Mehr Glauben als Fakten -Bericht vom 9. Institutional Money Congress in Frankfurt- von Thomas Seidel

Zum neunten mal wurde ein Institutional Money Congress veranstaltet, wie immer in Frankfurt am Main. Die geschlossene Veranstaltung für institutionelle Anleger gleicht mehr einer Messe, gespickt mit Workshops und garniert mit Vorträgen einiger Starredner.

Der 9. Institutional Money Congress in Frankfurt, mehr eine Fachmesse als eine Tagung
(Quelle: Thomas Seidel)
Der erste von diesen war der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman (62), zur Zeit ein viel gelesener und gehörter Professor für Nationalökonomie unter anderem an der renommierten Princeton University. Sein Vortrag unter dem Titel „Leben mit geldpolitischer Ohnmacht“ (im englischen Original: „Living with monetary impotence“) beschäftigte sich mit der weltweit desolaten Wirkung klassischer Geldpolitik. Dabei bestreitet Krugman grundsätzlich nicht die Bedeutung von Geldpolitik, stellt aber fest, dass sie zur Zeit keinerlei Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung habe. Die Weltwirtschaft befände sich schlicht in einer Liquiditätsfalle. Man müsse wahrnehmen, dass sich die allgemeine Depression im Wirtschaftswachstum nicht mit Liquidität heilen lasse.

Paul Krugman bei seinem Vortrag
(Quelle: Thomas Seidel)
Das führe zu drei Kernaussagen. Erstens: Geldpolitik habe zur Zeit keine Bedeutung. Zweitens: Auch die Budgetdefizite der Staaten würden momentan keine besondere Relevanz haben. Drittens: Fiskalpolitik sei durchaus wichtig, würde aber politisch kontrovers diskutiert und sei dadurch in ihrer Wirkung gelähmt.  Dann widerspricht Krugman sich selbst und behauptet, angesichts dieser Umstände würde bei schwächelnder Wirtschaft allein noch die Geldpolitik der Zentralbanken eine Bedeutung zukommen. Im Rahmen der aktuellen Nullzins-Politik einiger wichtiger Zentralbanken ist es interessant zu beobachten, wie die ansonsten als Wirtschaftsfeind Nummer 1 so verhasste Inflation, jetzt auf einmal als hoffnungstragender Indikator für ordentliches Wirtschaftswachstum geradezu herbei gesehnt wird.

Krugman macht deutlich, es seien weniger die gegenwärtigen Beschlüsse von Zentralbanken, welche Einfluss auf Entscheidungen wirtschaftlicher Akteure hätten, als vielmehr deren Erwartungen auf die langfristig zukünftige Geldpolitik. So habe Mario Draghi mit seiner berühmten Aussage in 2012 „...innerhalb des Mandats der EZB alles zu tun was notwendig sei, um den Euro zu retten...“ tatsächlich eine Wirkung erzielen können. Freilich habe sich die EZB seitdem zum „lender of last resort“ weniger der Banken, als vielmehr inzwischen von Staaten entwickelt. Es sei also die Erwartungshaltung der Akteure in eine zukünftig mögliche Geldpolitik, auf die die Marktteilnehmer setzen. So hätte man beobachten können, dass ein Regimewechsel in der Geldpolitik zu Anpassungen bei den Anlagemärkten geführt hätten. Hier wirkt denn wohl mehr der Glaube an eine künftige Politik, als die gegenwärtigen Fakten in der Politik.

Doch ein Regimewechsel sei schwierig durchzuführen, gleichwohl aber nicht unmöglich. So habe etwa die Loslösung vom Goldstandard bei einigen Ländern in den 1930er Jahren durchaus für einen kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung gesorgt. Wie dem auch sei, Krugman ist überzeugt, Stagnation sei ansteckend.

Es gäbe einen direkten Zusammenhang zwischen der demographischen Entwicklung und dem Wirtschaftswachstum. Schon vor diesem Hintergrund sieht Krugman für Europa eine sehr lange Periode schwachen wirtschaftlichen Wachstums voraus. Die zunehmende Veralterung der Gesellschaften biete keine wirtschaftlich fördernden Impulse. Eine in anderen Erdteilen dagegen rasant wachsende Bevölkerung wie etwa in Afrika, würde dem globalen Wirtschaftswachstum auch nicht helfen, weil insbesondere dort keine nennenswerte Kaufkraft vorhanden sei. Insgesamt hat Krugman einen eher pessimistischen Ausblick. Allein eine andere Fiskalpolitik könne langfristig hilfreich sein. Doch sähe er keinerlei Ansätze zu einer deutlichen Änderung an dieser Stelle.

