Wer im Finanzamt sitzt, sollte nicht das Bargeld wegschmeißen von Thomas Seidel
In jüngster Zeit wird in den Medien immer wieder über die
Abschaffung des Bargeldes in Deutschland geschrieben. Befeuert wird die
Diskussion von ministerialen Überlegungen Bargeldtransaktionen auf einen
Höchstbetrag von 5.000 €uro zu beschränken. Schon fühlen sich diverse
„Experten“ dazu berufen, das Für und Wider einer Bargeldabschaffung abzuwägen.
Dabei wird auch immer wieder argumentiert, dass die Deutschen immer noch
mehrheitlich Bargeldtransaktionen allen anderen Zahlungsmodalitäten gegenüber
bevorzugen. Zumindest bei der älteren Generation mag das im Alltag noch so
sein. Doch Tatsache ist, dass nicht nur dem Volumen nach, sondern auch im
Vergleich mit der Zahlungsart, das Bargeld in Deutschland schon längst an Boden
verloren hat.
Bundesfinanzministerium in Berlin Das alte Reichsluftfahrtministerium des Nazis Hermann Göring daran stört sich auch keiner (Quelle: wikipedia CCL Urheber Peter Kuhley) |
Warum es dennoch ein weiteres langes Leben führen wird,
liegt an ganz anderen Zusammenhängen. Es ist vor allem eine veraltete
Infrastruktur in Deutschland, die bei der Bargeldreduzierung das größte Hemmnis
bietet. Meister im Aufstellen und Verteidigen solcher Hemmnisse sind da vor
allem Institutionen der öffentlichen Hand, aber auch private Dienstleister und
Gewerbetreibende.
Ein Musterbeispiel für solche Hemmnisse sind die Kölner
Verkehrsbetriebe. In deren Servicegebiet stehen nach wie vor Kartenautomaten,
die nicht einmal in der Lage sind Geldscheine als Zahlungsmittel zu
akzeptieren.
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Eine Bahn der Kölner Verkehrsbetriebe Et is wie et is und es kütt wie es kütt (Quelle wikipedia GNU-Lizenz Urheber Mikosch) |
Von so futuristischen Instrumenten wie Giro- oder Kreditkarten
ganz zu schweigen. Wer dort nicht die passenden Münzen für sein Ticket in der
Tasche hat, ist angeschmiert. Gerade Kommunen hinken bei zeitgenössischen
Lösungen gnadenlos hinterher. Millionen von Parkgebühr-Transaktionen ließen
sich in Deutschland nicht durchführen, weil die allerüberwiegende Mehrzahl der
Automaten nichts anderes als Bargeld akzeptiert. In manchen Städten, wo die
Parkgebühren die Kosten der täglich notwendigen Lebensmitteleinkäufe aber
bereits locker überboten haben, werden vereinzelt auch kartenfähige Automaten
aufgestellt. Deren Technik ist aber sehr nicht so robust, dass sie den klimatischen
und vandalisierenden Wechselfällen eines Automatenlebens in der Öffentlichkeit
lange standhält. Das erste was da ausfällt sind natürlich die empfindlichen
elektronischen Teile. Es gibt in der weltweiten Industrie schon lange eine
Zauberformel, nach der man sich als erfolgreicher Produzent zu richten hat,
Six-Sigma. Von diesem Standard hat aber die globale IT-Industrie, besonders bei
Softwareprodukten, allerdings noch nie etwas gehört. Liebe Nerds, es lohnt sich
das mal zu googlen!
Parkuhr in Baden Baden (Quelle wikipedia 3268zauber) |
Überhaupt nutzen alle möglichen Automaten sowieso nichts,
wenn sie ständig ihren elektronischen Geist aufgeben. Das gilt für
Ticketautomaten aller Einsatzmöglichkeiten genauso wie für Bankautomaten. Unter
denen gibt es auch zwei Spezies, die gerne bevorzugt ihren Dienstleistungsgeist
aufgeben. Deren Betreiber gehören dabei merkwürdigerweise entweder zu
Einrichtungen der öffentliche Hand, oder sind aus solchen einstmals
hervorgegangen. Allerdings stehen Banken mit ihrem Angebot von elektronischen
Zahlungsmitteln auch nicht gut da. Konzepte wie die elektronische Geldbörse
oder gar berührungsfreies Bezahlen funktionieren in der Massenpraxis noch
nicht. Es verschwinden sogar auf Chipkarten geladene Kleinbeträge, ohne das
Banken darüber Auskunft geben könnten wie und wohin. Fakt ist, dem
elektronsichen Geld fehlt jede Robustheit und es ist darüber hinaus auch noch höchst
anfällig für alle möglichen Spielarten krimineller Manipulationen. Mit deren
wirksamer Abschirmung ist der einfache Nutzer schlicht überfordert ist. Es ist
im übrigen auch nicht seine Aufgabe.
Neben solch unausgegorenen Alternativen zum Bargeld, gibt es
natürlich noch die institutionalisierte Räuberei bei nichtbaren
Geldtransaktionen. Warum die Akzeptanz von Geld- und Kreditkarten in
Deutschland vor allem bei Kleingewerbe an Grenzen stößt, ist leicht
auszumachen. Wollen sich doch die Anbieter von Dienstleistungen für bargeldlose
Transaktionen dreist mit Gebühren oder Provisionen zwischen das Geschäft von
Verkäufer und Käufer schieben und an dem Deal gleich mit verdienen. Das grenzt
zuweilen schon an eine Art Schutzgelderpressung. Natürlich sieht der kleine
Geschäftsmann nicht ein, warum er seinen ohnehin schon schmalen Verdienst für
eine Dienstleistung hergeben soll, die er bei Bargeldtransaktionen bislang
immer umsonst bekommen hat.
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(Quelle: wikipedia CCL Ralf Schulze) |
Ärgerlicher für Kunden sind da schon eher spezielle
Dienstleister, die sich weigern für ihre gar nicht mal so billigen Produkte
auch mal wenigstens schon eine Girokarte zu akzeptieren. Hier kann man ohne
weiteres gleich verschleiernde Motive unterstellen und das werden dann in der
Regel auch die wahren Gründe für diese Weigerungen sein. Das ist im weitesten
Sinn rund um Dienstleistungen beim Gesundheitswesen sehr in Mode gekommen und
bringt unweigerlich eine ganze Branche ins Zwielicht.
Offensichtlich sind im scheinbar so modernen Deutschland
keinerlei Voraussetzungen für einen langfristigen aber konsequenten Ausstieg
aus dem Bargeld geschaffen. Das fängt bei einem Gesetzgeber an, der die
Annahmepflicht bei Zahlungsmitteln anders definieren muss. Insofern sind die
oben erwähnten Töne aus dem Bundesfinanzministerium nur Gelächter wert, wenn
solche Aussagen ohne konkrete Gesetzesvorschläge gemacht werden. Dann müssten
vor allem die bürgernahen Verwaltungen daran gehen, alternative Zahlungsmittel
auch zu akzeptieren. Dazu gehören an aller erster Stelle Kommunen und Gerichte.
Doch all diese Schritte führen ins Nichts, solange es die IT-Industrie nicht
schafft, robuste, extrem niedrig störanfällige und vor allem absolut
fälschungssichere Zahlungstechniken zu entwickeln, die von ihren Nutzer dann
auch noch genauso einfach gehandhabt werden müssen, wie man es mit Bargeld
kann. Insofern wird uns das gute alte Bargeld sicher noch sehr sehr lange
erhalten bleiben.
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