Schuldenkrisen basieren auf Kreditblasen von Thomas Seidel
Vor dem Hintergrund der Schuldenkrise wird man geradezu bombardiert mit
immer neuen Zahlen über staatlichen Schuldenberge, seien es die europäischen
Länder, seien es die Vereinigten Staaten von Amerika, sei es Japan oder auch
ein schuldnerischer Daueraspirant wie Argentinien. So gut wie nichts hört man
dagegen von den Verbindlichkeiten privater Haushalte. Doch diese müssten in die
Analysen dringend mit einbezogen werden, sagt Adair Turner, ehemaliger
Chefaufseher der britischen Finanzaufsichtsbehörde FSA, auf einer Veranstaltung
in Frankfurt am Main. Nur so könnten falsche politische Entscheidungen für die
Zukunft verhindert werden.
In den Industrieländern habe sich
der Anteil privater Verschuldungen von 50 Prozent in 1960 auf heute 160 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts mehr als verdreifacht. Selbst bei einem
Industrieneuling wie China habe das Volumen der sogenannten „social finance“
inzwischen ein Volumen von 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht.
Somit wachse die private Verschuldungsrate seit Jahrzehnten schneller als das
Bruttosozialprodukt dieser Gesellschaften. Die eher expansive Geldpolitik der
Zentralbanken habe in den zurück liegenden Jahren diese Entwicklung erst
ermöglicht. Dahinter stehe die Annahme, dass ohne die Ausdehnung des
Kreditvolumens kein wirtschaftliches Wachstum mehr möglich sei. Das reale
Aktienkapital (equity) reiche einfach nicht mehr aus, die Risiken des modernen
Unternehmertums zu finanzieren. Banken schaffen durch diese Kredite eine enorme
Kaufkraft.
Versäumnisse der Zentralbanken
Doch die immer größer werdenden
Kreditraten verursachen Instabilität auf den Finanzmärkten. Dies würde
verstärkt durch die Mechanismen von Krediten. Kreditverträge täuschten uns.
Anders als Aktienkapital, welches quasi für immer einem Unternehmen zur
Verfügung stünde, müssten Kredite immer wieder neu refinanziert werden
(roll-over). Das könne in Fällen von Finanzkrisen zerstörerische Wirkungen auf
das Wirtschaftswachstum haben. Beginnen die Leute erst einmal damit ihre
Kredite zurück zu zahlen, könnten Zentralbanken ihre Leitzinsen noch so sehr
nahe Null bringen, es würde solange kein Wachstum entstehen bis die Kredite
getilgt sein.
Zu lange hätten die Zentralbanken
nur auf die Entwicklung der Inflation geachtet und dabei vergessen Wert auf
ausgeglichene Finanzbilanzen zu legen. Das sei aber ein wichtiges Instrument,
um frühzeitig mögliche Anzeichen für eine deflationäre Entwicklung im Nachgang
einer Finanzkrise zu erkennen. Tatsächlich würden mit den meisten Krediten aber
keine neuen industriellen Entwicklungen finanziert. Vielmehr würde das
geliehene Geld zur Finanzierung von Käufen immer der selben Anlagewerte
benutzt. Mit anderen Worten, es würde immer mehr Geld für immer die gleichen
Sachen ausgegeben, nur das die Anlagewerte jedes Mal den Eigentümer zu
wahrscheinlich höheren Preisen wechselten, ohne das dadurch überhaupt neue Werte
geschaffen würden. Besonders deutlich sei das bei Immobilien, zu deren Erwerb
im Übrigen die allermeisten Finanzkredite benötigt würden. Dieses
Ungleichgewicht zwischen Kreditvolumen und Bruttosozialprodukt öffne letztlich
jene viel beklagte Schere zwischen Armen und Reichen in der Wirtschaft.
Politische Konsequenzen
Das drücke sich auch in den
Zahlungsbilanzen der Länder aus. Bilanzdefizite von Staaten werden dann zu
einem Problem, wenn das Überschusskapital eines Staates nicht in die Industrie
von defizitären Ländern investiert würde, sondern dort nur dem Konsum diene.
Der Politik sei geraten Impulse nur noch für ein nachhaltig stabiles Wachstum
zu setzen. Das könne beispielsweise mit mehr Eigenkapitalanforderungen und
höheren Zinsraten für Immobilien-und Konsumentenkredite erreicht werden.
Entscheidend für die Ordnung nach einer Krise sei, dem einzelnen Menschen einen
gerechten Anteil am Wachstum für die Befriedigung seiner Bedürfnisse zu
verschaffen oder, im Einzelfall, auch zu entziehen. Diesen Ausgleich zu
erzielen, sei nur über viel tiefer gehende Reformen des Finanzsystem erreichbar
als es momentan angestrebt würde.
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