Nicht nur das Laufen will nach einem Jahr gelernt sein - Bericht von der 32. SUERF-Konferenz- von Thomas Seidel

Unter den Non-Profit-Organisationen die in Europa seit langem die Entwicklung an den Finanzmärkten beobachten, gehört die 1963 gegründete SUERF (Société Universitaire Européenne de Recherches Financières) mit zu den ältesten in Europa. Dieser Tage nun hat SUERF zusammen mit der Deutschen Bundesbank und der Stiftung Geld und Währung in Frankfurt am Main eine zweitägige Konferenz abgehalten. Dreh- und Angelpunkt war die neue europäische Bankenaufsicht bei der EZB, der Single Supervisory Mechanism (SSM), in seinem Zustand etwa ein Jahr nach dessen Tätigkeitsaufnahme.

32. SUERF-Konferenz in der Landeszentralbank Hessen in Frankfurt am Main
(Quelle: Deutsche Bundesbank)

Viele prominente Namen unter der Leitung des Schweizers Urs Birchler, der gleichzeitig Präsident der Universität von Zürich wie auch von SUERF ist, kamen da zusammen. Zentralbanken wie die Deutsche Bundesbank waren vertreten etwa von deren Vizepräsidentin Claudia Buch. Auf den englischsprachig superpeinlichen Auftritt eines Erich Loeper, der bei der Deutschen Bundesbank in der Funktion eines Zentralbereichsleiters dort die Abteilung für Bankenaufsicht leitet, wollen wir an dieser Stelle lieber nicht weiter eingehen. 

Keine Panik, es geht nur ums Lunch. Urs Birchler leitet die Konferenz
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
De Nederlandsche Bank war durch ihren Präsidenten Klaas Knot präsent. Von der Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) kam deren Chefökonom Claudio Borio. Für den Kreis der privaten Banken sprach mit Martin Blessing der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank AG. Von der akademischen Seite ist vor allem Isabel Schnabel von der Universität Bonn zu erwähnen, die ja auch dem Rat der deutschen Wirtschaftsweisen angehört.

Übertrieben hofierter Starredner war aber Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank. Doch die für das Thema der Konferenz bei weitem wichtigste Persönlichkeit glänzte durch Abwesenheit. Danièle Nouy die eigentliche Chefin der europäischen Bankenaufsicht. So wurde von allem über den SSM gesprochen, aber die Bankenaufsicht selbst war mit keiner angemessenen Stimme vertreten, zweifellos ein Konstruktionsfehler der ganzen Konferenz.

Der SSM ist nun einmal da, aber auch nach einem Jahr wird immer noch mit dessen Konstrukt, gar dessen Existenz, herum gehadert. Vor allem zanken manche mit der idealistischen Frage, ob eine Bankenaufsicht überhaupt bei einer Zentralbank richtig angesiedelt sei, oder ob die beiden Aufgaben nicht streng voneinander getrennt sein müssten? Dabei brachte es Isabel Schnabel auf den Punkt und meinte: Ja, die Zusammenfassung beider Aufgaben in einem Haus sei nicht ideal, aber zu dem Zeitpunkt zu dem über das Konstrukt entschieden werden musste, die einzige kompetente Möglichkeit. 

Isabel Schnabel verlangt Realitätssinn
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
In diesem Satz liegt viel Erklärung, Wahrheit und Bitternis. Die Europäische Union hat, trotz Heerscharen von teuren Beamten für alles Mögliche, zumindest für den Finanzsektor mit der EZB nur eine einzige kompetente und handlungsfähige Einrichtung. Die Kritik an der europäischen Bankaufsicht ist, vor allem ein möglicher Interessenkonflikt zwischen der Aufgabe der Geldwertstabilität durch die Geldpolitik und den Tätigkeiten bei der Bankenaufsicht. Etwaige Fehler dort könnten ja zu Reputationsverlusten führen und die Versuchung, Aufsichtsfehler durch Instrumente der Geldpolitik wieder glattzubügeln, sei nicht weg zu diskutieren. Natürlich erwachsen aus dieser Zusammenarbeit auch Vorteile. Insgesamt bekäme die EZB ein besseres Bild über den Zustand der Banken deren Bank sie nun einmal ist. Kooperation sei ja immer positiv zu sehen und würde auch zu einer Senkung von Inflation führen. Das Argument ist aber vor allem in diesen Zeiten, wo Inflation nur mittels mikroskopischer Instrumente auszumachen ist, eher schwer nachvollziehbar.

