Für die Fintech-Revolution fehlt in Deutschland das große Geld -Bericht von der 18. Euro Finance Week- von Thomas Seidel
Vorbereitungen auf die Fintech-Konferenz auf der 18. Euro Finance Week im Congress Center Messer Frankfurt (Quelle: Thomas Seidel) |
Auch die 18. Euro Finance Week in Frankfurt beschäftige sich
schwerpunktmäßig unter anderem mit dem in diesem Jahr allgegenwärtigen Thema
der Fintech-Unternehmen und ihre Bedeutung und Auswirkung auf die
Finanzbranche. In einer vom Veranstalter Maleki Group etwas ungewohnt in Szene
gesetzter Choreographie, trafen sich einmal mehr Vertreter von Banken,
Fintechs, Akademia, Politik und Finanzaufsicht und diskutierten über den Stand
und die mögliche Entwicklung der Dinge.
In einer ersten Keynote hob der hessische
Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir hervor, dass bereits jetzt fünf bis zehn
Prozent der („mündigen“ Anm. d.Red.) Deutschen bereit seien, ihre
Finanzverwaltung und ihre Finanztransaktionen auf Digitalisierung umzustellen.
Das mag erst einmal recht beeindruckend klingen, anders herum betrachtet sind
es aber eben 90 Prozent der Deutschen, die das zunächst nicht tatsächlich tun
und für die anderen 10 Prozent ist auch nur von einer Bereitschaft die Rede.
Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Quelle: Thomas Seidel) |
So
relativiert sich die mögliche Hebelwirkung von Fintechs auf die klassische
Finanzbranche in der Wirklichkeit, wie es andere Beiträge auch immer wieder
heraus arbeiten. Fintechs würden weniger durch neue Technologien auffallen,
als vielmehr durch die Vorstellung neuer Geschäfts-modelle. Druck könnten sie besonders
auf die Margen der Branche ausüben, aber weniger durch den Wegfall von
Geschäftsvolumen bei den Banken. In der Tat kommt bislang auch kein Fintech für
seine Dienstleistungen ohne die Verbindung zu einem klassischen Bankkonto aus.
Die Fokussierung auf nur eine Dienstleistung oder nur ein
Produkt mag für das einzelne Fintech von Vorteil sein, und ihm erlauben ein
kostengünstiges Angebot auf den Markt zu bringen. Allein, zur Abdeckung vieler
Arten von Finanztransaktionen bedingt das für den Kunden einen ganzen Zoo von
Fintechs-Apps auf seinen elektronischen Geräten vorzuhalten, die auch alle
regelmäßig gefüttert werden wollen, aber nicht untereinander kommunizieren
können. Es wird den Kunden früher oder später schlichtweg auf den Geist gehen,
für verschiedene Finanzdienstleistungen ständig unterschiedliche Apps bedienen
zu müssen. Diese Komplexität tritt vor allem bei alternativen Zahlungssystem
auf, was auch Jochen Metzger, Leiter der Abteilung für Zahlungs- und
Abwicklungssysteme bei der Deutschen Bundesbank, heraus arbeitete. Im Alltag
braucht es dafür die Akzeptanz vieler Geschäftspartner. Wer elektronische
Zahlungsinstrumente flächendeckend zum Einsatz bringen will, muss
Handelsketten, Versorgungs- und Verkehrsunternehmen, Kommunen und eine große Vielzahl
anderer Anbieter von Waren- und Dienstleistungen vertraglich an sich binden, um
überhaupt in der Breite eine Akzeptanz zu finden. Auch dabei muss eine
Zentralbank wie die Deutsche Bundesbank, zu deren Kernaufgaben die
Sicherstellung eines funktionierenden Zahlungsverkehrs gehört, mit eingebunden
werden.
Die Banken selbst träumen davon, Fintechs als Dienstleister
nutzen zu können, die ihnen lästige Aufgaben, wie etwa die Einhaltung der
MaRisk (sehr umfangreiche Vorschriften zum Umgang mit Handelsrisiken) oder den
Umgang mit dem Geldwäschegesetz, abnehmen könnten. Doch mit solch profunden
Behandlungen umfangreicher und komplexer Regelwerke mag sich in der
Fintech-Szene nicht wirklich jemand auseinander setzen, das ist wohl auch nicht
sexy genug. Gerade an dieser Stelle wird ein Problem speziell der deutschen
Fintech-Branche deutlich. Es geht um die Schauplätze Berlin und Frankfurt.