Die Congress-Teilnehmer zeigen sich auskunftsfreundlich
(Quelle: Thomas Seidel)
Bei einer Umfrage unter den anwesenden Vertretern der Finanzwirtschaft, insbesondere Asset-Manager und Fondsgesellschaften aus der ganzen Welt, klingt der Ausblick auf die Zukunft viel freundlicher. Rundweg wird bestätigt, dass die Rahmenbedingungen sehr viel anspruchsvoller geworden sind. Besonders die Nullzinspolitik der Zentralbanken mache den Finanzfachleuten die Aufgabe schwerer. Doch auf die Frage wo man überhaupt noch Möglichkeiten sehe, gescheite Renditen zu erwirtschaften, kamen überraschend positiv gleichermaßen vielfältige und auch sehr ähnliche Antworten. Danach gäbe es alternative Investitionsmöglichkeiten zum Beispiel in Emerging Markets, bei der direkten Finanzierung im Immobiliensektor aber vor allem in öffentliche und private Infrastrukturprojekte wie Straßenbau, Energieversorgung, Projekte in Public Private Partnership und vielem mehr. Natürlich seien solche Anlagen wesentlich anspruchsvoller als etwa erstklassige zehnjährige Staatsanleihen zu kaufen. Dennoch könne man bei entsprechender Sorgfalt und gutem Risikomanagement in diesen Segmenten angemessene Erträge erzielen. Freilich wünschte man sich auf der Regulierungsseite eine ähnliche Bereitschaft im Umgang mit neuen Assetklassen.

Da kam der Vortrag des obersten deutschen Finanzaufsehers Felix Hufeld gerade recht. Auch von Aufsichtsseite sei man sich durchaus der Notwendigkeit einer Anerkennung neuer Assetklassen, vor allem für den Versicherungssektor, bewusst. 

Felix Hufeld vertrat den Behördenstandpunkt
(Quelle: Thomas Seidel)
Dieses Segment zu öffnen sei in Arbeit, zu Zeit bei der Europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA. Auch arbeite man an Erleichterungen für die Versicherungen bezüglich Investitionen in Infrastrukturprojekte. Kreditverbriefungen wie vor der letzten Finanzkrise in den USA, vor allem mit bonitätsmäßig schwachen Subprime-Schuldnern, kämen nicht in Frage. Falls überhaupt, dann nur unter Maßgabe eines ordentlichen Risikovorbehalts, ohne dessen genaue Höhe zu nennen. Die Aufsicht wolle ein Auf und Ab bei der Regulierung vermeiden. Die Anpassungen der recht unterschiedlichen nationalen Aufsichtskulturen unter dem Dach des Single Supervisory Mechanism (SSM) bei der EZB werde jedoch Zeit brauchen.

Der eigentliche Star der ganzen Veranstaltung war jedoch der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis (55), der gleich zu Beginn des zweiten Tages einen Vortrag unter der Überschrift „Ein Blick hinter die Kulissen der Macht“ hielt und dann lange für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung stand. Von der Konferenzleitung angekündigt, als der linke Schrecken für das Finanzgewerbe, stellte sich Varoufakis dem Publikum in seiner gewohnt lässigen Art vor. Die Thesen und Aussagen die er machte schwankten zwischen krude und schlüssig. Grundsätzlich hält Varoufakis die Politik des lockeren Geldes unter der Bezeichnung Quantitative Easing (QE) allgemein und auf beiden Seiten des Atlantiks für gescheitert. Besonders in den USA hätte QE nicht zu Investitionen in der Realwirtschaft geführt, sondern lediglich die Assetpreise an den Börsen in die Höhe getrieben. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Dann unterstellt Varoufakis Mario Draghi, dieser würde sein massives Ankaufsprogramm für Staatsschuldtitel nur betreiben, um damit seinen internen Widersacher Jens Weidmann von der Deutschen Bundesbank zu widerlegen. Das ist schon anstrengend nachzuvollziehen.

Yanis Varoufakis erstaunt immer wieder
(Quelle: Thomas Seidel)
Eine Alternative für Europa sieht Varoufakis darin, die Milliarden der EZB in von der Europäischen Investitionsbank aufzulegende Schuldtitel zu stecken, welche die Mittel direkt in High-Tech-Umwelt-Projekte investieren könnte. Das würde in Europa zu einem Wirtschaftswachstum von 4 bis 6 Prozent führen. Diese Vorgehensweise wäre immerhin legaler, als etwa Mario Draghis Ankaufsprogramm italienischer Schuldscheine. Varoufakis stellt selber die Frage und beantwortet sie auch gleich, warum dieser, in seinen Augen so vernünftige, Vorschlag nicht zur Anwendung komme. Hier wird seine Antwort schräg. Varoufakis erzählt dem vor Staunen schweigsamen Publikum, es herrsche ein heiliger Krieg in Europa zwischen dem katholischen Paris und dem calvinistischen (protestantischen) Berlin. Überhaupt wollten alle Europäer nur die Vorteile einer Europäischen Union, nicht aber die damit einhergehenden Lasten tragen. Der Euro sei nur entstanden, weil die Franzosen die Deutsche Mark unter französischer Kontrolle haben wollten. Die EZB und der Euro jedenfalls werde nicht funktionieren ohne eine fiskalische Einheit. Deshalb müsse Europa vom Staatenbund zum Bundesstaat werden. Die Erklärung dafür warum es nicht gelänge Investitionsmittel in die Industrie zu schleusen, läge auf der Hand. Investoren müssten fest daran glauben, dass in bestimmten Märkten ein ausreichender Profitreturn zu erzielen sei. 

Zumindest in dieser Einschätzung stimmt Varoufakis dann vollends mit Paul Krugman überein. Es ist mehr der Glaube der die Entscheider leitet als die Fakten.

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