Dem SSM muss aber erst einmal mehr Zeit gegeben werden sich zu entwickeln und seine eigenen Erfahrungen zu sammeln. Deswegen soll in der Bankenaufsicht vor allem harmonisiert werden. Dazu gehört auch die Ausbildung einer supranationalen Neutralität. Weiß man doch, dass in vielen Ländern die Intensität der Anwendung durch die nationalen Bankenaufsichten wohl aus nationalpolitischen Opportunitätsgründen eher zu schwach war. Geldpolitik, so wird klar gemacht, sorge für die Quantität von Kreditvolumen, nicht aber für deren Qualität.

Die richtige Weg zur Bankenaufsicht bietet viel Gesprächsstoff
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Die Unterscheidung zwischen Quantität und Qualität ist auch eine wichtige Betrachtung des andern Kernpunkts der Konferenz, die Frage nach der angemessenen Eigenkapitalausstattung. Hier gälte, es komme nicht nur auf die Höhe, sondern auch auf die Herkunft des Eigenkapitals an. Dabei sollte die Rolle des Eigenkapitals nicht unterschätzt werden. Es diene nicht nur als Puffer für Geschäftsrisiken und mögliche Verluste. Eigenkapital sei vor allem auch die Basis für das Wachsen des Kreditgeschäfts, dessen Ausdehnungsrahmen ja bekanntlich in einem direkten Verhältnis zum vorhandenen Eigenkapital einer Bank steht. Pauschalierte Aussagen etwa wie, Eigen-kapitalerhöhungen auf 15 bis 20 Prozent der risikobehafteten Anlagen hätten alle aus der Vergangenheit bekannten Risiken abgepuffert, helfen weder der Finanzbranche noch der Aufsicht. Von Krise zu Krise in den letzten Jahrzehnten kam es jedesmal zu neuen, so in Art und Umfang nicht vorhersehbaren, Verlusten. Wo also ist da bitte der statistisch belegbare Maximalpuffer gegen jedwede Pleite? Wichtiger war der Hinweis darauf, nicht nur eine umfangreiche Kapitalausstattung der Banken sichert gegen Finanzrisiken ab. Mindestens genauso wichtig ist die Möglichkeit für die Banken angemessene Profite zu erzielen. Nur aus diesen sind weitere Mittel zur Risikovorsorge zu erwirtschaften und nur durch Profite wird es für die Banken möglich sein, sich weiterhin angemessen neues Eigenkapital an den Märkten zu beschaffen. 

Das Publikum scheint skeptisch bis desinteressiert
(Quelle: Deutsche Bundesbank)
Für Felix Hufeld von der deutschen Finanzaufsicht könnte daher das Thema eines kommenden Stresstests die niedrige Profitabilität der Banken sein. So bleibt wohl ewig strittig, wie man eine ausreichende Kapitalausstattung tatsächlich definiert. Martin Blessing macht darauf aufmerksam, dass man, anders als in den USA, in Europa immer noch mit der philosophischen Frage beschäftigt sei, ob Eigenkapital eher für die Aktionäre oder für die Bankenaufsicht da sei? Blessing sieht für potenzielle Investoren im Bankgeschäft in Europa auch noch ein Problem darin, dass hier durch das Fehlen eines klar geregelten Abwicklungsmechanismus unklar bleibt, wer im schlimmsten Fall eines Banken-zusammenbruchs letztlich die Zeche zu zahlen hat. Das erschwere die Risikoeinpreisung.

