seinen Posten bei der EZB vorzeitig auf. Jens Weidmann kam wegen politischer Opportunität nicht einmal in die nähere Auswahl für die Nachfolge von Mario Draghi.

Mit dem Rücktritt von Jens Weidmann als Präsident der Deutschen Bundesbank und gleichzeitigem Mitglied im Zentralbankrat der EZB verliert die deutsche Vorstellung von einer hart gegen die Inflation geschützten, im globalen Wettbewerb starken Heimatwährung endgültig den letzten Streiter. Der €uro wird zu jener Weichspülerwährung, die sich vor allem die Vertreter der lateinischsprachigen Länder im EZB-Zentralbankrat immer gewünscht haben, um die Defizite ihrer nationalen Wirtschafts- und Sozialpolitik mit möglichst viel ungedeckter Liquidität ausgleichen zu lassen.

Nach dem Amtsende von Angela Merkel werden auch die umstrittenen Eurobonds legalisiert werden, womit tatsächlich der Griff einiger €uro-Mitglieder in die deutschen, niederländischen und etwa auch finnischen Kassen gesichert sein wird. Denn man kann, von welcher künftigen Bundesregierung auch immer, nicht mehr erwarten, dass man dort die Komplexität dieses, mit langer Hand vorbereiteten, Währungscoups gegen eine solide Wirtschaftskraft und Fiskalpolitik richtig durchschauen kann oder will. Aus Sicht der Tauben im EZB-Zentralbankrat heißt es ab 2. Januar 2022: Champagner für Alle und für immer!

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