Während sich bislang in Berlin eine, für hiesige Verhältnisse ansehnliche,
Anzahl von Fintech-Unternehmen gebildet haben, krampft Frankfurt immer noch mit
sich selbst, wie es sich für diese Dienstleister attraktiver machen könnte. Die
Stadt Berlin gilt als hip und sexy, wo man gerne leben möchte und auch nach der
Arbeit etwas erleben kann, aber leider fehlt der Stadt im Gunde jegliches
solides Finanz-know-how. Frankfurt dagegen gilt von außen betrachtet als öde,
vielleicht manchen als zu spießig oder gemäß den alten Märchen aus den 1950er
bis 1970er Jahren schlicht als zu kriminell. Den politischen Stadtoberen in
Frankfurt gelingt es einfach nicht ordentlich Geld in die Hand zu nehmen und
mit wirklich professionellen Kampagnen das Image der Stadt dauerhaft zum
Positiven zu wenden, obwohl Frankfurt, trotz seiner eher kleinen Größe im
Metropolenvergleich, als europäischer Zentralort mit seiner Umgebung viel mehr
zu bieten hat, als etwa das flach-sandige Berlin. Für den wesentlichen
Durchbruch von Fintechs wird es gleichwohl unabdingbar sein, sich deutlich
tiefer mit fundiertem Bankenwissen auszustatten und das gibt es so freilich nur
in Frankfurt am Main.
Fintechs wiederum träumen von den Massen an Daten, die Banken über ihre Kunden über die Jahre hinweg in den Speichern ihrer Großrechenanlagen angesammelt haben. Aus einer etwas naiven informationstechnologischen Sicht heraus wird den Banken vorgeworfen, diese Daten, getrennt voneinander in den Silos der Geschäftsbereiche, brach liegen zu lassen und für die Steigerung des eigenen Geschäfts gar nicht richtig auszunutzen. Das klingt einerseits plausibel und ist auch so, andererseits erschreckt die Vorstellung, dass gerade die Generation junger Technologen, die ansonsten mit den Slogans von Datenschutz und informeller Selbstbestimmung groß geworden sind, über diese Daten herfallen und sie hemmungslos ausnutzen wollen wie einstmals die Heuschreckenplage über die ägyptischen Weizenfelder. Tatsächlich ist es der Finanzindustrie zum Teil gar nicht erlaubt kreuz und quer die gesammelten Daten über ihre Kunden auch intern zu nutzen. Nicht einmal die vereinheitlichte Anwendung ein und derselben Stammdaten ist ohne weiteres zulässig, was zunächst einmal die Grundvoraussetzung für alle weitere verfeinerte Analyse wäre.
Auch sonst ist gar nicht so viel erlaubt, wie es in anderen
Ländern, namentlich den USA und Großbritannien möglich sein soll. Mit Dr. Levin
Holle vom Bundesfinanzministerium und Claire Kütemeier von der Bankenaufsicht
(BaFin) waren diesmal in einer Diskussionsrunde auch zwei Vertreter der
öffentlichen Seite mit dabei. Zwar wolle man von ministerialer Seite aus sich
zunächst einmal die Chancen, welche Fintechs ermöglichen könnten, ansehen und
dann erst über die Risiken nachdenken. Eine gezielte Förderung von Fintechs,
wie sie etwa die britischen Finanzaufsicht betreibe, sei aber in Deutschland
aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Beklagt wurde unter anderem aus dem
Publikum die lange Dauer von bis zu einem Jahr, die es für Fintechs brauche
beim Aufsichtsamt überhaupt registriert zu werden, was in anderen Ländern
deutlich kürzer passiere. Dann zu hören, gerade bei diesen neuen Spielern am
Markt würde es doch erheblich länger dauern durch Rückfragen und ähnliche
Recherchemaßnahmen sich ein klares Bild von den Neulingen verschaffen zu
können, erinnert doch sehr stark an die ganz aktuellen Debatten, warum die
Bearbeitung von Asylanträgen von Kriegsflüchtlingen in Deutschland so überaus
lange dauere im Vergleich zu anderen Ländern. Man erahnt mehr als das man es
weiß, welche bürokratischen Abwehrmechanismen in beiden Fällen am Werke sein
müssen.
Panel Künftige Zahlungslandschaften (Quelle: Thomas Seidel) |
Wie dem auch sei, das Thema Fintechs ist in diesem Jahr
endgültig in der deutschen Finanzbranche angekommen. Viel Innovation spielt
hier eine Rolle, doch ein Ausleseprozess ist unvermeidlich. Es wird spannend
sein beobachten zu dürfen, wie sich die Fintech-Szene weiter entwickelt. Keiner
kann heute sagen, ob etwa die totale Ignorierungs- und Negierungspolitik der
Sparkassen die richtige Reaktion auf das Auftauchen der Fintechs sein wird. Die
etablierten Banken betonen immer wieder ihre Haltung, man schaue sich das gerne
an und picke das beste für sich selbst heraus. Die junge Konkurrenz würde aber über
kurz oder lang mit den schier unendlichen Möglichkeiten der eigenen
Kapitalkraft und der gesicherten Einbettung in das vorhandene Aufsichtsregime
erstickt. Ob die klassischen Banken tatsächlich durch Fintechs oder große
Internetplayer wie Apple oder Google gefährdet sein könnten, kann man zumindest
für Deutschland als kaum glaubhaft erachten. Ein Teilnehmer brachte es auf den
Punkt. Gemessen an den zwei Milliarden Dollar die in den USA bislang in dieses
Segment gesteckt wurden, sind die für Frankfurt nötigen aber noch nicht einmal
aufgebrachten 25 Millionen Euro gar nichts.
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