Spannend in Europa ist aktuell auch das Gezerre um eine einheitliche Einlagensicherung. Dabei stehen die bereits vergleichsweise üppig abgesicherten deutschen Einlagen gleichzeitig in der europäischen Kritik, sind aber auch Vorbild für andere Länder. Währenddessen treibt die typisch deutsche Bunkermentalität, immer gepaart mit der alten wilhelminischen Philosophie vom Deutschen Wesen an dem die Welt genesen soll, alte antideutsche Vorurteile zur Blüte. Auf deutscher Seite wird dabei gern von der Haftung für die Kundeneinlagen im Rest Europas schwadroniert und dieser Rest Europas beschwert sich natürlich über deutsche Arroganz, Abgehobenheiten und mangelnde Solidarität. So stehen sich die Parteien Deutschland und der Rest von Europa in Sachen Einlagensicherung wieder einmal feindlich gegenüber. Claudia Buch von der Deutschen Bundesbank blässt genau in dieses Horn und stellt fest: Es gäbe eine Menge von nationalen Vorschriften, die beeinflussen was alles in eine Bankbilanz komme oder nicht. Solange es hier keine Harmonisierung gäbe, mache eine gemeinsame Einlagensicherung keinen Sinn. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass unerwünschte Risiken auf einem „europäischen“ Level abgesichert würden. 

Kein Versteigerungszuschlag, sondern ein Ordnungsaufruf
 an das Publikum endlich mit einer Frage auf den Punkt zu kommen
(Quelle. Deutsche Bundesbank)
Weiterhin, im Zusammenhang mit der Integration der europäischen Kapitalmärkte, gäbe es auch eine Reihe von nationalen Hürden, zum Beispiel bei der „corporate governance“ und etwa bei „venture capital“, die zunächst erst einmal identifiziert und dann beseitigt werden müssten. So sehr in einem rein technischen Sinn all diese Einwände kaum abzuweisen sind, so wenig eloquent ist es in dieser Art und Weise solche Aussagen zu machen.

Was die Eloquenz angeht, da hat die europäische Finanzwelt in Mario Draghi zur Zeit ihren Meister. Draghi konzentriert sich konsequent auf das einzige Mandat der EZB und stellt dazu grundsätzliche Fragen, die die Teilnehmer sprachlos lassen. So zum Beispiel, ob eine Zentralbank gegen Kräfte lokal vorgehen könne, die außerhalb ihrer Kontrolle lägen? Oder, könne eine Zentralbank gegen Inflation kämpfen, falls diese nicht nur monetäre Gründe habe? Solche könnten etwa in der demographischen Entwicklung liegen, oder bei dem Auf und Ab der Rohstoffpreise, gar in technologischen Entwicklungen, wie etwa verbesserter Transparenz bei Preisen durch das Internet. All das seien Faktoren die Einfluss nähmen auf die Entwicklung der Inflation. Die Geldpolitik, so Draghi, müsse sich wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Ereignissen geschmeidig anpassen. Dazu gehöre auch, die genaue Länge eines Begriffs wie „mittelfristig“ (medium-term) nicht zu definieren, da dessen Dauer von der Natur eines Schocks abhänge. Die EZB jedenfalls, so versichert Draghi der versammelten Gemeinde, habe die Handlungsinstrumente und den Willen sie einzusetzen.

Gespräche ausserhalb des Protokolls. Lunch während der Konferenz
(Quelle: Thomas Seidel)
Europa wird wohl lernen müssen, mit seiner Bankenaufsicht so zu leben wie sie nun einmal ist. Weder macht es Sinn auf ein neues geniales Konzept zu warten, noch wird es eine Rückkehr zum vorhergehenden Zustand geben. Der SSM muss sich jetzt nach einem ersten Jahr hektischen Beginnens konsolidieren und Stück für Stück seine eigenen Maßstäbe für eine Bankenaufsicht in die Welt setzen und diese auch durchsetzen. Wenn das den Leuten vom SSM so gut gelingt wie es seit fünfzehn Jahren der EZB gelungen ist, wird Europa in jedem Fall eine bessere Finanzaufsicht bekommen denn je. Europa selbst hat inzwischen andere große Baustellen, die seiner Aufmerksamkeit bedürfen. Ein einheitlicher Kapitalmarkt und eine einheitliche Einlagensicherung sind nur zwei sehr spezielle davon. Wichtiger aber noch als die zur Zeit täglich strapazierte Flüchtlingsfrage, bleibt die Notwendigkeit einer Fiskalunion, ohne die alle anderen Bemühungen in Sachen Banken, Kapital, Märkte und Finanzen langfristig aber leider zum Scheitern verurteilt sind.

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